E-Book, Deutsch, 223 Seiten
Neely DER ATTENTÄTER
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7554-1249-6
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein Polit-Thriller
E-Book, Deutsch, 223 Seiten
ISBN: 978-3-7554-1249-6
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
V. R. Smith, millionenschwerer Besitzer von Rundfunk- und Fernsehstationen, ist einer der einflussreichsten Männer der Vereinigten Staaten - und einer der skrupellosesten. Als Boss einer rechtsradikalen Verschwörer-Clique plant er mit eiskalter Präzision das Attentat auf seinen Erzfeind, den Führer der linksradikalen Bewegung der Schwarzen Attacke... Richard Neely war ein US-amerikanischer Autor von Kriminalromanen. Sein bekanntestes Werk ist Tod im Spiegel, verfilmt im Jahr 1991 von Wolfgang Petersen (unter dem Titel Zersplittert ebenfalls als Roman im Apex-Verlag erhältlich). Der Roman Der Attentäter erschien erstmals im Jahr 1972; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1977. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
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Zehntes Kapitel Nun lag Ridge ausgestreckt und widerstandslos auf Dr. Lashs schwarzer Couch und starrte eines der riesigen Serviertabletts an der Wand an. Die eingehämmerten Figuren glänzten in einem Sonnenstrahl auf, der durch einen Spalt der zugezogenen Vorhänge hereinfiel. Das Schweigen im Raum wurde nur durch das gedämpfte Vorbeirauschen einzelner Autos gestört. Ridge kam sich plötzlich allein und verlassen vor. Es war genau dasselbe Gefühl wie damals in seiner Kindheit, als seine Eltern ihn bei einer Nachbarin untergebracht hatten, um verreisen zu können. Warum hatten sie ihn nicht mitgenommen? Ein paar Tage Fehlen in der Schule hätte nichts ausgemacht. Daran lag es nicht. Sein Vater wollte mit seiner Mutter allein sein. Ridge hatte in dem fremden Bett im fremden Zimmer wach gelegen, böse an seinen Vater gedacht und sich selbst wegen dieser Gedanken gehasst. Aber gegenüber den Nachbarn war er ein wahrer Engel gewesen und besonders von den Männern oft gelobt und gestreichelt worden. Sein Vater hatte jedoch nichts von diesem Vertrauensbruch erfahren. Als dieser große, streng wirkende Mann nach Hause kam, hatte sich der kleine Junge doppelt bemüht, ihm alles recht zu machen. Ein anderer Gedanke schoss ihm durch den Kopf: Genauso war es, wenn ihn beim Fußball der Coach manchmal aus der Mannschaft nahm. Beim Training in der nächsten Woche überschlug er sich dann förmlich, um sich wieder zu bewähren. Die richtige kämpferische Einstellung, nicht wahr? Woher kamen nur all diese wirren Gedanken? Kam er sich auch jetzt wieder zu Nachbarn abgeschoben vor? Oder aus der Mannschaft herausgenommen? Zu welchen Nachbarn? Die massige Gestalt neben ihm schien in der Stille noch zu wachsen - ein gigantischer Buddha, der stumm auf die Beichte eines hilflosen Bittstellers wartete. Oder ging es um den Krieg. Mein Gott - auch aus diesem Spiel war er herausgenommen worden. Dabei hatte er sich doch so sehr angestrengt. Schließlich war es nicht seine Schuld, dass dieses Match am Ende verlorenging. Nicht er war es, der die Signale durcheinander gebracht hatte. Es war dieser gottverdammte... Nein, vergiss es, vergiss es! Schließlich hatte der Coach ihm nach der Katastrophe nicht den Kopf abgerissen - na schön, es war nicht der Coach, es war General Gunderson. Ganz im Gegenteil, der General hatte sich freundlich und verständnisvoll gezeigt, hatte ihn jeden Tag im Krankenhaus besucht, wie damals sein Vater, als er Lungenentzündung hatte. Er verdankte dem General mehr, als er je wieder gutmachen konnte. Der General verstand ihn, achtete ihn vielleicht sogar und - sprich es aus, Ridge! - liebte ihn vielleicht wie den Sohn, den er selbst nie gehabt hatte. Aber hatte er nicht auch selbst dem General so viel an Loyalität und Vertrauen entgegengebracht wie jeder anständige Junge seinem Vater? Schön, er hatte den General enttäuscht, wenn auch nicht absichtlich. Aber der General hatte ihm nie die kalte Schulter gezeigt, wie es sein Vater getan hätte. Nein - der General wusste, dass jeder Mann einmal den Mut verlieren kann. Ach, Anna, hast du mich deshalb auf diese schwarze Couch gedrängt? Nicht nur wegen der Alpträume, sondern weil du irgendwie spürst, dass ich innerlich abbröckle wie Kalk. Dass ich mir mutlos, ausgehöhlt vorkomme. Dass ich etwas brauche, was mir die Angst nimmt, das Schuldgefühl - und das man dann wie einen vollgesogenen Schwamm wegwerfen kann? War ich schon so, als du mich heiratetest: eine glänzende, lackierte Fassade, aber darunter verrostet? Bist du deshalb so schnell auf meinen Antrag eingegangen? Damals am Abend im Cabrio am schwarzen Atlantik, weil du wusstest, dass ich dich brauchte wie nie zuvor eine Frau? Liebste Anna, ich brauch’ dich immer noch. Aber etwas anderes brauche ich jetzt dringender. Hast du auch das gespürt? Glaubst du, dass dieser schweigsame Mann neben mir, der nur darauf wartet, dass ich mein Innerstes nach außen kehre, den Zauber in Händen hält, den ich so dringend brauche? Ich liebe dich, Anna. Ich liebe dich, und vielleicht hast du recht, wenn du mich hierher schickst. »Haben Sie an Ihre Träume, an die Alpträume, gedacht?« Die Frage ist gerechtfertigt, dachte Ridge. Sein Schweigen hatte zu lange gewährt. Er blinzelte das Messingtablett an und versuchte, in die Wirklichkeit zurückzufinden. »Ich denke schon, aber - es ist so schwer, darüber zu sprechen.« »Versuchen Sie es. Geht es um den Krieg?« »Ja, ich glaube.« Ridge bemühte sich. »Es muss wohl mit dem Krieg zu tun haben.« Wieder entstand eine längere Pause. Dann ertönte die warme, beruhigende Stimme eines liebevollen Vaters: »Ridge, versuchen Sie doch, in diesen Traum hineinzuschlüpfen. Entspannen Sie sich. Sie schlafen jetzt, Sie träumen... Kehren Sie zu dem Traum zurück... Lassen Sie die Gedanken in sich hineinfließen... Entspannen...« Nach einigen Minuten nahm dieser Traum allmählich Gestalt an, zuerst nur vage und verschwommen, dann bizarr, verzerrt, wie in einem Spiegel im Lachkabinett. »Ich habe von Blut geträumt. Es strömte aus meiner Nase. Es war in einem Pfadfinderlager in den Bergen. Es war dunkel. Ich saß auf meiner Pritsche und versuchte das Blut zu stillen. Erst presste ich mein Taschentuch, dann mein T-Shirt, dann meine Hose ans Gesicht. Endlich hörte das Bluten auf. Ich schlich mich in den Speisesaal und stopfte die blutigen Sachen in die Heizung.« »Warum haben Sie nicht jemanden geweckt?« »Wenn unser Gruppenführer es erfahren hätte, dann hätte er mich am Samstag darauf nicht beim Sportfest mitmachen lassen. Und ich hatte doch den ganzen Sommer dafür trainiert. Zuviel wahrscheinlich. Mein Vater wollte kommen und auch meine Mutter. Ich musste immer daran denken, was mein Vater wohl sagen würde, wenn ich mich wegen eines dummen Nasenblutens gedrückt hätte.« Ridge wälzte sich auf der Couch hin und her. »Aber ich hab’ nicht ein einziges Mal gewonnen. Vater war enttäuscht. Mir war elend. Wenn ich einmal gewonnen hätte, wäre es möglich gewesen, ihm von dem Nasenbluten zu erzählen. Aber so hätte er das nur für eine Ausrede gehalten. Mein Vater war Richter. Solche Ausreden machten ihn nur wütend. Verlieren, das war schon schlimm genug. Ich wusste genau, was er auf dem Heimweg zu meiner Mutter darüber sagen würde und auch abends noch im Bett. Ich hatte oft genug wach gelegen und mit angehört, wenn Vater ihr eine Lektion erteilte. Mir fehlte der innere Antrieb, sagte er immer wieder. So würde ich nie etwas werden.« Ridge hielt inne. Er presste die Augen zu. »Das war der Alptraum?«, fragte Lash behutsam. »Nein, nur der Anfang. Das viele Blut - es floss in etwas anderes über. Großer Gott!« Ridges Stirn war schweißbedeckt. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Wir lagen am Fluss. Am Mekong. Es war Nacht...« Die Szene stand scharf und deutlich vor seinen Augen. Er sah das schlammige Wasser im geisterhaften Licht der Sterne glitzern, die schweigenden dschungelbewachsenen Ufer, die schwarze Silhouette vor dem Himmel. Er fühlte, wie etwas unter ihm schwankte. »Wir lagen in kleinen Holzbooten. Es waren zwei Boote mit je sechs Mann. Mein Kommando umfasste vierundzwanzig Mann. Die anderen zwölf waren am Ufer.« Er verzog schmerzlich das Gesicht. »Sie wurden von einem Sergeant kommandiert.« Wieder eine Pause. »Im Dickicht lauerten die Vietkongs. Kleine umherziehende Gruppen. Aber man sah sie nie, man hörte sie nicht. Sie machten uns die Hölle heiß. Scharfschützen, Feuerüberfälle. Ich hatte Befehl, sie auszuräuchern - wir hatten Flammenwerfer mit -, die Raketenwerfer zu zerstören und nach Möglichkeit auch einen Nachschubkonvoi von Ochsenkarren.« Diesmal wurde die Pause so lang, dass Dr. Lash nachfasste. »Und was geschah dann?« »Wir glitten dicht am Ufer den Fluss hinab und strengten unsere Augen an, horchten auf das Knacken eines Zweigs. Und dann - es war so verdammt lächerlich - dann musste ein Mann in meinem Boot dicht hinter mir husten.« Ridge fuhr hoch und umklammerte mit beiden Händen das weiche Leder der Couch. »Auf einmal war die Hölle los. Vom anderen Ufer her krachten die Kugeln in unser Boot. Mein Gott, dieses Splittern! Vier meiner Männer wurden getötet. Das Boot hinter mir war durchsiebt. Wir mussten es stranden lassen. Also waren wir zu acht in dem einen Boot und glitten den Fluss hinab.« Die Adern an Ridges Hals standen deutlich hervor. Der Schweiß lief ihm kalt über den Rücken. Mühsam stieß er hervor: »So trieben wir um die Flussbiegung herum und waren außer Sicht. Dann paddelten wir hinüber zum anderen Ufer und stiegen aus. Wir wollten uns einen Weg durch den Dschungel bahnen und die Gegner von hinten fassen. Unsere Waffen hatten wir noch, auch die Flammenwerfer. Fast eine halbe Stunde krochen wir auf dem Bauch. Dann hatten wir die Stelle erreicht. Wir wussten ja, wo sie waren, genau vor uns. Wir hörten das Geräusch von klapperndem Metall, vielleicht ein Gewehrlauf, der gegen eine Feldflasche stieß. Dann wollte der Mann neben mir vorkriechen, aber ich packte ihn beim Arm. Ich wollte ganz sicher sein. Irgendwie muss dabei ein Geräusch entstanden sein, denn jemand schoss auf uns. Wir hatten keine Wahl, wir mussten angreifen.« Ridge war der Mund trocken geworden. »Wir setzten alles ein: Gewehre, Bajonette, Flammenwerfer. Nichts konnte uns mehr zurückhalten. Ich sah die Umrisse dreier Männer. Sie standen neben einem Baum. Hoben gerade ihre Gewehre - da erwischte sie ein Flammenstrahl, und sie verbrannten wie Zelluloid. Ich traf mit meinem Karabiner zwei Gegner in die Brust, bevor sie einen einzigen Schuss abgeben konnten. Ein anderer...




