E-Book, Deutsch, 297 Seiten
Müntefering Mittendrin im Lilabunt
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-89741-902-5
Verlag: Ulrike Helmer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 297 Seiten
ISBN: 978-3-89741-902-5
Verlag: Ulrike Helmer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mirjam Müntefering ist Filmwissenschaftlerin und Fernsehredakteurin, arbeitete für TV- und Print-medien. Seit 1998 ist sie mit Romanen für Erwachsene und Jugendliche erfolgreich und war in diversen Fernsehtalkshows zu Gast. Als hauptberufliche Autorin fühlt Mirjam Müntefering sich in vielen Genres wohl. Seit jeher setzt sie sich für die rechtliche Gleichstellung aller Partnerschaften ein und wirbt für mehr Diversität in der Literatur. In ihrer Freizeit widmet sie sich dem Tierschutz und führte viele Jahre lang eine eigene Hundeschule. Bisher erschienen im Helmer Verlag: »Anders geht immer« (2015), »Sonnenröschenwinter« (2018), »Unversehrt« und »Luna und Martje« (beide 2022).
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1. Kapitel
27. Juli – Wunderschöner, stinknormaler Samstag
Inge
Wie gut, dass nichts auf der Welt mir dieses kleine Paradies nehmen kann.
Mein schönstes Ritual des Tages ist der frühe Spaziergang hindurch, über die verschlungenen Gartenpfade bis zu dieser alten Bank. Das orgiastische Vogelkonzert der Morgendämmerung, das mich geweckt hat, gleitet in harmonisches Tirilieren über. Die aufsteigende Sonne malt rote und orange Muster auf das sich leicht kräuselnde Wasser vor mir. Im Schilf raschelt es und auf meinem Lieblingsplatz am Ufer sitzend kann ich das leise Piepen der Entenküken hören. Diese Szenerie, denke ich jedes Mal, kommt dem Paradies sehr nahe. Natürlich so, wie ich es mir vorstelle, ganz ohne Kirche und Pfarrer und Weihrauchgedöns, sondern mit Natur und Frieden und Harmonie.
Mein Garten, der an den alten Löschteich Wiesenbüttels mitten in der Lüneburger Heide angrenzt, liegt jetzt im Hochsommer erwartungsvoll unter dem Tau. Die Gemüsebeete bersten, die meisten Obstbäume sind mit Netzen abgedeckt. Nur ein paar lasse ich ohne, damit Stare und Amseln sich gütlich tun können. In den Staudenrabatten warten die noch geschlossenen Blüten meiner Schätzchen auf den Sonnenschein des Tages, um dann in allen Farben des Regenbogens zu explodieren und in die Welt hinauszuschreien: Das Leben ist schön! Genieß es! Jetzt!
Ich schnappe mir das Handtuch, das ich wie jeden Morgen schon mit hinausgenommen habe und schluppe in meinen Gartenlatschen zur Rückseite des Dykenhofes hinüber.
Zwischen dem großen Wohngebäude aus Fachwerk samt Reetdach und dem gemauerten Hühnerstall, worin Gockel Elvis um diese Uhrzeit bereits die baldige Übernahme der Weltherrschaft ankündigt, steuere ich die Außendusche an.
Meinen Bademantel hänge ich an den Haken und drehe das Wasser auf. Der erste Moment ist immer eine Überwindung, denn die Leitung braucht klackernd und gurgelnd ein bisschen, um warmes Wasser zum kalten zu mischen. Aber bald stehe ich behaglich seufzend unter der Brause, schäume mich mit selbst gemachter Seife ein und winke Bauer Henrichs zu, der auf seinem Traktor über den Anger holpert. Er winkt zurück. Doch dann erstarrt seine Hand in der Bewegung, ruckartig wendet er den Kopf ab und der Trecker macht einen Schlenker, ehe er mit erhöhter Geschwindigkeit über die Dorfstraße davondröhnt. Ich kichere und halte meinen Kopf in den Wasserstrahl, um auch das Shampoo auszuspülen. Das wird jedoch nichts, denn mit einem Mal lässt der Duschregen nach. Das Rohr gibt noch einen bemühten Sprotzer von sich, ehe auch die letzten Tropfen versiegen.
Nicht schon wieder! Ich seufze, schlüpfe in Bademantel und Schluppen und eile zum Hintereingang des Hofes.
In der Küche ist Mechthild bereits dabei, den Kleiebrei für Hanni und Nanni anzurühren, die beiden Eseldamen, die sie als Fohlen vor dem Schlachthof gerettet und mit zum Dykenhof gebracht hat, als sie vor siebenundzwanzig Jahren Teil der Wohngemeinschaft wurde. Wir können wohl mit Fug und Recht behaupten, über die Jahrzehnte zu einer Art altem Ehepaar geworden zu sein – ohne exklusive Ansprüche natürlich, romantische Anwandlungen hat es zwischen uns nie gegeben. Vielleicht ist Mechthild deswegen die Einzige, die es so lange mit mir ausgehalten hat?
»Die Außendusche hat jetzt wohl endgültig den Geist aufgegeben«, sage ich und stöhne.
Mechthild rührt im Eimer, aus dem es würzig duftet. »Die ist dreißig Jahre alt. Für uns zwei ein junger Hüpfer. Aber für eine Dusche …« Kurz wirft sie mir einen prüfenden Blick zu und grinst. »Du hast noch Flocken auf dem Kopf.«
»Ist das Bad frei?«
»Was denkst du denn? Dass die Kleinen um diese Uhrzeit schon auf sind?«
Einvernehmlich nicken wir zwei Frühaufsteherinnen uns...