E-Book, Deutsch, 287 Seiten
Muir MORD UNTER WASSER
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7487-8155-4
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Der Krimi-Klassiker!
E-Book, Deutsch, 287 Seiten
ISBN: 978-3-7487-8155-4
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Es ist wissenschaftlicher Ehrgeiz, der den Meeresbiologen Roger Crammond dazu treibt, trotz der Warnung Angela Torsons und Tony Manfrieds ein Wrack zu untersuchen, das an der Küste einer kleinen westindischen Insel auf Grund liegt. Aus der Warnung wird eine Drohung - dann setzen Angela und Tony noch wirksamere Mittel ein: Maschinengewehre und Wasserbomben. Als schließlich ein Mord geschieht, glaubt Crammond genau zu wissen, wen er als Täter überführen kann... Der Roman Mord unter Wasser des schottischen Schriftstellers und Journalisten Thomas Muir (* 02. Januar 1918; ? 8. Oktober 1982) erschien erstmals im Jahr 1956; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1961. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Erstes Kapitel
Mit einer Unterwasserkamera bewaffnet, schwamm Roger Crammond langsam über die phantastischen Korallenbänke und Riffe an der Küste der westindischen Insel San Monique. Mit dem geschärften Auge des Wissenschaftlers studierte er die reiche Meeresfauna, die in dieser eigenartigen Unterwasserwelt lebte, liebte, sich vermehrte, fraß oder gefressen wurde. Mit Tauchermaske und Sauerstoffflaschen ausgerüstet, konnte er sich hier mit der gleichen Leichtigkeit bewegen und atmen wie die buntgestreifte Brasse, die an ihm vorbeihuschte; wie der Regenbogenfisch, der ihn mit kühler Verachtung betrachtete, bevor er ihm mit einem kurzen Schlag seines Schwanzes aus dem Wege schwamm; wie die breitmäulige Meerbarbe, die stets verdutzt dreinblickte und mit gespannter Aufmerksamkeit den silbrigen Strom der Luftblasen betrachtete, die aus seiner Maske aufstiegen. In fünfundzwanzig Meter Tiefe waren alle Farben in Schattierungen von Blaugrün verwandelt. Es war eine merkwürdige Welt durchsichtigen Zwielichts, in der die Sicht sich nach zwanzig Meter in einer bläulichen Unendlichkeit verlor. Obwohl er doch schon häufig getaucht war, konnte Crammond unter Wasser niemals das Gefühl tiefster Einsamkeit überwinden, das Gefühl, als ob er sich in einer vierten Dimension bewegte. Immer blieb ihm die ungeheure Ausdehnung der Wassermassen um ihn herum bewusst, stets erschien ihm das silbrige Dach, das für ihn die Meeresoberfläche, das Licht und den Sonnenschein darstellte, unermesslich weit entfernt. Gelegentlich warf er wohl einen Blick nach oben, um sich durch den Anblick des Kiels seines Motorbootes zu beruhigen, in dem der frühere Obermaat Ralph Hosick mit den Augen getreulich den aus seiner Maske aufsteigenden Luftblasen folgte oder durch ein Glasfensterchen zu ihm herunterspähte. Irgendwie war diese Verbindung mit der normalen Welt ermutigend. Sie war für ihn eine Versicherung, dass er jederzeit auf die Oberwelt zurückkehren konnte. Mit einem prüfenden Blick auf seine wasserdichte Armbanduhr setzte er seine Erkundungsreise fort. Ganz in seine Arbeit vertieft, fand er sich unerwartet einem Hindernis gegenüber; es sah wie ein überhängendes Korallenriff aus, das sich vom Grund des Meeres zehn Meter hoch auftürmte. Er wandte sich um und schwamm ein paar Meter zurück, um eine bessere Übersicht zu gewinnen. Nun erkannte er das Wrack eines Schiffes, so vollkommen mit Korallen bewachsen, dass seine Form in ihren Linien schon verwischt war. Diese Entdeckung konnte ihm sehr nützlich sein. Wenn es ihm gelang, festzustellen, wie lange das Wrack hier schon lag, so besaß er damit einen ausgezeichneten Maßstab, um die Wachstumsrate der verschiedenen Korallenarten in verschiedenen Meerestiefen zu messen; am Kiel, der schon in den Meeresgrund eingegraben war, und, im Vergleich dazu, am Schornstein, der weit zur Oberfläche des Meeres hinaufragte. Langsam schwamm er an der Bordwand des Schiffes entlang. Schließlich fand er, gerade vor der Schiffsbrücke, ein großes, gähnendes Loch, das in ihm die Vermutung erweckte, dass das Schiff einem Torpedoangriff zum Opfer gefallen war. Ein leichtes Anfüllen der Lungen mit Luft und ein oder zwei Schwimmstöße brachten ihn zu der höhlenartigen Öffnung hinauf, und einige Beinstöße ließen ihn in die Dunkelheit des Schiffsbauchs gleiten, den er mit seiner elektrischen Taschenlampe ableuchten konnte. Das Innere des Schiffes war eine Wirrnis von verbogenem, mit Algen bewachsenem Stahl und einer harten Masse, die ihm zuerst wie Felsblöcke erschien. Sie war hier im Laderaum zu einem steilen Berg aufgetürmt, der sich wohl durch die Torpedoexplosion gebildet haben mochte. Aber etwas weiter von der Explosionsstelle entfernt hatten diese Felsbrocken merkwürdigerweise das Aussehen von kissenförmigen Blöcken angenommen, auf denen Meerespflanzen wucherten. Bei genauerem Betrachten sah er, dass sie auf dickem, festem Papier wurzelten. Die Ladung des Schiffes hatte also aus Säcken mit Zement bestanden, der jetzt zu Beton erstarrt war. Mit ein paar Stößen nach oben kam er so hoch, dass er den Raum zwischen der Ladung und der Unterseite des Decks erforschen konnte. Plötzlich fiel ihm an der hinteren Schottenwand eine merkwürdige Erscheinung ins Auge, die sofort seine Aufmerksamkeit erweckte. Er schwamm hin, um sich die Stelle anzusehen. In einer Entfernung von etwa dreißig Zentimeter von der Schottenwand fanden sich auf etwa drei Meter Länge keinerlei Meeresgewächse, und diese sterile Zone war außerdem noch mit einem Rand umgeben, in dem alle Gewächse spärlich und verkümmert wären. Oberhalb dieser Stelle war auch die Unterseite des Decks völlig unbewachsen; offenbar hatte sich auch dort eine Zone völliger Sterilität gebildet. Diese Unfruchtbarkeit stellte ein biologisches Problem dar, das in Roger Crammond all die Fähigkeiten auf den Plan rief, die aus ihm einen guten Wissenschaftler – und einen vielleicht noch besseren Kriminalisten gemacht hatten. Aber da die Zeit, gemessen an dem Luftvorrat in seinen Flaschen, knapp wurde, ließ er das Problem für den Augenblick auf sich beruhen und schwamm aus dem Laderaum ins Freie. Mit der dreidimensionalen Beweglichkeit des freien Tauchers schoss er aufwärts und machte sich daran, das Oberdeck zu erforschen. Das Schiff lag in einem Winkel von zwanzig Grad seitlich geneigt. Der Bug ragte in die Höhe, und das Heck lag fast so niedrig wie die es umgebenden Korallen. Offenbar hatte sich das Schiff in eine tiefe Kluft im Meeresboden gelegt. Er war jetzt ganz sicher, dass das Schiff torpediert worden war, denn das Vorderdeck war aufgerissen, und der Vordermast fehlte. Der Hauptmast lag in einem Wirrsal von Seilen und Stahltrossen auf dem Hinterdeck. Eine nähere Untersuchung zeigte, dass er kürzlich mit einem Unterwasser-Schweißapparat abgeschnitten worden war – ebenfalls ein eigenartiger Umstand. Während ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, stieß er kräftig mit den Plastikschwimmhäuten an seinen Füßen aus, bis er die Back des Schiffes mit ihrer korallenüberkrusteten Ankerwinde erreichte. Dort erblickte er wieder etwas, was seine Aufmerksamkeit sofort auf sich zog: Die Kette des Backbordankers war völlig von Bewuchs gereinigt worden, sodass sich ihre großen, verrosteten Glieder deutlich von den verschwommenen Konturen aller übrigen Geräte abhoben. Der Anker selbst fehlte; an seiner Stelle war ein starkes Drahtseil befestigt, das nach oben führte. Wenn er sich halb auf den Rücken legte, konnte er sehen, wie das Seil über, die Oberfläche des Wassers hinausging, wo es am Bug eines kleinen Schiffes endete. Er hatte, bevor er tauchte, einen kleinen, recht verkommenen Schlepper bemerkt. Nun wurde ihm klar, dass von dem Schlepper aus Bergungsarbeiten an dem Wrack im Gange sein mussten; aber es schien eigentlich nichts da zu sein, was eine Bergung lohnte, wenn nicht die Bunkerkohle, die aus dem Wrack geborgen werden konnte, auf der Insel Handelswert besaß. Er fühlte, dass es ihm schwerer wurde, zu atmen; diese Tatsache zeigte ihm an, dass er das Ende seines Vorrats an Sauerstoff erreicht hatte. Er griff nach den drei Metallflaschen auf seinem Rücken und öffnete den Hahn der Reserveflasche. Damit hatte er, wie er wusste, noch eine halbe Stunde Zeit, um die Oberfläche zu erreichen. Er begann, nach oben zu schwimmen, und zwar langsam und mit gelegentlichen Pausen, um seinem Körper zu erlauben, sich auf die Druckveränderungen in den verschiedenen Tiefenschichten umzustellen. Als er schließlich neben seinem eigenen Motorboot auftauchte, bemerkte er, dass Hosicks breites, rundes Gesicht einen ungewohnt verärgerten Ausdruck trug. Er kletterte die kurze Leiter hinauf, nahm seine Maske ab und atmete dankbar in tiefen Zügen die reine Luft ein, die nach dem abgestandenen, metallischen Geschmack der Luftkonserve geradezu herrlich war. »Was haben Sie denn, Hosick?«, fragte er, als sein untersetzter Helfer begann, ihm die Taucherausrüstung abzunehmen. »Glauben Sie vielleicht, dass mich ein Tintenfisch gefressen hat, als ich in das Wrack schwamm?« »Das ist es nicht, Sir«, sagte Hosick ärgerlich, »obgleich ich mich ehrlich erleichtert fühlte, als Sie wieder zum Vorschein kamen. Aber das dort!« Und er zeigte mit dem Daumen auf den schäbigen Schlepper, der ein paar hundert Meter entfernt vor Anker lag. »Nanu – was hat Ihnen denn das Schiff getan?« Crammond sah auch zu dem Schlepper hinüber. »Ich habe bemerkt, dass es mit dem Wrack verbunden ist, obgleich ich mir nicht vorstellen kann, was man aus dem Wrack bergen will.« »Nicht das Schiff, das Weib, das dort kommandiert, meine ich.« »Welches Weib?« »Sie haben gut fragen, Sir. Sie ist die ausgekochteste Xanthippe, die ich in meinem Leben gesehen habe – und das will schon etwas heißen. Dabei sieht sie ganz gut aus, könnte man sagen, aber man kriegt Angst, wenn man sie ansieht. Ihre Zunge ist so scharf wie ein Rasiermesser, und wie sie spricht – dagegen ist meine Sprache die eines Pastors auf einer Mütterversammlung.« »Sie ist ganz bestimmt die Lieblingsfrau des Teufels selbst«, warf der Negerbootsmann ein, dem das Motorboot gehörte. Er hatte es sich hinten beim Steuer gemütlich gemacht. Jetzt rollte er ausdrucksvoll die Augen. »Jawohl, Sir, so ein Geschimpfe habe ich noch nie gehört!« »Interessant!« Crammond versuchte, sich die Szene auszumalen, während er das Wasser aus seinem Haar schüttelte. »Was hat denn diese Amazone so in Harnisch gebracht? Haben Sie vielleicht Annäherungsversuche gemacht, Hosick?« Hosick schluckte. »Für was halten Sie mich denn, Sir? Ich beobachtete Sie durch das Fenster, als ich plötzlich von...