E-Book, Deutsch, 304 Seiten
Muir DIE ANTARES SCHWEIGT
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7487-7308-5
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Der Krimi-Klassiker!
E-Book, Deutsch, 304 Seiten
ISBN: 978-3-7487-7308-5
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Der britische Forschungsdampfer Antares nimmt im antarktischen Eismeer die Überlebenden eines gesunkenen argentinischen Schiffes auf. Die Geretteten verbergen etwas: Kam der Forscher Mendoza wirklich bei einem Unfall ums Leben? Die Ermittlungen müssen zurückstehen, als im Sturm auch die Antares beschädigt wird. Auf einer öden Eisinsel muss sie notdürftig repariert werden. Am Strand findet sich eine Leiche - mit einem Dolch im Rücken... Der Roman Die Antares schweigt - ein klassischer, meisterhaft geschriebener Whodunit-Krimi vor ungewöhnlicher Kulisse - des schottischen Schriftstellers und Journalisten Thomas Muir (* 02. Januar 1918; ? 8. Oktober 1982) erschien erstmals im Jahr 1950; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1958. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
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Erstes Kapitel
Kapitän Mavor hob sein Glas, aber der traditionelle Trinkspruch, der auf hoher See jeden Sonnabend ausgebracht wird, kam nur mit leiser Stimme heraus: »Wir stoßen an auf das Wohl unserer Frauen und all unserer Lieben!« »Gott behüte«, sagte Ronald Somerville, der Erste Offizier, der es sich nie verkneifen konnte, eine bissige Bemerkung zu machen. Ein nachdenkliches Schweigen folgte. Von dem kleinen Messetisch des Forschungsschiffs wanderten die Gedanken der Männer nach England, Schottland, Australien oder Südamerika, dorthin, wo sie ihre Lieben wussten. Roger Crammond, Tiefseeforscher und unermüdlicher Beobachter seiner Mitmenschen, lehnte an der Schiffswand. In der ihm eigenen Art, immer ein wenig unbeteiligt, betrachtete er die Anwesenden und überlegte, welche Gedanken den einzelnen jetzt wohl bewegten. Im Augenblick mochten sie wohl auf der ganzen Welt die einsamsten Menschen sein. Mühsam arbeitete sich die Antares durch das schwere Wetter des Weddell-Meeres, an der Grenze des großen antarktischen Kontinents. Das Schiff hob und senkte sich im starken Seegang, erbebte und knirschte; hin und wieder tauchte sein Bug in eine See, die ihre schon halb zu Eis gefrorenen Spritzer auf das Deck prasseln ließ. Aber in der Offiziersmesse, bei der vollaufgedrehten Heizung und dem wohlversorgten Ofen, war es gemütlich warm. Die Schlingerleisten waren aufgestellt; bei jedem Rollen und Stampfen des Schiffes klirrten Gläser und Flaschen aneinander. Dann ein plötzlicher Lärm aus der Pantry, ein unterdrückter Fluch, und wieder war der Geschirrbestand kleiner geworden. »Dieser verdammte Steward«, knirschte Somerville, weniger aus Arger als aus Verantwortungsgefühl für die Messe. »Lange wird es nicht mehr dauern, und wir werden aus Konservenbüchsen trinken müssen.« »Wer sie wohl heute ins Kino führt?«, sagte George Tenby, der Zweite Ingenieur, ohne sich um die Unterbrechung zu kümmern, und leerte sein Glas bis auf den Grund. »Sicherlich einer, der genug Gehirn und Verstand hat, um einen Posten an Land zu haben, möchte ich wetten.« Er war ein breitschultriger, muskulöser Mann aus Newcastle, mit starken, arbeitsgewohnten Händen, großer Nase und vorspringendem Kinn in einem lederartigen, pockennarbigen Gesicht. »Das ist ja das Gemeine bei dieser verwünschten antarktischen Seefahrt«, bemerkte Somerville, während er sein Glas auf dem Muster des Tischtuches spielerisch hin und her schob, »nicht ein Unterrock auf tausend Meilen im Umkreis!« Auf dem hübschen, gut geschnittenen Gesicht lag ein nachdenklicher Ausdruck, als er hinzufügte: »Mein letztes Abenteuer erlebte ich-mit einer Argentinierin, die ich auf dem Rennen in Palermo traf, und wenn sie mich auch im Stich gelassen hat...« »Sie brauchen uns nicht immer wieder alles bis ins Detail zu schildern. Es macht weder Ihnen noch dem Mädchen Ehre«, unterbrach ihn in seinem breiten Dialekt James Urquhart, der Chefingenieur, ein dicker, gemütlicher Schotte. »Schon gut, Chief, fangen Sie in Ihrem Alter nicht auch noch an, moralisch zu werden.« »Eine Frechheit, von Alter zu reden«, brummte Urquhart gutmütig, während er Tabak aus einer Blechschachtel nahm und sich mit geschickten Fingern eine Zigarette drehte. »Ich bin erst achtundvierzig und nähere mich der Blütezeit des Lebens; bin also in den besten Jahren, - aber das ist etwas, was ihr Jungen nicht zu schätzen wisst, bevor ihr nicht selbst so alt seid. Und Sie, Sie sind mit Ihren dreißig Jahren noch ein Kind, das noch nicht trocken hinter den Ohren ist. Sie haben den Sinn des Lebens noch gar nicht begriffen.« »Die alte Leier... haben wir schon oft genug gehört«, höhnte Somerville. »Sie meinen Heiraten und einen Haufen Kinder in die Welt setzen.« »Heiraten ist schon richtig, aber einen Haufen Kinder, nein, das nicht.« Urquhart steckte die mittlerweile fertig gedrehte Zigarette in eine Bernsteinspitze. »Nur zwei - einen Jungen und ein Mädchen, so ist’s bei uns.« »Was haben Sie davon, wenn Sie sich am Ende der Welt rumschlagen?« »Sie sind zu unerfahren, um das zu verstehen.« Urquhart wandte sich zu ihm und blies eine Rauchwolke vor sich hin. »Es genügt, dass sie da sind und an einen denken! Aber - was hat’s für einen Zweck, Ihnen das erklären zu wollen. Nicht wahr, Kapitän?« Kapitän Mavor nickte zustimmend und zündete seine Pfeife an. Er war ein dunkler, gebräunter Mann mit einer Adlernase und sorgfältig gepflegtem Spitz- und Schnurrbart. Einige Ordensbänder, darunter die des britischen Kriegsverdienstordens und der begehrten Polarmedaille, schmückten seine Uniform. »Meiner Ansicht »ach haben Sie vollkommen recht«, sagte er, mit seinem Bart spielend, »obgleich ich selbst nicht mitreden kann!« »Aber es wäre hohe Zeit für Sie«, erklärte Urquhart mit der Freiheit, die ihm seine Stellung gab. »Es gibt nichts Besseres als eine Familie, um sich jung zu erhalten. Sehen Sie mich an.« »Man kommt nicht darum herum«, unterbrach sie die beißende Stimme Mark Ellisons. Er war einer der vier Wissenschaftler der Expedition. »Aber wie dem auch sei - in Ihrem Falle ist es nur eine sentimentale Gefühlsduselei. Ich sehe durchaus nicht ein, warum ein Seemann sein sauer verdientes Geld ausgeben soll, um nach Beendigung einer jeden Reise zu Hause eine reichlich zweifelhafte Freude zu haben. Wahrscheinlich amüsiert die Frau sich während seiner Abwesenheit mit irgendeinem andern, der vernünftig genug ist, nicht zur See zu fahren.« »Mark versteht’s, uns das ganz klarzumachen«, murmelte Crammond lächelnd. »Er sieht alles im Leben nur aus der biologischen Perspektive.« »Ganz recht.« Der Chief sah Ellison mit einem missbilligenden Kopfschütteln an. »Sie müssen noch unendlich viel über Frauen hinzulernen, sonst könnten Sie nicht so sprechen. Sie können mir leidtun...« »Sie sollten mich nicht bedauern«, erwiderte Ellison, während er sich eine Zigarette ansteckte. »Ich ziehe es vor, den Tatsachen ins Gesicht zu sehen, anstatt mich von romantischen Gefühlen einlullen zu lassen.« »Also Materialist vom reinsten Wasser«, stellte Crammond fest. »Schadet nichts, Chief. Mark ist so verdreht, dass es ihm schon Freude macht, immer zu widersprechen. In zehn Jahren wird er wahrscheinlich verheiratet sein, mit einem ganzen Haufen Kinder, und vollkommen in seinem Glück aufgehen.« »Den Teufel werde ich tun!« Mark Ellisons Lippen verzogen sich bissig. »Keine Frau wird es jemals fertigbringen, mich zu heiraten, damit ich sie und ihre Brut erhalte.« Paul Symons, der Zweite Offizier, der der Unterhaltung aufmerksam gefolgt war, ein ernster junger Mensch mit einem einfachen, klaren Gesicht, dünnem Haar und schütterem Bart, warf ein: »Das ist eine ganz üble Art, die Dinge zu betrachten. Schließlich müssen wir alle einmal heiraten.« »Warum denn?« Es hatte den Anschein, als ob sich eine recht lebhafte Debatte entwickeln sollte, aber plötzlich wurde die Unterhaltung durch das Poltern schwerer Seestiefel auf der Treppe, die zu den Messeräumen führte, unterbrochen. Es wurde an der Tür geklopft, und ein Matrose in Düffeljacke, die nur die Nase und die Augen unter der Kapuze sehen ließ, meldete: »Ein Glas - Viertel vor acht, Sir.« »Danke«, seufzte Crammond mit Bedauern. »Ich bin an der Reihe. - Wie sieht’s oben aus, Dixon?« »Ist eine Drecksnacht, Sir!«, sagte der Matrose, sichtlich erleichtert, dass seine Wache vorbei war und er bald, warm eingerollt, in seiner Falle liegen würde. »Sieht so aus, als ob es noch dreckiger kommt.« »Sind ja gute Aussichten!« Crammond klopfte seine Pfeife aus, schob sich hinter dem Tisch hervor und stand breitbeinig da. Er war ein großer Mann mit schmalem, klugem Gesicht und vollem braunem Haar, das an den Schläfen freilich schon leicht ergraut war. Seine tief unter den Brauen liegenden spöttischen Augen hatten den klaren, prüfenden Blick eines Mannes, der gewohnt ist, zu untersuchen, abzuwägen und nachzudenken. Ein Zug von gutmütiger Ironie lag um seinen entschlossenen Mund. Er war einer der Biologen der Expedition, sein privates Steckenpferd jedoch war die Kriminalistik. »Viel Vergnügen«, sagte Ellison ungerührt. »Bin froh, dass ich nicht raus muss... Sie machen die Wasserproben, Hanbury?« »Ja«, nickte Edward, Hanbury, ein derb aussehender junger Mann mit unordentlichem Haar und kurzsichtigen Augen hinter starken Brillengläsern, der sich erhob, um Crammond zu folgen. Er glich fast zu sehr dem Bild eines typischen Wissenschaftlers. »Mir macht’s nichts aus, aber eigentlich ist es überflüssig; denn sehen kann ich ja doch nichts, wenn die Eisspritzer gegen meine Brillengläser schlagen.« »Heute Nacht prallen die Spritzer ab, falls sie nicht gleich die Gläser zerschlagen«, sagte Somerville beruhigend, weil gerade wieder schwere Schauer auf das Oberdeck herabprasselten. »Es hört sich wie festes Eis an.« »Sie haben immer so unterhaltsame Einfälle«, bemerkte Tenby. »Bei so eitlem Wetter danke ich Gott dafür, dass ich bloß Ingenieur bin.« »Es gehört eben schon ein bisschen Grütze dazu, etwas anderes zu sein.« »Einbildung, nichts als Einbildung! Ich kann Ihnen sagen...« Crammond und Hanbury ließen die Streithähne bei dem ewiggleichen Thema, kletterten die Treppe zur Kajüte des Kapitäns hinauf und gingen zu ihren auf der Steuerbordseite liegenden Kabinen. Es war Aufgabe der Antares, ein großes Gebiet des Weddell-Meeres wissenschaftlich zu durchforschen, und zwar sowohl im Hinblick auf die Radioaktivität des Wassers, die Meerestiefe und die Beschaffenheit der...