E-Book, Deutsch, Band 18, 64 Seiten
Reihe: Skull Ranch
Murphy Skull-Ranch 18
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7325-9126-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Geier über der Skull-Ranch
E-Book, Deutsch, Band 18, 64 Seiten
Reihe: Skull Ranch
ISBN: 978-3-7325-9126-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Geier über der Ranch
Die blitzblanken Schienen der neuen Railroad fressen sich Meile um Meile nach Westen. Auch das Land um das Bluegrass Valley soll vermessen werden, denn der See im Tal ist ideal zur Wasseraufnahme der Loks.
Die Planung der Eisenbahnbosse nimmt keine Rücksicht auf das Land der Siedler und Farmer. Skrupellose Agenten schüchtern die kleinen Leute ein und zahlen nur einen Bruchteil des Wertes für den Grund und Boden, über den bald stampfende Züge rollen sollen. Bei John Morgan, dem Boss der Skull-Ranch, geraten sie an den Falschen. Er kennt seine Rechte und ist bereit, jeden Quadratzoll seines Landes mit der Waffe in der Faust zu verteidigen ...
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Der Himmel hatte sich bewölkt.
Wind kam auf, und das weite Blaugrasland geriet in wogende Bewegung. Doch dafür besaß John Morgan, der Boss der Skull-Ranch, keine Augen. Lange hatte er den vier Reitern entgegengesehen, die nun Seite an Seite durch das wuchtige Tor geritten kamen.
John Morgan trat unter dem Sonnendach hervor und stieg die drei Stufen hinab. Aus schmalen Augen musterte er die Ankömmlinge. Einen von ihnen kannte er. Jake Allison! Dieser Name stand für einen der berüchtigsten Banditen und Revolvermänner im ganzen Mittleren Westen. Jung konnte Allison nicht mehr sein. Aber seine ganze Art verriet den unerschrockenen Draufgänger, der kein Risiko scheute.
Noch zwei Besucher schienen von der gleichen Sorte zu sein. Allison und sie waren wie Rinderleute gekleidet. Der vierte Reiter jedoch trug einen städtischen Anzug, der nach der neuesten Mode geschnitten war. Er trug auch keine Waffe im Holster. Nur aus dem Scabbard ragte der Kolben einer Winchester. Das Gesicht des Fremden war glattrasiert. Er wirkte vornehm, aber trotz seiner Eleganz vermochte man zu erkennen, dass er ein gefährlicher Mann war.
Als sie die Pferde zum Stehen brachten, zog er kurz den Hut. »Ich bin Malley«, sagte er schroff. »Ruf den Boss! Ich habe mit ihm zu reden.«
Allison grinste schlaff. Ein Zeichen für John Morgan, dass dieser Allison besser wusste, wen er vor sich hatte.
Unbehagen befiel John Morgan. »Worum geht es? Ich bin hier der Boss.«
Der Anflug eines Lächelns spielte um Malleys Mundwinkel. »Mr. Morgan? Mr. John Morgan?«
Der Ranchboss nickte.
»Ich möchte Ihren Besitztitel sehen!«, verlangte Malley.
»Besitztitel? Worüber?« John Morgan kam sofort zur Sache. »Was wollen Sie mir denn streitig machen?«
»Streitig machen will ich Ihnen gar nichts«, erklärte Malley und wies mit der Rechten in die Runde. »Ich möchte nur wissen, ob Ihnen das Land auch wirklich gehört, auf dem Sie sich breitgemacht haben.«
John Morgan kochte schon, blieb äußerlich aber ruhig. »Ich habe gesehen, dass Sie von Golden City gekommen sind. Dort hätten Sie sich umhören können.«
»Ich habe es versucht«, erklärte Malley lächelnd. »Aber Genaues war leider nicht zu erfahren.«
»Wieso leider?« John Morgan sah ihm in die Augen. »Da gibt es doch eine einfache Methode, Mr. Malley. Versuchen Sie, mich von hier zu vertreiben, und Sie werden sehen, was dabei herauskommt.«
»Langsam, Mr. Morgan! Soweit sind wir doch noch gar nicht. Mir geht es erst einmal darum, festzustellen, ob ich das Land hier von Ihnen kaufen muss. Gütliche Einigung ist eine Sache, der ich stets den Vorzug gebe.«
»Verschwinden Sie!«, sagte John Morgan ruhig.
Malley lächelte. »Ich glaube, Sie wissen nicht, wer ich bin, und welche Leute ich hier bei mir habe.«
»Das Gespräch ist trotzdem beendet«, sagte John Morgan hart. Er wandte sich zur rechten Seite hin ab, wie um ins Haus zurückzukehren, wirbelte aber plötzlich wieder herum – den Colt in der vorgereckten Faust.
Und damit überraschte er sie alle, sogar Jake Allison, diesen hartgesottenen und mit allen Wassern gewaschenen Revolvermann. Allison war der einzige von diesen Männern, der imstande gewesen wäre, darauf zu reagieren. Er sah aber im letzten Moment ein, dass auch er nicht schnell genug sein konnte, und zog die Hand vom Coltkolben wieder zurück.
Malleys Augen schienen zu brennen. Wütend blickte er nach links und rechts. Die Tatsache, dass es keiner seiner hochbezahlten Revolverleute mit dem Rancher aufnehmen konnte, brachte ihn fast um den Verstand. Hasserfüllt blickte er in John Morgans Revolvermündung und zuckte im nächsten Moment zusammen.
John Morgans Colt blitzte und krachte plötzlich. Das Geschoss fegte Malley den vornehmen taubengrauen Hut vom Kopf.
»Verschwindet von meinem Land!«, befahl John Morgan.
Jake Allison zog als erster das Pferd herum.
»Wir sehen uns wieder, Morgan!«, zischte Malley, drehte das Pferd auf der Stelle und ritt mit den anderen hinter Jake Allison her.
John Morgan ging zu Malleys Hut und hob ihn auf. »Sie haben etwas vergessen, Malley!«
Die Reiter galoppierten bereits durch das Tor. Hintereinander jagten sie davon und verschwanden nach Süden aus dem weiten Kessel. John Morgan, in der einen Hand den Colt und in der anderen Malleys taubengrauen Hut, ging zum Tor und warf den Hut hinaus. Er blieb am Tor stehen, bis die Reiter in den Dunstschleiern vor der Sangre-de-Christo-Kette verschwanden.
Nachdenklich kehrte der Rancher zum Haus zurück. Der Teufel sollte diesen Malley holen. Nicht nur die Skull-Ranch, auch das Brandzeichen war in Golden City eingetragen.
Auf dem Weg zur Veranda stutzte er.
Doc Smoky kam plötzlich um das Haus gelaufen.
Der Ranchkoch lief schnell, die Arme ausgebreitet, so dass er wie ein Geier aussah, der nicht wusste, ob er weiterlaufen oder doch noch zum Flug abheben sollte.
»He, Boss!«, rief er zornig, »hast du mein Pferd gesehen?«
John Morgan stemmte die Fäuste ein. Mit Riesenschritten lief der Koch an ihm vorbei und verschwand vor dem Stall unter der Wagenremise, ohne dem Rancher die Chance zu geben, die Frage zu beantworten.
»Pferd!«, murmelte John Morgan und strich sich den Bart. »Was denn für ein Pferd?«
Als er weitergehen wollte, erschien Shorty. Suchend kam er aus dem Haus. »Hast du nicht Doc Smokys Pferd gesehen?«, fragte auch er.
»Was denn für ein Pferd, zum Teufel?«, polterte John Morgan ungehalten.
»Sein Pferd!«, versetzte Shorty trocken. »Smokys Pferd.«
»Sein Pferd? Ja, wieso sucht er das denn?« John Morgan färbte sich dunkel. »Will er uns das vielleicht heute in die Suppe hauen?«
Shorty blieb vor ihm stehen und lachte. »Das würde uns allen nicht gut bekommen. Er hat sich ein Pferd geschnitzt, und das ist auf einmal weg.«
»Ein Pferd geschnitzt?« John Morgan hob die Rechte und zeigte sich an den Kopf.
Poltern und Fluchen war bei der Remise zu hören. Hühner rannten gackernd weg. Enten kamen aus dem Schatten gewatschelt und starteten in die Lüfte. Dann kam General Lee angewetzt, der junge Schäferhund. Den Schwanz zwischen den Beinen, floh er zum Zaun und war darunter hinweg schneller verschwunden, als die aufgeregten Enten den Zaun überfliegen konnten.
Ein Gegenstand flog hinter dem Hund her, traf ihn aber nicht. Es war einer von Doc Smokys Stiefeln.
Shorty bog sich vor Lachen, als der Koch unter der Remise zum Vorschein kam. Nur mit einem Stiefel am Fuß, ein Stück Holz in der Hand und zum Steinerweichen fluchend, hinkte er zu den beiden Männern.
»Seht euch das an!«, sagte er vorwurfsvoll und wütend zugleich. »General Lee, dieses gelbgezahnte Mistvieh!«
John Morgan nahm ihm das Stück Holz aus der Hand. Es war ein Pferd, ein Spielzeugpferd. General Lee hatte es völlig zerbissen und zernagt.
Der Rancher drehte es missbilligend hin und her. »Ein Pferd soll das sein? Ich dachte immer, du kannst so etwas besser. Gibt es nichts Nützlicheres zu tun?«
Doc Smoky riss ihm das Holzpferd wütend aus der Hand, streifte die beiden Männer mit wilden Blicken und stapfte davon.
»Vorhin hat es mal gekracht!«, lachte Shorty. »Ich glaube, da hat er auf General Lee geschossen. Er wollte das Pferd morgen mit nach Golden City nehmen. Wenn mich nicht alles täuscht, hat er sich beim letzten Einkauf eine Frau angeguckt. Über deren kleinen Jungen will er wohl an sie heran.«
John Morgan verzog das Gesicht. »Eine Frau mit einem kleinen Jungen?« Er schüttelte lachend den Kopf und ging zum Haus. Dabei zog er Shorty mit. »Nicht der Koch hat vorhin geschossen, sondern ich«, erklärte er dem drahtigen, kleinen Burschen. »Vier Reiter sind hier gewesen. Ziemlich zwielichtiges Gesindel. Ich werde morgen mit Doc Smoky nach Golden City fahren, um mich zu erkundigen. Ihr haltet hier die Augen offen. Tauchen die Burschen wieder auf, jagt sie zum Teufel. Auf der Skull-Ranch haben die nichts zu suchen.«
»Kennst du diese Leute, Boss?«, fragte Shorty überrascht.
»Nur einen. Jake Allison!«
Shorty fuhr sich von hinten unter den Hut. »Den kenne ich nicht, aber gehört habe ich von diesem Kerl schon. Was hat er denn hier verloren? Ich meine, Jake Allison ist doch eine Stadthyäne.«
»Ich werde es herausfinden, Shorty!«, versicherte der Rancher. »Reite zu Chet Quade hinaus und sage ihm Bescheid. Mit meiner Tochter rede ich selbst, sobald sie von der Herde zurückkommt. Weißt du, wo der General ist?«
»Marie Lou hat ihn heute Morgen mitgenommen«, erklärte der kleine Cowboy.
»Richtig so!«, knurrte John Morgan und betrat das Ranchhaus. »Soll er sich ruhig etwas nützlich machen.«
Der Tag graute schon. Morgennebel lagen noch auf den Wiesen des gewaltigen Bluegrass Valleys, und über dem See und an seinen Ufern lärmten Enten, Graugänse und Rohrdommeln.
John Morgan trat aus dem Haus und ging zur Remise hinüber, unter deren Dach Doc Smoky den Chuckwagen zur Fahrt nach Golden City vorbereitete. Die Pferde waren noch nicht eingespannt, und der Rancher ging Smoky dabei zur Hand.
»Was ist denn nun mit deinem Pferd?«, fragte er den Ranchkoch.
In Doc Smokys narbigem Piratengesicht zuckte es. Er zog sich den großen Lederhut in die Stirn und turnte über die Deichsel zur anderen Seite hinüber.
»Dem Mistvieh schlage ich noch mal die Zähne aus«, brummte er, womit er unzweifelhaft den Schäferhund meinte.
»Versuch es doch mit einem anderen...




