Müntefering | Das Gegenteil von Schokolade | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 300 Seiten

Müntefering Das Gegenteil von Schokolade

Roman
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8387-4663-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Roman

E-Book, Deutsch, 300 Seiten

ISBN: 978-3-8387-4663-0
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Sich mit Anfang dreißig vom langjährigen Freund zu trennen, ist hart. Auch wenn dabei alles recht friedlich zugeht, ist Frauke für jede Ablenkung dankbar. Als ihre lesbische Arbeitskollegin Michelin ein paar Internet-Adressen empfiehlt, zögert Frauke daher nicht lange. Und tatsächlich lernt sie auf diesem Wege rasch die witzige und charmante Emma kennen. Doch schon bald geht es bei den immer häufigeren virtuellen Treffen nicht mehr nur darum, den Kummer zu vergessen. Dieses gewisse Herzflattern, das Frauke bei den wunderbaren Chats mit Emma spürt, ist ihr nur zu gut bekannt. Und als Emma ein wirkliches Kennenlernen vorschlägt, steht plötzlich nicht nur Fraukes Welt auf dem Kopf ...

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1. Nachts ist das Leben nicht anders als am Tag
Als sie sich kennen lernten, stand der Mond am Himmel wie ein kreisrundes Herz in der Mitte der Nacht. Es war eine von jenen Begegnungen, denen wir anfangs nicht viel Bedeutung beimessen. Doch wenn wir später zurückschauen, entdecken wir dutzende von Hinweisen darauf, dass hier etwas geschah, das unser Leben verändern würde. Wenn wir es nur erlauben. (Seite 1 des Romans »Von der Umkehr der Endgültigkeit«, Patricia Stracciatella) Der Baum vor meinem Fenster spricht zu mir. Tagsüber ist jetzt Wetter zum Drachensteigenlassen, dass es einem die Schnur aus der Hand reißen will. Abends ist es die Zeit, um mit einer Wolldecke, weil es für Heizung im Oktober wirklich noch zu früh ist, auf dem Sofa zu liegen, einen ergebenen Hund zu Füßen, und ein unterhaltsames Buch zu lesen. Ich starre auf die elektrostatisch aufgeladenen Flusen der Decke, die wahrscheinlich zum größten Teil aus Kunststoff besteht. Das unterhaltsame Buch in meinen Händen habe ich bereits vor einer ganzen Weile abgelegt, Schrift nach unten. Statt zu lesen, lausche ich hinaus. Horche durch die Mauern und Fensterscheiben des Hauses, was der Baum mir sagen will. Die Sache ist die, dass ich zuerst gar nicht wusste, dass er es ist. Zuerst war es mir nämlich irgendwie unheimlich. Komische Geräusche, fand ich. So ein Geknarre und Geächze. Und selbst wenn meine liebe Vermieterin, Frau Silber, in ihrer Wohnung unter meiner mal wieder Renovierungsarbeiten vornehmen sollte, war es dafür viel zu spät am Abend. Ich war in der Nacht aufgewacht und hatte diese beängstigenden Geräusche wieder gehört und mich gewundert. Lag wach und blickte schlafblind zum Fenster. Sagte mitten in der Nacht plötzlich laut »Ah!«, weil ich in dieser Sekunde endlich begriff, woher diese Töne kamen. Laut »Ah!«, ohne daran zu denken, dass ich jemanden wecken könnte damit. Vielleicht auch, weil ich schon verinnerlicht hatte, dass ich niemanden damit wecken würde. Denn ich schlief wieder allein. Nach langer Zeit wieder allein zu schlafen, ist gewöhnungsbedürftig. Selbst dann, wenn der ehemalige Freund und Bettnachbar hin und wieder im Schlaf mit den Zähnen geknirscht und ich ihn aus diesem Grund mehr als einmal auf den Mond gewünscht hatte. Weil ich auch nach sieben Wochen immer noch nicht gut allein schlafen kann, halte ich mich häufig auf dem Sofa auf. Auch weil Loulou, meine gefleckte Mischlingshündin, die Erlaubnis besitzt, auf dem Sofa Platz zu nehmen, während das Bett für sie verboten ist. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ich nachts um halb eins hier sitze und, mit einem unterhaltsamen Buch auf dem Schoß, dem Baum lausche. Ich hab wirklich keine Ahnung, was er sagt, aber ich kenne seine Sprache inzwischen recht genau. Sie besteht entweder aus einem leisen Singen und Raunen oder aber einem gewaltsamen Toben, eben diesem Ächzen, das mir anfangs Angst eingejagt hatte. Ich weiß nicht einmal genau, was das für ein Baum ist. Er trägt auch jetzt, im Oktober, noch sein komplettes Kleid an weichen duftigen Nadeln und dazu Früchte, die von meinem Küchenfenster aus aussehen wie grüne Cocktailwürstchen. Sein Stamm ist dick und stark. Das muss er auch sein, denn sonst würde er sich da an der Hausecke bestimmt hin und her biegen und drohen, Löcher in die Mauern zu reißen. Und das wäre unter Frau Silbers gestrengen Augen bestimmt sein Todesurteil. So aber, weil er so stark ist, kann er das Haus beschützen und zu mir sprechen – auch wenn ich ihn nicht verstehe. Als ich mir die Wohnung vor drei Monaten ansah, stand sie leer. Frau Silber war stolz auf die frisch umgebauten Räume und präsentierte mir mit geschwellter Brust den riesigen Wohnraum, der zum Balkon hinaus eine lange Fensterfront besitzt. Direkt anschließend, durch eine weiße Schiebetür abtrennbar, befindet sich die kleine gemütliche Küche. Das Bad ist neu gefliest und sieht aus wie aus dem Kempinski. Aber den tatsächlichen Anstoß zu meiner Entscheidung gab das Schlafzimmer. Es ist klein und fast quadratisch und wirklich nichts Besonderes. Aber direkt vor dem Fenster steht eben der Baum, der auch von der Küche aus zu sehen ist. Ich hatte gleich den Eindruck eines Nestes, das in den Baumkronen hängt, und das fand ich so gemütlich, dass ich die Wohnung nahm. Dann musste nur noch der Umzug vorbereitet werden. Lothar stand oft mit verschlossenem Gesicht neben mir, wenn ich Dinge in Zeitungspapier wickelte und in den Kartons verstaute. »Ich kann das nicht«, hatte er gemurmelt. »Ich kann dir nicht dabei helfen, deine Sachen einzupacken und hier wegzutragen. Ich kann’s nicht, weil ich eigentlich nicht will, dass du gehst.« »Ach, Lothar«, hatte ich erwidert, war vom Boden aufgestanden und hatte ihn umarmt. Er ist ein weicher Mann, keiner von diesen knallharten Typen, die nichts umwerfen kann. Nein, Lothar ist wohl sensibler und empfindsamer als ich. Er litt sehr unter der Trennung, obwohl wir beide sie gewollt hatten. Es gibt Zeiten im Leben, in denen erleben wir Außergewöhnliches. Könnte sein, dass es etwas Schönes, Großes, Wunderbares ist. Etwas, das uns verändert, von rechts nach links zieht, uns voranschreiten lässt mit Siebenmeilenstiefeln auf dem Weg zum umfassenden Glück, nach dem wir alle auf der ständigen Suche sind. Könnte aber auch sein, dass es etwas Trauriges ist, ebenfalls Großes, aber Wunden Schlagendes. Etwas, das uns den Rückzug antreten lässt in unser Schneckenhaus, verharrend in einer angstvollen Erstarrung vor dem Schrecken des Schmerzes. Könnte sein, dass es sich hierbei um eine Trennung handelt. Eine Trennung aus einer liebevollen Beziehung, die ehemals etwas Schönes, Großes, Wunderbares war und dann den Weg mitten hinein in das Verhängnis Treibsand genommen hat. Als mir zum ersten Mal bewusst wurde, dass ich mich mit Lothar nicht mehr wie ein Paar fühlte, sondern eher wie mit meinem besten Kumpel, war ich gerade auf einer kleinen Drehreise in England unterwegs. Ich war in den nächsten Supermarkt gerannt, hatte mir vier Sixpacks Bier gekauft und mich heillos betrunken. Die nächsten Tage arbeitete ich wie eine Bekloppte und brachte das ganze Team zum Schwitzen. Am letzten Abend der Reise versuchte ich mich sogar dadurch abzulenken, indem ich mit dem Kameraassistenten knutschte. Aber das half mir auch nur diesen einen Abend und verursachte einen moralischen Schluckauf, in Form eines wochenlangen schlechten Gewissens, wann immer ich seinem traurigen Gesicht auf meinem Weg zum Schnittplatz in der Firma begegnete. Egal, was ich versuchte, es blieb dabei: Die Beziehung, die Lothar und ich sechs Jahre lang geführt hatten, war am Ende. Und ich hatte keine Erklärung dafür. Vielleicht lausche ich deshalb nun Abend für Abend in diesem windigen Oktober dem Baum vorm Fenster. Weil ich hoffe, irgendwo eine Antwort darauf zu finden, wie so etwas eigentlich passieren kann. Liebe ist eine sonderbare Macht, die uns beherrscht und führt, die uns selbstverständlich wird und plötzlich im Spiegel das eigne Gesicht nicht mehr erkennen lässt. Ratlos stehen wir da, können es nicht fassen und schütteln den Kopf. Und sind dann irgendwann so weit, nachts um eins mit dem Telefonhörer in der Hand in der Wohnung auf und ab zu laufen. Es gibt nur ein paar Menschen, die ich mitten in der Nacht ohne einen Grund anrufen würde. Aber Katja, meine Cousine und erklärte beste Freundin seit Kindergartenzeiten, liegt viele hundert Kilometer entfernt von hier in einem Münchner Hotelbett und braucht ihren Schlaf für die morgige Fachtagung. Lothar möchte ich nicht schon wieder in mein Seelendilemma hineinziehen. Und Michelin, meine liebe Arbeitskollegin in unserem kleinen Zwei-Frauen-Journalistinnen-Büro, hat heute bei Arbeitsschluss erzählt, dass sie ihre Freundin Angela zum gemütlichen Abend erwartete. Wahrscheinlich ist sie jetzt also nicht allein. Und es wäre mir peinlich zu stören. Auch wenn Michelin beteuert, dass ich jederzeit anrufen kann. Sie hat sich immer sehr um mich gekümmert. Keine dummen Fragen gestellt nach dem Warum und Wieso, war einfach nur da und hatte Verständnis für jeden Tränenschub und Wutausbruch und so manchen schweigsamen Nachmittag in unserem Büro. Michelin hat es auch fertig gebracht, ihrem guten Freund Lothar und mir gleichermaßen Trost entgegenzubringen. Sie hat es also wirklich nicht verdient, dass ich sie um ein Uhr nachts aus dem Bett schelle. Ich schiele zum Computer. Das habe ich ganz genau gemerkt. Dass ich regelrecht dahin geschielt habe. Nicht so direkt hingeschaut. Auch nicht das Ding mit dem Blick gestreift. Nein, ich habe hingeschielt. Und ich werde das sicher nicht machen. Ich werde mich nicht schon wieder hinsetzen und auf den Bildschirm starren, während andere sich unterhalten, Witze machen, flirten. Nein, das werde ich nicht tun. Lieber gehe ich eine Runde in die Küche und hole mir etwas Milch mit Honig und drei bis fünf Kekse als Gute-Nacht-Häppchen. Dass die Milch sauer ist und in der Keksdose irgendein Käferweibchen Nachwuchs produziert hat, muss nun wirklich kein Zeichen sein. Aber ich bin gewillt, es als ein solches zu betrachten. Der Computer fährt hoch. Ich knabbere dazu ein bisschen an meinen Fingernägeln. Loulou reckt sich auf dem Sofa und gähnt quietschend. Wenn sie wüsste, dass ich ihren Namen benutze, während ich durch die virtuelle Welt sause und am möglicherweise ja auch fiktiven Leben fremder Menschen teilnehme, die sich...



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