MUSEUM GESTALTET GESCHICHTE | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2022, 432 Seiten

Reihe: Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen

MUSEUM GESTALTET GESCHICHTE

200 Jahre Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7030-6595-8
Verlag: Universitätsverlag Wagner
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

200 Jahre Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

E-Book, Deutsch, Band 2022, 432 Seiten

Reihe: Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen

ISBN: 978-3-7030-6595-8
Verlag: Universitätsverlag Wagner
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



2023 feiert das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum die 200-jährige Gründung. Von engagierten Kulturtreibenden Tirols initiiert, prägt das Ferdinandeum als zweitältestes Landesmuseum Österreichs mit seinen Sammlungen, Ausstellungen und wissenschaftlichen Arbeiten die Region. Im selben Jahr begeht das Museum im Zeughaus, das 1973 als Ausstellungshaus für Geschichte des Tiroler Raums dazu kam, sein 50-jähriges Bestandsjubiläum.
Der vorliegende Band vereint Beiträge der Mitarbeiter*innen des Museums und externer Autor*innen, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der Geschichte, der Sammlungsarbeit und der Konzert- und Ausstellungstätigkeit befassen. So wird ein Bogen von der Gründung des Museums Anfang des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart gespannt, die vielfältige Tätigkeit und Wirkung des Museums eindrücklich dargestellt und das Museum in seiner vergangenen und gegenwärtigen Bedeutung gewürdigt.

MUSEUM GESTALTET GESCHICHTE jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


GEGEN DEN STRICH LESEN? DER MUSEUMSVEREIN FERDINANDEUM ALS „AKTEURS-NETZWERK“
Ellinor Forster ABSTRACTS
This article describes a planned project around the Museumsverein Ferdinandeum. The focus lies on connections of people as well as objects around the association which enable us to re-construct spatial and temporal spheres and to challenge older narratives of nation-building processes. Der Beitrag skizziert ein Projektvorhaben, in dessen Mittelpunkt Verbindungen der Akteure und Akteurinnen – wie auch der Objekte – rund um den Museumsverein Ferdinandeum stehen. Mit den dadurch re-konstruierten (Zeit-)Räumen können bestehende nation-building-Narrative hinterfragt und Identitätsfragen der Bevölkerung neu gestellt werden. Geschichte wird konstruiert. Das ist keine neue Erkenntnis, aber sie fällt besonders deutlich ins Auge, wenn es etwa um Fragen von nation-building geht. Dieser englische Begriff, der sich eigentlich auf den Aufbau nationalstaatlicher Institutionen bezieht, wird mittlerweile synonym für die sogenannte „innere Nationsbildung“ verwendet, womit Initiativen zur Schaffung einer nationalen oder regionalen Gruppenidentität gemeint sind, wie etwa Denkmäler, Feste und Feierlichkeiten, Rituale und Symbole.1 Auch „Nationalmuseen“ lassen sich in diesem Kontext untersuchen.2 Die Forschung zur Habsburgermonarchie war jahrzehntelang von einem „Kampf der Nationalitäten“ ausgegangen – mit Fokus auf Inklusion und Exklusion von „Ethnien“ und damit einhergehenden Identitätsfragen. Hitzige Auseinandersetzungen einzelner Akteure und Akteurinnen verschiedener Sprachgruppen im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert formten die teleologische Basis, an der sich die Suche nach den Ursprüngen dieser Konflikte in der Geschichte orientierte. Dabei richtete sich der höchst selektive Blick auf Äußerungen und Praktiken der „guardians of the nation“, wie sie Pieter Judson 2007 umfassend untersucht hat.3 Auch ein in Tirol von 2017 bis 2022 laufendes Projekt analysierte beispielsweise „Nationalisierungsprozesse in den verschiedenen Regionen des Landes und die Entstehung von Subidentitäten“. Der Untersuchungsraum setzte 1848 mit der „intensiv geführte[n] Autonomiedebatte um den südlichen und mehrheitlich italienischsprachig besiedelten Landesteil“ ein und endete mit dem Ersten Weltkrieg. Der Fokus lag dabei wiederum auf Einzelaktionen, die Abgrenzungsdebatten zwischen deutscher oder italienischer Zugehörigkeit zum Inhalt hatten.4 Dieses Beispiel soll demonstrieren, dass, solange der Blick auf bestimmten Akteursgruppen und Einzelereignissen verweilt und die grundlegende Stoßrichtung nicht infrage gestellt wird, kein anderes Ergebnis herauskommen kann als immer wieder ein „Kampf der Nationalitäten“. Seit einigen Jahren wird jedoch auch anders konstruiert. Pieter Judson weitete konsequenterweise seinen Blick auch über die „guardians of the nation“ hinaus aus. In seinem 2015 erschienenen „Habsburg Empire“ führte er Forschungen von Kolleginnen und Kollegen zusammen, die immer öfter zum Schluss gekommen waren, dass unterhalb der von Einzelnen geführten Debatten die übrige Bevölkerung über die Sprachgrenzen hinweg gar nicht so sehr im Streit lag.5 Auch Johannes Feichtinger legte gemeinsam mit einer Reihe von Kolleginnen und Kollegen den Fokus auf das Miteinander statt das Gegeneinander – deklariert als „Habsburg neu denken“.6 Zum Ausloten dieses gemeinsamen Agierens wird neuerdings häufiger das Konzept der Kontaktzonen von Mary Louise Pratt herangezogen. Sie hat diese Überlegungen im Kontext der Neuen Kolonialgeschichte entwickelt – wenn zwei „Kulturen“, die zuvor nichts miteinander zu tun hatten, in Kontakt kamen.7 Das Konzept ist sehr hilfreich, weil es den Blick auf Gemeinsamkeiten und Verflechtungen lenkt, aber bezogen auf Sprachgruppen, die schon seit Jahrhunderten miteinander verwoben waren, läuft man Gefahr, unterschiedliche „Kulturen“ im Vorfeld schon wieder vorauszusetzen. Abb. 1: Die „Gründungsurkunde“ des Ferdinandeums, 1823, Innsbruck, TLM, MA. Foto: TLM / Wolfgang Lackner Was ist also zu tun? Wie lässt sich der Blick systematisch erweitern und ein Untersuchungsdesign entwerfen, das die Analyse kontinuierlicher Entwicklungen ermöglicht und nicht nur von Einzelereignis zu Einzelereignis springt. Eine solche Forschung müsste viel früher ansetzen als erst Mitte des 19. Jahrhunderts und eine breitere Personengruppe in den Blick nehmen, die sich systematisch untersuchen lässt. Der 1823 gegründete Museumsverein Ferdinandeum bietet eine solche Möglichkeit. Auf den ersten Blick scheint das Ferdinandeum den üblichen bekannten Entwicklungen zu folgen. Zunächst konzipiert für Tirol und Vorarlberg, wenn auch nur Tirol im Namen führend, beginnen sich zuerst Vorarlberg, später der italienischsprachige Landesteil davon abzugrenzen – verschiedene Identitäten bilden sich aus und verschärfen scheinbar die Unterschiede. Doch die Geschichte erweist sich als viel komplexer, setzt man mit anderen Instrumentarien an. DEN AKTEUREN UND AKTEURINNEN – UND IHREN OBJEKTEN – FOLGEN …
In einem geplanten Projekt steht zunächst der umfangreiche Bestand der „Museumsakten“ im Mittelpunkt, der systematisch ausgewertet werden soll. Diese Akten sind voll von Verbindungen, die angebahnt, hergestellt und wieder abgebrochen wurden. Sie dienen als leitendes Untersuchungsinstrument für die Herstellung und Vorstellung von Gemeinschaft. Damit folgen die Überlegungen Bruno Latour, der in seiner Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) gesellschaftliche Gruppen durch das Knüpfen von Verbindungen definiert hat.8 Die „dis-connectivity“ sagt dabei ebenso viel aus wie die „inter-connectivity“.9 Umgelegt auf das Ferdinandeum bedeutet das als ersten Schritt: Mit der Vereinsgründung von 1823 wurden über Mandatare Mitglieder angeworben, die ein- und auch wieder austraten. Dabei soll untersucht werden, zu wem und wohin die Verbindungen reichten. Die Gruppe der potentiellen Mitglieder erstreckte sich hierbei beispielsweise keineswegs nur auf Tirol und Vorarlberg, sondern reichte weit in andere Kronländer hinein. In diesem fluktuierenden Netzwerk spielten nicht nur Personen und ihre Handlungsmacht eine Rolle, dem Konzept von Bruno Latour entsprechend entwickelten auch Objekte eine Wirksamkeit; sie waren es, die einen Großteil der Verbindungen herstellten.10 Neben Briefen, deren Bedeutung leicht ins Auge fällt, ist dabei an die Mitgliedsbeiträge zu denken, die von großer Wichtigkeit waren, wenn es um Verbindungen und Nicht-Verbindungen ging. Schriften wurden mit anderen Museen und Einrichtungen ausgetauscht – die Verbindungen reichten hier etwa bis nach Amerika. Die Vereinszeitschrift lässt sich auch weiter untersuchen: Worauf bezogen sich die Inhalte – nur auf Tirol? Welches Tirol? Welche Verbindungen wurden darin hergestellt? Ein Museum ist kaum ohne Objekte denkbar. Sie wurden dem Ferdinandeum angeboten oder aktiv eingeworben und veränderten ihre Bedeutung im Museumsgebäude. Über sie wurde kommuniziert, sie dienten zur Aushandlung von Interessen. Anhand von Museumsführern, Ausstellungskatalogen und Beschreibungen lässt sich zum Teil nachvollziehen, welche Objektgruppen wo platziert wurden, wofür sie standen, was und wer mit ihnen erreicht werden sollte. Mit diesen Fragen trifft sich die ANT mit der Forschung zur Materiellen Kultur, die Bruno Latours Überlegungen zur Agency von Objekten auch als eine der ersten historischen Ansätze gerne aufgegriffen hat.11 Die Objekte bildeten – wie auch Vorträge und andere Veranstaltungen – eine Anziehungskraft aus, deren Intensität und Reichweite nachzugehen ist. Die über die nachverfolgten Verbindungen sichtbar werdenden Gruppen sind genau auf die Wirkmächtigkeit ihrer „Bestandteile“ zu prüfen. Damit wird aus einer zunächst „flachen Wirklichkeit“,12 die sich nur für die Vernetzung und Gruppenbildung interessiert, ein differenziertes Bild, das unterschiedliche Zuschreibungen und Handlungsmöglichkeiten erkennen lässt. Welche Position nahmen Akteure und Akteurinnen ein, mit welchem sozialen Hintergrund? Die Frage nach ihren Aussagen – in Briefen und Publikationen – spielt eine Rolle, aber das Reizvolle an der Kombination mit dem Einbeziehen ihrer Verbindungen liegt darin, nicht nur zu untersuchen, was sie sagten, sondern auch, was sie taten, mit wem sie sich etwa austauschten über vermeintliche „nationale“ Grenzen hinweg. Konkret auf die kritische Hinterfragung des nation-building-Prozesses bezogen, lässt sich so hinter gängige Versatzstücke „nationaler“ Formulierungen blicken. Der Untersuchungszeitraum soll allerdings nicht erst mit der Vereinsgründung von 1823 einsetzen, sondern das gesamte „lange“ 19. Jahrhundert in den Blick nehmen. Damit kommen relevante politische Wegmarken ins Spiel, die systematisch auf ihren Einfluss auf Fragen der Orientierung und Konstruktion von Region überprüft werden können. Die 1780er-Jahre werden üblicherweise mit der Abwehr einer zentralistischen Vereinnahmung durch die Reformen Josephs II. in...


Peter Assmann, Mag. Dr., ist Direktor der Tiroler Landesmuseen.
Astrid Flögel, Mag., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich "Ausstellungs- und Veranstaltungsmanagement" der Tiroler Landesmuseen.
Roland Sila, Mag., ist Leiter der Bibliothek des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.