Munthe | Das Buch von San Michele | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 464 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Munthe Das Buch von San Michele


14001. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8437-0802-9
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 464 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-0802-9
Verlag: Ullstein HC
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Die antike Sagenwelt ist ein kultureller Schatz, der auch aus unserer modernen Welt nicht wegzudenken ist: Die Geschichten, die Mythen und Gestalten, um die sich die Legenden ranken, sind unvergleichlich. Sie werden in immer neuen Formen gestaltet: im Theater, in der Literatur und in der bildenden Kunst. Die vielen Abbildungen dieses Lexikons, sorgfältig zusammengetragen aus der gesamten abendländischen Kunstgeschichte, zeigen, wie tief die antike Mythologie in der Vorstellungswelt der Menschen zu allen Zeiten verwurzelt war und es bis heute ist. Als achtzehnjähriger Medizinstudent entdeckte Axel Munthe die Insel Capri und die traumhaft gelegene kleine Kapelle San Michele. Er verliebt sich in diesen einzigartigen Ort und träumt davon, sich irgendwann genau hier, vor der atemberaubenden Kulisse der Bucht von Neapel, ein Haus ganz nach seinen Wünschen zu bauen. Er arbeitet hart, hat Erfolg als Modearzt des europäischen Adels, aber er behandelt auch die Armen, die Diphteriekranken am Montparnasse, die Typhusfälle unter schwedischen Arbeitern und die an Cholera Leidenden bei einer Epidemie in Neapel. Endlich, zwölf Jahre nach seinem ersten Besuch auf der Insel, beginnt er mit dem Bau seiner weißen Traumvilla. In lebendigen Geschichten und Anekdoten erzählt Axel Munthe von seinem reichen Leben auf Capri.

Axel Munthe wurde 1857 als Sohn eines Apothekers im schwedischen Oskarshamn geboren. Er studierte Medizin in Uppsala und Paris und praktizierte als Arzt in Paris, Rom, Stockholm und anderen europäischen Städten. Seit 1908 war Munthe Leibarzt der schwedischen Königin Viktoria. 1929 erschienenen seine Erinnerungen, in deren Mittelpunkt seine Villa in Anacapri stand, die ihn weltbekannt machten. Sie waren 1962 Grundlage zu dem erfolgreichen Film Axel Munthe ? Der Arzt von SanMichele. Axel Munthe erblindete im späteren Leben und starb am 11. Februar 1949 in einem Seitenflügel des königlichen Schlosses in Stockholm, wo er schon seit Jahren als Gast König Gustavs gelebt hatte.
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1


JUGEND


Ich sprang an Land, als das Sorrentiner Boot sein lateinisches Segel einholte. Jungs spielten in Scharen zwischen umgekippten Booten und badeten die blanken Bronzeleiber in der Brandung. Alte Fischer in roten phrygischen Mützen flickten vor den Schuppen ihre Netze. Jenseits der Landungsstelle stand ein halbes Dutzend gesattelter Esel, Blütenzweige im Zaumzeug. Bei ihnen schwatzten und sangen ebenso viele Mädchen, die silberne »Spadella1« in den schwarzen Haaren und ein rotes Tuch um die Schultern. Das Eselchen, das mich hinauf nach Capri tragen sollte, hieß Rosina, und das Mädchen hieß Gioia. Ihre schwarzen Augen leuchteten in feuriger Jugend, ihre Lippen waren rot wie die Korallenschnur an ihrem Halse, und wenn sie lachte, blitzten die starken weißen Zähne wie Perlen. Sie sagte, sie sei erst fünfzehn – und ich sagte mir, daß ich jünger sei als je zuvor. Aber Rosina war alt, »è antica«, sagte Gioia. So glitt ich aus dem Sattel und erklomm leicht den gewundenen Pfad zum Dorfe. Vor mir auf nackten Füßen tanzte Gioia, blumenumkränzt wie eine junge Bacchantin, hinter mir stolperte die alte Rosina in ihren zierlichen schwarzen Schuhen, tief in Gedanken, geneigten Hauptes und mit hängenden Ohren. Ich hatte zum Denken keine Zeit, mein Kopf war voll von staunendem Entzücken, mein Herz voll Lebensfreude, die Welt war schön, und ich war achtzehn. Der Weg wand sich durch Ginsterbüsche und blühende Myrten. Hier und da hoben aus duftenden Gräsern kleine Blumen ihre anmutigen Köpfe. Viele von ihnen hatte ich nie gesehen im Lande Linnés.

»Wie heißt die Blume?« fragte ich Gioia. Sie nahm sie mir aus der Hand, sah sie zärtlich an und sagte: »Fiore2!« »Und diese?« Sie betrachtete sie mit der gleichen Zärtlichkeit und sagte: »Fiore!« »Und diese?«

»Fiore! bello bello!«

Sie pflückte duftige Myrten, die sie mir aber nicht geben wollte. Sie sagte, die wären für San Costanzo, den Schutzpatron von Capri, der ganz aus Silber war und so viele Wunder getan hatte. San Costanzo! bello! bello!

In langer Reihe näherten sich uns Mädchen, Tuffsteine auf den Köpfen tragend. Wie die Karyatiden vom Erechtheum schritten sie in stolzer Prozession. Eine von ihnen gab mir lächelnd eine Orange. Es war Gioias Schwester, und schien mir noch schöner als sie. Ja, es waren acht Geschwister zu Hause – und zwei »in Paradiso«. Der Vater war draußen, Korallenfischer in »Barbaria3«! Seht, die schöne Korallenschnur – die er gerade geschickt hat. »Che bella collana, bella, bella!«

»Und du selbst bist auch schön, Gioia, bella bella!«

»Ja«, sagte sie.

Mein Fuß stolperte über eine zerbrochene Marmorsäule, »Roba di Timberio4!« erklärte Gioia, »Timberio cattivo5, Timberio mal occhio6, Timberio camorrista7!« und sie spie auf den Marmor.

»Ja«, sagte ich, in frischer Erinnerung an Tacitus und Sueton, »Tiberio cattivo!«

Wir bogen in die Landstraße ein und erreichten die Piazza. Ein paar Seeleute standen an der Brüstung, die zum Meer hinausschaut – ein paar schläfrige Capresen saßen vor Don Antonios Osteria und ein halbes Dutzend Priester auf den Kirchenstufen; sie gestikulierten wild in lebhafter Unterhaltung: »Moneta! Moneta! Molto moneta; Niente moneta!« Gioia lief und küßte Don Giacinto die Hand, der ihr Beichtvater war und ein wahrer Heiliger – wenn er auch nicht so aussah. Sie ging zweimal im Monat beichten, wie oft ging ich?

Überhaupt nicht! Cattivo! Cattivo!

Würde sie Don Giacinto erzählen, daß ich ihre Wange geküßt hatte, dort unter den Zitronenbäumen?

Natürlich nicht!

Wir kamen durchs Dorf und standen an der Punta Tragara.

»Ich muß gleich auf die Spitze dieses Felsens klettern!« sagte ich und zeigte auf den steilsten der drei Faraglioni, die zu unseren Füßen wie Amethyste strahlten. Aber Gioia war sicher, daß ich es nicht konnte. Ein Fischer hatte es versucht, dort Möweneier zu rauben, aber er war zurückgeschleudert worden ins Meer von einem bösen Geist, der dort hauste – in Gestalt einer blauen Eidechse – blau wie die Blaue Grotte – und den goldenen Hort bewachte, den einst Timberio selbst dort verbarg.

Über dem freundlichen Dörfchen gegen den westlichen Himmel ragte düster der Umriß des Monte Solaro auf, schroff gespalten und unzugänglich.

»Da muß ich gleich hinauf«, sagte ich.

Aber Gioia gefiel der Plan keineswegs. Ein steiler Pfad, 777 Stufen, die Timberio selbst in den Fels geschlagen hatte, führte an der Flanke des Berges empor, und auf halber Höhe in einer dunklen Schlucht hauste ein furchtbarer Werwolf – der schon mehrere Cristiani verschlungen hatte.

Am Ende der Stufen war Anacapri; aber nur »gente di montagna8« wohnten dort – lauter sehr böse Leute; kein forestiere9 ging je dahin, und sie war auch nie dort gewesen. Ich sollte doch lieber zur Villa Timberio klettern oder zum Arco Naturale oder zur Grotta Matromania.

Nein – ich hätte keine Zeit – ich müßte gleich hinauf, gerade auf diesen Berg.

Zurück zur Piazza! als die verrosteten Glocken des alten Campanile Mittag läuteten und kündeten, daß die Makkaroni fertig seien. Wollte ich nicht wenigstens erst etwas essen unter der großen Palme des Hotels Pagano? Drei Gänge und Wein nach Belieben, für eine Lira? Nein – ich hatte keine Zeit, ich mußte gleich auf diesen Berg. »Addio, Gioia, bella, bella! Addio, Rosina!« »Addio, addio, e presto ritorno!« Ach, das presto ritorno!

»E un pazzo inglese10« war das letzte, was ich von Gioias roten Lippen hörte, als ich im Banne meines Schicksals die phönizischen Stufen nach Anacapri hinaufeilte. Unterwegs überholte ich eine alte Frau, die einen großen Korb Orangen auf dem Kopf trug. »Buon giorno, Signorino.« Den Korb niederstellend, gab sie mir eine Orange. Auf den Früchten lag, in ein rotes Tuch geknüpft, ein Bündel mit Briefen und Zeitungen. Die Alte war Maria Porta-Lettere, die zweimal wöchentlich die Post nach Anacapri trug. Sie sollte später meine Freundin fürs Leben werden, ich sah sie mit fünfundneunzig Jahren sterben. Sie kramte unter den Briefen, wählte den größten und bat mich, ihr zu sagen, ob er nicht für Nannina la Caprara11 wäre, die so sehnsüchtig »la lettera« von ihrem Mann in Amerika erwartete? Nein, er war es nicht. Vielleicht dieser? Nein, der war für Signora Desdemona Vacca.

»Signora Desdemona Vacca«, wiederholte die Alte ungläubig. »Vielleicht meinen Sie ›la moglie dello scarteluzzo12««, sagte sie sinnend. Der nächste Brief war für Signor Ulisse Desidero. »Ich denke, Sie meinen Capolimone13«, sagte die alte Maria. »Der hatte genau solchen Brief vor einem Monat.« Der nächste Brief war für Gentilissima Signorina Rosina Mazzarella. Diese Dame schien schwieriger festzustellen. »War es la Cacciacavallara14 oder la Zopparella15? Oder la Capatosta16? Oder la femmina antica17? Oder Rosinella pane asciutto18? Oder vielleicht la Fesseria19?« schlug eine andere Frau vor, die uns eben einholte, einen Korb mit Fischen auf dem Kopf. Ja – es konnte für la Fesseria sein, wenn es nicht für die Frau von pane e cipolla20 wäre. Aber war kein Brief da für Pepinella n’coppo u camposanto21 oder für Mariucella Caparossa22 oder für Giovannina amazzacane23, die alle »la lettera« aus Amerika erwarteten? Nein, es tat mir leid, die waren nicht dabei. Die zwei Zeitungen waren für il Reverendo parroco Don Antonio di Giuseppe und il Canonico Don Natale di Tommaso; das wußte sie, denn sie waren die einzigen Abonnenten im Dorfe. Der Parroco war ein sehr gelehrter Mann, und er war es, der immer herausbekam, für wen die Briefe waren. Aber heute war er in Sorrento beim Erzbischof zu Besuch, und deshalb hatte sie mich gebeten, die Aufschriften zu lesen. Maria wußte nicht, wie alt sie war, sie wußte nur, daß sie die Post trug, seit sie fünfzehn war – als ihre Mutter es aufgeben mußte. Lesen konnte sie natürlich nicht. Als ich ihr erzählte, daß ich am Morgen mit dem Postschiff von Sorrento gekommen sei und seitdem nicht gegessen hätte, schenkte sie mir noch eine Orange, die ich mit der Schale verschlang, und die andere Frau gab mir aus ihrem Korb gleich ein paar frutti di mare, die mich furchtbar durstig machten. Gab es ein Gasthaus in Anacapri? Nein, aber Anarella, die Küsterfrau, würde mir guten Ziegenkäse und ein Glas herrlichen Wein geben aus dem Weinberg des Priesters Don Dionisio, ihres Onkels – ein wunderbarer Wein! Außerdem war la bella Margherita da, von der ich natürlich gehört hätte, und daß ihre Tante »un lord inglese« geheiratet hatte. Nein – das hatte ich nicht – aber ich wäre sehr begierig, la bella Margherita kennenzulernen.

Endlich erreichten wir das Ende der 777 Stufen und kamen durch einen Torbogen. Die schweren Eisenangeln seiner einstigen Zugbrücke waren noch an den Felsen festgeschmiedet. Wir waren in Anacapri. Die ganze Bucht von Neapel lag zu unseren Füßen, umrahmt vom Ischia, Procida, dem pinienbewaldeten Posilippo, der flimmernden weißen Linie von Neapel, dem Vesuv mit seiner rosigen Rauchwolke, der Sorrentiner Ebene im Schutze des Monte Sant’ Angelo und dem fernen, noch schneebedeckten Apennin. Gerade über unseren Köpfen ragte auf steilem Felsen, wie ein Adlernest angeklammert, eine kleine verfallene Kapelle. Die Dachkuppel war eingestürzt, aber große Blöcke des Mauerwerks, das in seltsamem Muster wie symmetrisches Netzwerk gefügt war, stützten noch die bröckelnde Wölbung.

»Roba di Timberio«, erklärte die alte...


Munthe, Axel
Axel Munthe wurde 1857 als Sohn eines Apothekers im schwedischen Oskarshamn geboren. Er studierte Medizin in Uppsala und Paris und praktizierte als Arzt in Paris, Rom, Stockholm und anderen europäischen Städten. Seit 1908 war Munthe Leibarzt der schwedischen Königin Viktoria. 1929 erschienenen seine Erinnerungen, in deren Mittelpunkt seine Villa in Anacapri stand, die ihn weltbekannt machten. Sie waren 1962 Grundlage zu dem erfolgreichen Film Axel Munthe ? Der Arzt von San Michele. Axel Munthe erblindete im späteren Leben und starb am 11. Februar 1949 in einem Seitenflügel des königlichen Schlosses in Stockholm, wo er schon seit Jahren als Gast König Gustavs gelebt hatte.



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