E-Book, Deutsch, Band 3, 469 Seiten
Reihe: Liverpool Police Station
Murphy Wer Rache sucht
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-98690-256-8
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman | Stadt der Mörder - Liverpool Police Station, Band 3
E-Book, Deutsch, Band 3, 469 Seiten
Reihe: Liverpool Police Station
ISBN: 978-3-98690-256-8
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Margaret Murphy ist diplomierte Umweltbiologin und hat mehrere Jahre als Biologielehrerin in Lancashire und Liverpool gearbeitet. Ihr erster Roman »Der sanfte Schlaf des Todes« wurde von der Kritik begeistert aufgenommen und mit dem First Blood Award als bester Debüt-Krimi ausgezeichnet. Seitdem hat sie zahlreiche weitere psychologische Spannungsromane und Thriller veröffentlicht, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Heute lebt sie auf der Halbinsel Wirral im Nordwesten Englands. Die Website der Autorin: margaret-murphy.co.uk Bei dotbooks veröffentlichte Margaret Murphy ihre psychologischen Spannungsromane: »Die Stille der Angst« »Der sanfte Schlaf des Todes« »Im Schatten der Schuld« »Das Pflegekind« Die ersten drei Romane sind auch im Sammelband erhältlich. Außerdem ist bei dotbooks ihre Thriller-Reihe um die Anwältin Clara Pascal erschienen, die auch im Doppelband erhältlich ist: »Warte, bis es dunkel wird - Band 1« »Der Tod kennt kein Vergessen - Band 2« Sowie ihre Reihe um die Liverpool Police Station: »Wer für das Böse lebt - Band 1« »Wer kein Erbarmen kennt - Band 2« »Wer Rache sucht - Band 3«
Weitere Infos & Material
Kapitel 2
Das Hauptbüro des Sicherheitsdienstes Safe Hands Security war ungewöhnlich ruhig. Es war kurz nach zehn Uhr abends, und nächtliche Einsätze waren üblich: Patrick Doran glaubte an willkürliche Dienstpläne, von Bargeldtransporten bis zur Überwachung von Geländen mit niedriger Gefährdungsstufe. Das reduzierte die Gefahr möglicher Überfälle und verhinderte, dass seine Männer schlampig wurden. Normalerweise benutzten Techniker Überwachungskameras, um zu überprüfen, dass Liefer- und Abholzeiten eingehalten wurden, dass die Übergabe effizient ablief und dass die Regeln für quittierte Lieferungen penibel genau eingehalten wurden.
Heute Abend hatte er die Büroangestellten nach Hause geschickt. Die Computermonitore tauchten das Großraumbüro in ein Mondlicht, und das dumpfe Summen, das normalerweise wegen der ständigen Aktivität im Raum nicht zu hören war, fühlte sich nun wie ein größer werdender Druck an, ein leises, unterschwelliges Geräusch wie Meeresmusik oder Walgesang. Nathan Wilde, Systemadministrator, Internetsurfer und manchmal auch Hacker, der vor kurzem seinen Abschluss in Informatik gemacht hatte, war daran gewöhnt, mit dem Lärm aus seinem MP3-Player zu arbeiten, Technorhythmen und die Hymnen von The Grateful Dead. Er empfand die Stille wie eine Leere, und das dumpfe, tiefe Dröhnen der Computer hörte sich für ihn wie geflüsterte Warnungen an.
Zu Nathan kam John Warrender, der Sicherheitschef, ein Expolizist, der niemandem traute und dem nichts entging. Warrender hatte sich früh pensionieren lassen, er trainierte viel und achtete auf sein Gewicht und war mit Mitte fünfzig fitter als Nathan mit Mitte zwanzig.
Nicht dass Nathan fett gewesen wäre, ein bisschen schwabbelig vielleicht, das lag wohl an all diesen nächtlichen Internetsitzungen und den Pillen aus dem Internet, die ihn tagsüber wach halten sollten. Er war durchschnittlich groß und schwer, hatte einen blassen Teint, der leicht knallrot wurde, wenn er verlegen war; seine Haare waren kurz und mit Gel zu Stacheln geformt.
Keiner der Männer sagte etwas, was Nathan ebenfalls als außergewöhnlich auffiel. Warrender sprach zwar nicht viel, aber es gefiel ihm sehr, seine Stellung in jeder Situation deutlich zu machen. Normalerweise tat er das, indem er sehr schnell eine ganze Reihe von Fragen stellte und sich dann die Antworten anhörte, als wäre er davon überzeugt, sie seien nur ein Lügengespinst. Erst dann schwieg er. Noch bevor Doran eintrat, spürten sie beide dessen Präsenz.
Sie standen vor Dorans Büro, Nathan mit verknitterten Kleidern und glasigen Augen, da er zwanzig Stunden durchgearbeitet hatte, und das nur mit der Hilfe von Koffein, chemischen Cocktails und Schokolade, Warrender frisch rasiert und im Anzug. Er kam gerade aus dem Fitnessstudio.
Doran trat ein und ging geradewegs zwischen den Computern hindurch. Falls er besorgt war, so zeigte er es nicht. Nathan spürte Wut, aber er konnte den Gesichtsausdruck seines Bosses nicht entschlüsseln. Doran sah sowohl Nathan als auch Warrender wortlos an, dann zog er seine Karte mit einer solchen Präzision und Kraft durch das Lesegerät, dass Nathan zusammenzuckte.
Doran hatte blaue Augen und die dunklen Haare eines Iren von der Westküste, obwohl er in Liverpool geboren und aufgewachsen war und sein Vaterland nicht ein Mal besucht hatte. Klein, stupsnasig und schmal, sah er jünger als fünfundvierzig aus. Er konnte sehr charmant sein, und dann redete er weicher als mit seinem üblichen gutturalen Liverpooler Akzent, sprach die Ts sanfter aus und auch die Vokale, so dass er sich dem Westport-Akzent seines Vaters annäherte. Die Mädchen im Büro liebten es, besonders, da sie sich sicher waren, dass er als Familienvater einen kleinen, unschuldigen Flirt nicht ausnützen würde.
Er steckte die Karte ein wie ein Zauberer, der einen Taschenspielertrick vorführte, dann wandte er sich seinem Sicherheitschef und seinem Systemadministrator zu, die beide noch an der Tür seines Büros standen.
»Warten Sie auf eine Einladung, oder was?« Heute war sein Tonfall hundert Prozent aus Liverpool, die Wörter prasselten wie Hagelkörner auf Glas.
Sie traten ein. Zuerst Warrender. Das Zimmer war fensterlos und wurde von Neonröhren hinter Milchglas beleuchtet. Ein Schreibtisch aus dunklem Holz nahm ein Drittel des Raumes ein, eine Reihe von Überwachungsbildschirmen eine Ecke, Doran war kein vertrauensseliger Arbeitgeber.
»Unser System wurde gehackt«, sagte Doran, das K kam von ganz tief unten im Rachen und klang fast wie Auswurf. »Mein Geschäftskonto wurde leer geräumt.«
Nathan sah auf die Spitzen seiner Nike-Air-Turnschuhe und sagte nichts.
Warrender sog die Luft zwischen den Zähnen ein. »Okay«, sagte er. »Das ist schlimm, aber keine Katastrophe.«
»Schön, dass Sie das so sehen, John«, sagte Doran, und in den Basstönen seiner Stimme lag etwas Drohendes. »Ich hatte vor, den Verlust über Einsparungen an Ihrem Gehalt auszugleichen.«
Warrender lächelte schwach. »Ich meinte, dass Ihr Geschäftskonto zwar flüssig, aber nicht üppig ist, also ist Ihr restliches Vermögen sicher, oder?«
Doran sah ihn einen Augenblick lang an, und Nathan wagte einen schnellen Blick von seinen Schuhe nach oben und sah Schweißperlen auf der Stirn des Sicherheitschefs. Während die weiblichen Angestellten Doran beruhigend und sogar onkelhaft empfanden, kamen bei den Männern ganz andere Signale an. Trotz seiner natürlichen Autorität und körperlichen Stärke war auch Warrender nicht immun dagegen.
»Meine persönlichen Konten sind geschützt«, sagte Doran.
»Sind Sie sich da ganz sicher?« Nathan war entsetzt, seine eigene Stimme zu hören. Doran richtete seine Aufmerksamkeit auf ihn, und er begann sofort mit dem, was er das Kauderwelschritual nannte. Jedes Gespräch mit Doran endete so. »Ich meine, er ist drin. Im System.« Er dachte einen Augenblick darüber nach. »Vielleicht ein Trojaner oder eine Backdoor, aber wenn er einmal drin ist, ist er drin, er kann tun ... was auch immer er will, weil diese Typen einen gern durcheinander bringen, und wenn er an das Geschäftskonto kam ... Denn die Konten fürs Geschäft, Computer, die Bank sind alle gleich, nicht wahr, ich meine, im Prinzip?«
Doran wartete einen Augenblick. »Fertig?«, fragte er.
Nathan nickte, sein Kopf fühlte sich nicht ganz sicher auf seinem Hals an.
Doran sah Warrender an. »Übersetzung?«
Warrenders Blick glitt über Nathan, als sähe er sich etwas besonders Widerwärtiges auf seiner Schuhsohle an. »Er glaubt, der Hacker könne an Ihre persönlichen Konten ran, weil er Zugriff auf das System hat, wann immer er es will, und weil die Computer- und Bankkonten auf demselben Prinzip aufbauen: Ein Name und ein Passwort oder eine PIN-Nummer.«
Dorans Blick wich nicht von Nathans Gesicht, und Nathan spürte, wie seine Wangen dunkelrot wurden. »Meine persönlichen Konten sind nicht vom Geschäftsnetzwerk aus zugänglich«, sagte Doran. »Mein Privatcomputer ist nie mit dem Geschäftsnetzwerk verbunden. Also. Bin ich in Sicherheit?«
»Haben Sie je mit einer VISA- oder einer Bankkarte online eingekauft?«, fragte Nathan und zwang sich, mehr Mut in seine Stimme zu legen, als er empfand.
»Nicht über das Geschäftsnetzwerk.« Dorans Stimme war ruhig, aber seine Augen sahen so tief und gefährlich aus wie der Pazifik.
Nathan schaute wieder zur Seite. »Haben Sie je Ihrer Bank geschrieben und im Text Kontodaten erwähnt?« Es war einfacher, einen klaren Kopf zu behalten, wenn er seinen Boss nicht ansehen musste.
Doran musste darüber nachdenken. »Nicht von der Arbeit aus«, sagte er nach kurzer Überlegung. »Ich benutze immer meinen Privatcomputer.«
Nathan nickte. »Dann sind Sie in Sicherheit, zumindest vor diesem Typ.«
»Soll heißen?«
»Ich kann Ihnen keine Immunität vor Hackern garantieren, Boss.«
»Können wir nicht bei dem aktuellen Problem bleiben?«, sagte Doran. »Nur für den Augenblick? Wie ist er hineingekommen? Wir haben doch eine Firewall, oder nicht?«
»Ja ...« Das war die Frage, die Nathan am meisten fürchtete. Die Firewall funktionierte auf zwei Ebenen: die Erste wehrte verdächtige Zugriffsversuche auf das Arbeitssystem ab, so wie ein Türsteher unerwünschte Gäste an einer Disco abblitzen lässt, die zweite Ebene warnte den Systemadministrator, dass es einen Versuch gegeben hatte, die Sicherheitsbarriere zu überwinden, ähnlich dem Türsteher, der seinen Kollegen über Funk mitteilt, dass es an der Tür Schwierigkeiten gibt.
Doran merkte, dass er zögerte. »Sagen Sie mir, dass Sie eine Firewall installiert haben«, sagte er.
»Ja, Mr Doran, natürlich habe ich das. Es ist nur, ich habe die Konfiguration verändert, sie schickt mir keine Pop-up-Warnungen mehr.«
Doran schloss eine Sekunde lang die Augen. »Sieh mich an, Nathan.«
Nathan sah auf einmal das Bild vor sich, wie Doran die Karte durch das Lesegerät zog, als schlitze er dem Hacker die Kehle auf. Oder auch dem Systemadministrator, der versagt hatte und gerade in Reichweite war.
Nathan sah ihn an, aber nicht ganz.
»Siehst du einen Pferdeschwanz?«, fragte Doran.
»Nein ...«
»Wie ist es mit einem Taschenschutz für all meine farbigen Gelstifte?«
»Nein, Boss«, sagte Nathan. Verarschung, dachte er. Sie müssen einen immer verarschen.
»Kein Pferdeschwanz, kein Taschenschutz, und weißt du, warum?« Doran wartete, bis Nathan seinen Kopf schüttelte. »Weil ich kein Freak bin, der dein sinnloses Gebrabbel verstehen könnte.«
Crack, du Idiot, dachte Nathan, durch die ohnmächtige Wut und die Erniedrigung errötete er noch mehr. Ich bin kein...