Natter | Die Tote im Cellokasten | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 4, 184 Seiten

Reihe: Ibele-Krimi

Natter Die Tote im Cellokasten

Inspektor Ibeles schwärzester Fall
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7099-3554-5
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Inspektor Ibeles schwärzester Fall

E-Book, Deutsch, Band 4, 184 Seiten

Reihe: Ibele-Krimi

ISBN: 978-3-7099-3554-5
Verlag: Haymon Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Auf der Schubertiade im Bregenzerwald kommt es zu einem bösen Zwischenfall - eine Gesellschaftsdame wird ermordet, ein wertvolles Cello verschwindet spurlos. Inspektor Ibele ermittelt in den prächtigen Gasthöfen von Schwarzenberg. Er trifft auf betuchte Konzertbesucher und polternde Bauernbuben und ist trotz jahrelanger Erfahrung mehr als gefordert: Die Neigungen eines Trachtenfetischisten bringen selbst den bodenständigen Vorarlberger Inspektor gehörig ins Schwitzen.

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Samstag, 7. September 2013
XII. Inspektor Ibeles samstägliche Routine, die wesentlich im Fehlen von Routine besteht, erfährt heute eine gewisse Unterbrechung. Kein Weg führt den frühstückenden Inspektor an den Mord-Berichten des Vorarlbergboten vorbei. Wenn sie auch nichts Neues enthalten, ist es doch allemal aufschlussreich zu erfahren, was die kreativen Zeitungsmenschen aus simplen Tatsachen herauszulesen vermögen und auf welche Phantasie­reisen sie ihre nichtsahnenden Leser schicken. Dem Inspektor ist es mehr als recht, dass all das kaum etwas mit seinen eigenen Hypothesen und ersten Annäherungen an die traurige Wirklichkeit zu tun hat. Hätte er es darauf angelegt, falsche Fährten zu legen, sie hätten nicht abstruser sein können als das, was er da zu lesen bekommt. Nur getraut hätte er sich das nicht! Punkt zehn Uhr stehen die Kriminalinspektoren Ibele und Baldreich gegenüber einer mächtig aufragenden Kirche vor dem verblüffend urban gestylten Gebäudekomplex, in dem sich Dr. Rosenzweigs Ordination befindet. Da könnte sich die Landeshauptstadt einiges abschauen, resümiert Ibele anerkennend. Großzügige Freiflächen rund um die zahlreichen Cafés, Restaurants und Geschäfte sind belebt von einem munteren Völklein samstägiger Einkäufer und Müßiggänger. Nach allzu kurzer Fahrt im rundum verglasten Lift stehen die Männer vor Rosenzweigs weitläufiger Praxis. Direkt neben der Rezeptionstheke, besetzt von einer Dame um die zwanzig, die man beim besten Willen nicht anders denn als Aushängeschild oder Vorzeigeprojekt bezeichnen kann, prangt eine großformatige Fotografie in goldenem Rahmen. Darauf ist der Herr Chirurg persönlich abgebildet. In der hoch erhobenen Rechten trägt er ein silbernes Tablett. Auf diesem liegen, als wäre es das Haupt des Johannes, oder vielmehr als sei die Heilige Agatha auferstanden, zwei abgetrennte halbkugelförmige Brüste. Doch, wirklich. Ein Blick in Baldreichs Gesicht bestätigt Ibele, dass der dasselbe sieht. Läuft das auch noch unter „chacun à son goût“ oder ist die Grenze des Geschmacks überschritten? Die Dame bemerkt – immerhin – die konsternierten Blicke der beiden Besucher. Paradoxerweise reagiert sie darauf, indem sie ihre bombastische Oberweite unablässig lächelnd noch eine Spur penetranter in Szene setzt, sie präsentiert sich den Kriminalisten als leibhaftiger Musterkoffer. Sekkant hat das Ibeles alte Dornbirner Tante stets genannt. Es ist in der Tat zumindest eine milde Form von Nötigung. Gut, dass Ibele gründlich gelernt hat, das Beobachten vom Interpretieren, das Schauen vom Denken zu trennen. Wozu ist man schließlich Philosoph! Ja, informiert die Dame schließlich mit pompösen Lippen, die bei der Artikulation mehrsilbiger Worte seltsam blubbernde Laute hervorbringen, ja, der Herr Doktor erwartet die Herren drüben, was bei ihr dienig heißt, im Salon. Die Praxis erweist sich als eine Flucht mehrerer großer Räume. Der Salon ist eine in blendendem Weiß gehaltene Aula, auf einer der Längsseiten von oben bis unten verglast, ausgelegt mit anthrazitgrauen Steinplatten, die jeweils in der Mitte als eine in Gold gehaltene Einlegearbeit die Initialen des Chirurgen zieren: zwei verschnörkelte R. Möbliert ist das Ganze mit einer knallroten Ledercouch, auf der sich gut und gern eine Großfamilie niederlassen könnte, und etlichen schwarzen Fauteuils, die sich um kleine Tischchen gruppieren. Bei dem Zeug, das an den Wänden montiert ist, dürfte es sich um Kunst handeln, schließt Ibele. Es wäre aber auch möglich, dass die ausführende Baufirma Werkzeug vergessen hat oder mit der Malerfirma etwas schiefgelaufen ist. Dr. Rosen­zweigs vollendet höflicher Auftritt vervollständigt den irrealen Zauber. „Meine Herren“, eröffnet er nach erfolgter Vorstellung und nachdem man an einem der Tischchen Platz genommen hat, „was kann ich für Sie tun?“ Er fragt das so, dabei seine Manschettenknöpfe zurechtrückend, die winzige nackte Frauen darstellen, dass sich Ibele unwillkürlich mustert und im Geiste die Liste möglicher Korrekturen ästhetischer Natur an sich selbst durchgeht. Bis auf ein paar Kilo, jene, die über der 90er-Marke liegen, fällt ihm nichts auf und ein. Er mag sich so, wie er ist – schließlich ist er sein eigenes Werk! Sogleich besinnt er sich auf die wahre Bedeutung der rosenzweigschen Frage. Baldreich zeigt dem Arzt das Foto der toten Violetta. Dr. Rosenzweig nimmt es an sich, schiebt seine Brille über die Stirn nach oben und begutachtet es lange, fachmännisch sozusagen. Ist es nur berufliches Interesse, das ihn bewegt? „Das ist Frau Lundgren! Ich habe am Morgen dar­über gelesen. Mio Dio, warum musste das schöne Mädchen sterben? Wissen Sie etwas?“ Ehrliches Entsetzen spricht aus seinen in Unordnung geratenen Gesichtszügen. „Wir wissen, dass sie erwürgt worden ist. Aber noch nicht von wem und warum. In der Handtasche der Toten lag Ihre Visitenkarte und wir vermuten, mit Verlaub, dass Frau Lundgren bei Ihnen in Behandlung war.“ Ibele beugt sich über die Fotografie und fährt mit der Spitze seines silbernen Bleistifts an der Narbe am unteren Rand der hoch aufragenden Brüste entlang. Dabei blickt er den Arzt fragend an. „Ja, sicher. Wir haben sie ein wenig in die Mangel genommen, die Kleine. Volumen schaffen, Holz vor die Hütt’n, Mann, Sie verstehen. Das ist vierzehn Tage her. Porca miseria, wo doch alles so tadellos schön geworden ist.“ Es ist nicht leicht zu erkennen, worum es dem Mann mehr leid tut: Um das arme Ding oder um seine Arbeit. Und sollen die eingestreuten italienischen Brocken vielleicht zu dem an eine der Wände gesprühten „La vita è bella“ passen? „Da ist noch etwas, was uns interessiert, Herr Doktor. Sie haben Frau Lundgren im vergangenen Mai einen größeren Geldbetrag überwiesen. Wie kommt denn das?“ Rosenzweig greift nervös nach seiner klobigen Nase und knetet daran herum, so dass sich Ibele insgeheim fragt, warum der Herr Doktor nicht schon längst das Skalpell korrigierend an sich selbst eingesetzt hat. „Überwiesen sagen Sie, einen größeren Geldbetrag? Oh, von den Gelddingen habe ich keine Ahnung. Das macht alles der Steuerberater. Warten Sie, ich gebe Ihnen gerne seine Karte.“ Nachdem der sichtlich aufgeregte Rosenzweig seine Sakko- und Hosentaschen, seine Brieftasche und eine Kommodenschublade erfolglos durchsucht hat, entschuldigt er sich mit dem Hinweis, bei der Sekretärin eine solche Karte holen zu wollen und saust davon. Baldreich schält sich aus den Tiefen des Sessels und macht ungeduldig ein paar lange Schritte durch den Raum. An der Fensterfront bleibt er stehen und schaut hinunter auf den belebten Platz. Mit einem Mal klopft er wie wild an die Scheibe und schreit: „He, Teifl eini! Stop! Halt! Hiergeblieben!“ Hat er einen Dieb entdeckt? Von wegen Dieb: Der Doktor zischt eben in einem offenen Sportwagen aus der Tiefgaragenauffahrt, so dass eine junge Mutter sich und den Kinderwagen in letzter Sekunde vor ihm retten kann! Ibele und Baldreich stürmen Richtung Ausgang. Leider kann das Geschöpf an der Rezeption überhaupt nicht weiterhelfen. Er müsse schnell weg, sie solle einfach Schluss machen, habe ihr der Doktor zugerufen. Mit wem sie denn Schluss machen solle, wenn keiner da ist und der Kevin eh nichts mehr von ihr wissen will, jammert sie. Ibele findet in aller Hektik die Zeit „Gute Nacht, gelehrtes Europa“ zu murmeln. Nach dem Namen des Steuerberaters gefragt, nennt das Püppchen Ibele nach viel zu langem Suchen in einer Kästchenkartei die Namen zweier prominenter Kanzleien. Von beiden ist erwartungsgemäß telefonisch kein Lebenszeichen zu erhalten. Es ist Samstag! Vielleicht sind sie in einem der Cafés anzutreffen, dort sitzt zu dieser Stunde bekanntlich alles, was im kleinstädtischen Promikosmos Rang und Namen hat. Was nur in den Doktor gefahren ist? Noch wichtiger: Wohin ist er gefahren? Die Inspektoren nehmen seinen überstürzten Abgang vorerst gelassen. Zur Sicherheit und um der Ordnung der Dinge Genüge zu tun, geben sie das Autokennzeichen des Doktors an die zuständigen Dienststellen im Kommando und an die Schweizer und natürlich auch an die Liechtensteiner Grenzposten weiter. Das Fürstenreich ist eine heiße Spur, wenn es um auffällige Geldflüsse geht. Dann ist Feierabend. Ab nach Hause. Weil das hier quasi gleich ums Eck ist, legt Ibele wenig später einen Zwischenhalt in der Dornbirner Schillerstraße ein. Dort erwirbt er bei den Wohlgenannt-Brüdern ein Set beispiellos nobler französischer Laguiole-Steakmesser, ein Geschenk zum Hochzeitstag. Doch, da wird sich das Rösle mit ihm freuen: Es liebt Steaks und mag Frankreich und natürlich seinen Isidor. Schließlich kann auch Baldreich nicht länger widerstehen und zieht mit einem eleganten kleinen Taschenfeitel von dannen, vom jüngeren der beiden Brüder wort- und gestenreich aus dieser Wunderkammer verabschiedet. Hier verwirklichen sich die kühnsten Bubenträume ebenso wie alle nur denkbaren Phantasien junger und alter Messerfans, ob es sich nun um Rasen und Sträucher, Karotten und Tomaten, Papier und Holz handelt, oder einfach nur um bestes und schönstes Handwerk! Für morgen hat sich Ibele sozusagen dienstlich eine Karte für das vormittägliche Schubertiade-Konzert reservieren lassen. Bevor am Montag die Obduktionsergebnisse und die Berichte der Spurensicherer vorliegen, möchte er sich ein klareres Bild machen von den Verwerfungen, die das Nebeneinander von Agri- und Hochkultur dem kleinen Dorf beschert. Auch wenn der Zusammenhang zwischen Violetta Lundgrens gewaltsamem Tod und dem Kontrast zwischen bäuerlicher Sturköpfigkeit und künstlerischer Weltfremdheit alles andere als erwiesen ist. Beide Seiten treiben...


Peter Natter, geboren 1958 in Alberschwende, Vorarlberg. Studium der Romanistik und Philosophie. Vielseitige berufliche Tätigkeiten: Hilfsbuchhalter, Lehrer, Garçon d'hôtel, Lektor, Philosoph, Autor. Lebt in Dornbirn, träumt vom Burgund und von der Loire. Seit 2010 sind von ihm drei Kriminalfälle rund um den Bregenzer Inspektor Isidor Ibele erschienen.



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