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Neitzel | Abgehört | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 60760, 688 Seiten

Reihe: List bei Ullstein

Neitzel Abgehört

Deutsche Generäle in britischer Kriegsgefangenschaft 1942-1945
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8437-3744-9
Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Deutsche Generäle in britischer Kriegsgefangenschaft 1942-1945

E-Book, Deutsch, Band 60760, 688 Seiten

Reihe: List bei Ullstein

ISBN: 978-3-8437-3744-9
Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Was dachte die deutsche Generalität während des Zweiten Weltkriegs über Hitler, die Kriegslage und die Siegesaussichten? Was wusste sie über die Kriegsverbrechen? Sönke Neitzel hat die Abhörprotokolle deutscher Stabsoffiziere in britischer Kriegsgefangenschaft ausgewertet und gewährt erstmals unmittelbaren Einblick in das Wissen und Denken der Wehrmachtführung.

Sönke Neitzel, geboren 1968, war nach Lehrtätigkeiten in Mainz, Karlsruhe, Bern und Saarbrücken Professor für Modern History an der University of Glasgow und Professor für International History an der London School of Economics (LSE). Seit 2015 hat er den deutschlandweit einzigen Lehrstuhl für Militärgeschichte/ Kulturgeschichte der Gewalt am Historischen Institut der Universität Potsdam inne. Zusammen mit Harald Welzer verfasste Neitzel den Bestseller Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben. Zuletzt erschien von ihm und Bastian Matteo Scianna Blutige Enthaltung. Deutschlands Rolle im Syrienkrieg (2021).
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Vorwort zur neunten Auflage


Die Abhörprotokolle deutscher Offiziere in britischer Kriegsgefangenschaft haben sich als außerordentlich reiche Quelle für die Forschung zur Wehrmacht, zur Massengewalt im Krieg, zum militärischen Widerstand und zur Geschichte der britischen Nachrichtendienste erwiesen. Vor zwanzig Jahren – im Herbst 2005 – wurden diese Quellen mit dem Buch erstmals in einer umfassenden wissenschaftlichen Edition der Öffentlichkeit vorgestellt.1 Es folgten fünf Übersetzungen, darunter die englische Ausgabe , die 2007 erschien.2

In Deutschland wurde das Buch sowohl von der Wissenschaft als auch von der breiten Öffentlichkeit mit großem Interesse aufgenommen. Die fünfteilige ZDF-Dokumentation „Die Wehrmacht“ im Jahr 2007 basierte zu einem erheblichen Teil auf der Reinszenierung der in den Protokollen festgehaltenen Gespräche. Besonderes Interesse weckten die Unterhaltungen über Kriegsverbrechen, den Vernichtungskrieg und das Wissen der Soldaten über den Holocaust: Der titelte 3, die Zeitung beschrieb sie als „4, in der schrieb der Literaturkritiker Fritz Raddatz über „5 und ließ seiner Verachtung der Wehrmachtgeneräle freien Lauf. Am anderen Ende des politischen Spektrums bestritt die Wochenzeitung den Wert der Abschriften und behauptete, dass die Generäle absichtlich falsche Angaben gemacht hätten, da die aufgezeichneten Gespräche durch Spitzel ausgelöst worden seien und die Generäle zweifellos gewusst haben mussten, dass sie abgehört würden. Da die Originalaufnahmen nicht mehr existierten, sei es unmöglich, die Echtheit der Abschriften zu bestätigen, weshalb die behauptete, sie seien als Quelle nahezu wertlos.6 Timo von Choltitz, der Sohn des Wehrmachtgenerals Dietrich von Choltitz, ließ sogar das Landeskriminalamt Stuttgart die Schrifttypen der Abschriften analysieren, um seinen Verdacht zu bestätigen, dass sie gefälscht seien. Die Untersuchung hat allerdings keine entsprechenden Anhaltspunkte ergeben, was seinen Glauben an die Fälschung dieser Quellen aber wohl nicht erschüttern konnte. Reaktionen dieser Art finden sich auch in den einschlägigen Internetforen zuhauf. Dies zeigt einmal mehr, dass die apologetische Umdeutung deutscher Geschichte auch nach dem Ableben der Zeitzeugengeneration in Deutschland einen festen Platz hat.

Ähnlich wie in der Öffentlichkeit fand auch in der Geschichtswissenschaft vor allem das Kapitel über die Verbrechen der Wehrmacht große Aufmerksamkeit. Andere Aspekte der Studie – wie die Wahrnehmung Hitlers und des Nationalsozialismus durch die gefangenen deutschen Generäle oder die Frage, ob bzw. wann diese mit den Briten kollaborieren sollten – wurden deutlich weniger beachtet. Umso erfreulicher, dass die Transkripte einen Beitrag zur Debatte über Feldmarschall Erwin Rommel und den Widerstand gegen Hitler liefern konnten. Am 1. November 2012 wurde im deutschen Fernsehen (ARD) ein neuer Spielfilm über Rommel ausgestrahlt, in dem ausführlich darüber diskutiert wurde, ob er von dem Attentat auf Hitler gewusst und es sogar gebilligt hatte. Eines der Schlüsseldokumente, die Rommel in die Nähe des militärischen Widerstands rücken, sind die abgehörten Gespräche von General Heinrich Eberbach. Im Gefangenenlager Trent Park sprach er im September 1944 mehrmals über sein Treffen mit Rommel am 17. Juli 1944. Dieser sei überzeugt gewesen, dass Hitler getötet werden müsse. Dieses Gespräch ist insofern besonders wertvoll, weil Eberbach die letzte Person war, mit der Rommel sich austauschte, bevor er am späten Nachmittag des 17. Juli schwer verwundet wurde.

Eberbach hat sich nach dem Krieg durchaus unterschiedlich über dieses Treffen und Rommels Absichten geäußert. Gegenüber Wilhelm Ritter von Schramm meinte er 1952, nach der Lektüre eines Kapitelentwurfs von dessen Buch „Der 20. Juli in Paris“: „Rommels Absicht war ja nicht, Hitler zu ermorden, sondern ihn vor ein Gericht zu stellen.“7 Mehr als 30 Jahre später, wenige Jahre vor seinem Tod, schrieb er an den ihm seit vielen Jahrzehnten freundschaftlich verbundenen Oskar Munzel: „Ob ich mich am 20. Juli beteiligt hätte? Rommel frug mich am 18.7. Ich sagte ihm: Ja, aber wie wollen Sie einen Bürgerkrieg vermeiden? Dem wich er aus, fuhr weg u. wurde auf dieser Fahrt schwer verwundet.“8 Die Wortwahl „20. Juli“ deutet darauf hin, dass die ursprünglichen Aussagen von Eberbach in Trent Park, Rommel habe vom Attentat gewusst und die Absicht gehabt, Hitler zu töten, authentisch waren. Die Relativierung im Schreiben von 1952 scheint mir eher dem Zeitgeist der Fünfzigerjahre geschuldet zu sein, als das Attentat auf Hitler noch mehrheitlich als Verrat gesehen wurde. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die abgehörten Gespräche von Dietrich von Choltitz zeigen, dass er sehr genau über das Attentat Bescheid wusste. In seinen Memoiren wird sein Wissen über den 20. Juli aber mit keinem Wort erwähnt.9 Auch wenn wir nicht mit letzter Gewissheit beweisen können, dass Rommel von dem Attentatsplan wusste, liefern die Abhörprotokolle doch starke Indizien dafür, dass er im Juli 1944 zu den Eingeweihten gehörte.10

Dieses Beispiel zeigt, dass es sich bei den Protokollen um eine durchaus ambivalente und nicht ganz unproblematische Quelle handelt. Bei sorgfältiger Kontextualisierung und dem Abgleich mit anderen Dokumenten ermöglichen sie jedoch weitreichende neue Erkenntnisse und können der Neubewertung allzu liebgewordener Interpretationen dienen. Die in veröffentlichten Transkripte haben beispielsweise gezeigt, dass die deutschen Generäle den Krieg sehr unterschiedlich wahrgenommen haben. Obwohl sie alle derselben Funktionselite angehörten, sehr ähnliche Karrieren durchliefen, aus einem ähnlichen sozialen Umfeld stammten und ähnliche Fronterfahrungen gemacht hatten, gingen ihre Ansichten über den Nationalsozialismus, Hitler, den Verlauf des Krieges und die in ihm begangenen Verbrechen weit auseinander. Die Auseinandersetzung zwischen den Generälen Ludwig Crüwell und Wilhelm Ritter von Thoma, die mehr als anderthalb Jahre lang in Trent Park miteinander stritten, ist ein Beispiel für diese Wahrnehmungsdiskrepanzen. Beide wurden Anfang der 1890er-Jahre geboren, kämpften als junge Infanterieoffiziere im Ersten Weltkrieg, befehligten 1941 Panzerdivisionen an der Ostfront und stiegen zu Oberbefehlshabern des deutschen Afrikakorps auf. Und doch haben sie aus ihren Erfahrungen völlig unterschiedliche Lehren gezogen. Während Crüwell fest an den Nationalsozialismus glaubte, war Thoma ein entschiedener Anti-Nazi. Tobias Seidl hat in seiner Dissertation an der Universität Mainz die Heterogenität der Generäle in Trent Park umfassend untersucht und herausgearbeitet. Seine Studie bestätigt den zentralen Befund, dass man zwar in Bezug auf das Handeln der deutschen Generäle von Homogenität sprechen kann, nicht aber in Bezug auf ihre Wahrnehmungen und Interpretationen.11

Die Edition war nur der erste Schritt zur Erschließung und Auswertung eines Gesamtbestands von etwa 50.000 Seiten Gesprächsprotokolle deutscher und italienischer Soldaten, die im britischen Nationalarchiv in London lagern. Im Jahr 2006 entdeckte ich noch einen weiteren Bestand ganz ähnlicher Quellen amerikanischer Provenienz. Der US-Nachrichtendienst hörte in den Jahren 1942 bis 1945 etwa 3.000 deutsche Gefangene in Fort Hunt bei Washington D.C. ab. Der Aktenbestand im amerikanischen National Archive umfasst insgesamt 102.000 Seiten an Vernehmungsberichten, Fragebögen, Lebensläufen und in erheblichem Umfang auch Mitschriften heimlich aufgezeichneter Gespräche. Um das britische und amerikanische Material auszuwerten, starteten der Sozialpsychologe Harald Welzer und ich 2007 ein von der Gerda Henkel- und der Fritz Thyssen-Stiftung gefördertes Forschungsprojekt. Bis Ende 2011 haben vier Postdocs, drei Doktoranden und elf Masterstudenten das Material systematisch und aus unterschiedlichen Perspektiven erforscht. Aus dem Projekt gingen sieben Monografien, ein Sammelband sowie zahlreiche wissenschaftliche Aufsätze hervor.12

Ziel des Forschungsprojekts war es, den Referenzrahmen deutscher und italienischer Soldaten zu rekonstruieren und aufzuzeigen, wie die Kriegserfahrung von einem Querschnitt der Soldaten der Achsenmächte wahrgenommen und interpretiert wurde. Harald Welzer und ich veröffentlichten im April 2011 das erste Buch des Projekts (), das bis 2018 in neunzehn Sprachen übersetzt wurde. Während sich „nur“ dem Material der höheren Führungsebene der Wehrmacht widmet, wertet den gesamten Quellenbestand aus Die Studie zeigt den extrem eingeschränkten Reflexionshorizont der Soldaten, ihre Technikbegeisterung, die Wahrnehmung des Krieges als eine Art Job, den man einfach zu erledigen hatte, die schnelle...



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