Müller | Seahorse - Der Gesang der Wasserpferde | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 272 Seiten

Reihe: Seahorse

Müller Seahorse - Der Gesang der Wasserpferde


1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-505-15010-4
Verlag: Schneiderbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 1, 272 Seiten

Reihe: Seahorse

ISBN: 978-3-505-15010-4
Verlag: Schneiderbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein mysteriöses Pferd in den schottischen Highlands und ein Geheimnis in der Vergangenheit

Shona wäre niemals freiwillig an diesen Ort gekommen: die kleine Grafschaft in den schottischen Highlands, wo ihr Onkel ein Anwesen besitzt und die störrische Nichte bei sich aufnimmt. Shona erwartet, hier genauso wenig verstanden zu werden wie sonst. Doch dann begegnet ihr ein majestätisches Pferd, mit dem sie ohne Worte eine innige Verbindung spürt. Und immer, wenn sie ihm begegnet, taucht kurz darauf dieser geheimnisvolle Junge in ihrer Nähe auf. Was hat er mit dem Pferd zu tun? Großtante Meghan ist die einzige, der Shona sich anvertraut. Und die alte Dame spricht eine Warnung aus: Reite niemals dieses Pferd! Erst recht nicht, wenn du in der Nähe von Wasser bist!

Romantische Mystery von Pferdeexpertin und Erfolgsautorin Karin Müller



Karin Müller ist mit 'Nordlicht' bei Schneiderbuch ein großer Bestseller gelungen. Darüber hinaus schreibt sie Tierratgeber, Kinder- und Jugendbücher. Sie wurde in Kitzingen am Main geboren, studierte an der Leuphana Universität Lüneburg und arbeitete viele Jahre als Radio- und Zeitungsredakteurin im Kulturressort. Heute lebt sie auf dem Land bei Hannover. Die besten Ideen hat sie am Gartenteich, auf Reisen oder wenn sie einem Pferd beim Grasen zuhört.

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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Kapitel 2

Loch Eriboll, Schottische Highlands, Juli 1983

Der stichelhaarige Hengst schnaubte entsetzt und wich rückwärts aus.

Menschen. Auf einmal waren da überall Menschen. Sie schrien durcheinander, fuchtelten mit erhobenen Armen vor ihm herum. Andere kümmerten sich um das reglose Bündel Mensch, das zwischen ihnen im Sand lag.

Jemand hob einen seltsam aussehenden Eisenstab von der Ladefläche eines offenen Pick-ups und hielt ihn sich vors Gesicht, als wollte er hindurchsehen. Der Eisenstab knallte, dabei sprühten Funken aus einem Rohr. Etwas zischte an seinem Kopf vorbei.

Erschrocken machte der junge Rotschimmel auf der Hinterhand kehrt. Aus dem Stand galoppierte er an. Weg von den Männern. Von dem Lärm. Vom Geruch nach Blut und Angst und Hass.

Doch nach vielleicht fünfzig Yards hielt er an. Zitternd. Schnaubend. Drehte sich um und suchte sie mit den Augen in dem aufgeregten Gewusel aus Menschen.

Mhairi.

Er durfte nicht fliehen. Nicht ohne sie. Er wollte zu ihr. Aber die Männer machten ihm fürchterliche Angst. Ging es ihr gut?

Er hörte sie weinen. Dann endlich entdeckte er sie. Sie sprang aus dem Auto, in das man sie gezerrt hatte, und warf sich dem Mann in den Arm, der erneut das Feuerrohr gehoben hatte und damit auf ihn zielte.

Es war alles so schnell gegangen. Eben noch hatten beide Mädchen lachend auf seinem Rücken gesessen. Dann war aus dem Nichts ein Wagen am Strand aufgetaucht und hatte versucht, ihnen den Weg abzuschneiden. Menschen!

Menschen bedeuteten immer Gefahr. Seine Instinkte hatten ihn auch vor dem älteren Mädchen gewarnt. Sie hatte nach Angst gerochen. Nach Stress. Aber er fühlte die Zuneigung der beiden Mädchen zueinander. Sie war wahr und aufrichtig.

Und er vertraute Mhairi. Dann war das zweite Fahrzeug gekommen. Sie hatten ihn gejagt, und die Mädchen hatten geschrien.

Und dann war es passiert.

Wieder pfiff ein Schuss dicht an seinem Kopf vorbei. Der Hengst wich mit aufgesperrten Nüstern zurück. Er wieherte.

»Nein! Bitte nicht. Lasst ihn in Ruhe. Ihr dürft ihm nicht wehtun«, schrie Mhairi so laut, dass ihre Stimme bis zu ihm getragen wurde.

Das ältere Mädchen bewegte sich endlich. Es kam zu sich.

Zwei Männer nahmen Maggie hoch und trugen sie in das größere Fahrzeug.

»Es war ein Unfall. Er konnte nichts dafür. Maggie, sag es ihnen doch! Maggie! Mach um Himmels willen den Mund auf und sag ihnen die Wahrheit! Dad, nein!«

Der Mann mit dem Feuerrohr schüttelte Mhairi ab, hob die Waffe erneut an sein Kinn und ließ sie noch einmal explodieren.

Diesmal spürte der Hengst einen stechenden Schmerz an seinem Ohr. Sein Instinkt zwang ihn zu fliehen. Panisch jagte er davon. Über den Strand, hinunter ans Wasser, in die Brandung. Er galoppierte hinein, stürzte sich in die Wellen, und als seine Hufe keinen Grund mehr fanden, schwamm er. Er schwamm so lange, bis die Nebel ihn verschlangen.

Am Strand gab es ein Handgemenge. Jemand entriss Maggies Vater das Gewehr. Arme legten sich um Mhairis Schulter. Sie strampelte sich frei und schlug hysterisch um sich. Tränen strömten über ihr Gesicht. »Lasst mich in Ruhe. Lasst mich los!« Sie rannte ans Ufer, watete in die Wellen und blieb dort stehen, zitternd vor Kälte und vor Schmerz.

Er war fort. Im aufziehenden Nebel verschwunden.

»Bitte. Komm zu mir zurück, lass mich nicht allein. Nimm mich mit!«, schluchzte sie. Das Wasser schwappte ihr bis zum Bauch. Ihre Beine brannten im eisigen Wasser. Es kümmerte sie nicht. Nichts kümmerte sie mehr. Maggie hatte es kaputt gemacht. Sie hatte alles kaputt gemacht.

Fitzgibbons Farm, Hope, Sutherlandshire, heute

Die Box am Ende des Stalls ist ringsherum vergittert. In der unteren Hälfte, die mir bis zur Brust reicht, sind die oxidierten Zinkrahmen mit Brettern aus schwerem dunklem Hartholz ausgefüllt. Darüber reichen senkrechte Gitterstäbe bis zur Decke. Der Betonboden ist kahl, an der weiß verputzten Außenwand hängen Spinnweben, auch in den Ecken.

Was für ein trostloses Gefängnis, ist mein erster Gedanke. Immerhin fällt Tageslicht herein. Durch ein Fenster im Mauerwerk kann ich ein Stück blauen Himmel sehen, über den die Wolken jagen. Aber Hunter ist bereits auf dem Weg, es zu schließen. Damit mein Patient nicht entkommen kann – oder womöglich Beute der schwarz-weißen Katze wird, die uns aus der luftigen Höhe eines großen Rundballens Heu vom Gang aus beobachtet. Die Plexiglasscheibe ist ebenfalls vergittert, und die Stäbe sind so eng, dass nicht mal ihr schlanker Körper hindurchpassen würde. Ich glaube sowieso nicht, dass sie sich an den Fasan herantraut. Und der Hund scheint auch eher harmlos zu sein – altersbedingt.

»Da drüben gibt’s Wasser, und in der Truhe an der Wand ist Hafer«, erklärt Hunter mit einem Kopfnicken in Richtung der Stallgasse und mustert mich und meinen Karton abschätzig. »Willst du ihn nicht abstellen?«

Mein Blick klebt an dem kahlen Boden der Pferdebox. »Gibt es hier irgendwas zum Einstreuen? Stroh vielleicht?«

»In der Kammer da drüben ist ein Vorrat mit Sägespänen. Das ist leichter sauber zu machen.« Er verschränkt die Arme vor der Brust. »Ich helfe dir nicht dabei, und ich werde auch nicht babysitten.«

»Okay.«

»Ich wusste nämlich gleich, dass du uns eben doch nur zusätzliche Arbeit machst. Wir haben genug eigenen Kram um die Ohren.«

»Okay.«

Hunter bleibt stehen. Ich ebenfalls, unentschlossen, was ich zuerst tun soll. Außerdem ist es creepy, wie er jede meiner Bewegungen beobachtet. »Wir sollen uns beeilen, hat Dad gesagt.«

Wieso lässt er mich nicht einfach in Ruhe, wenn er sowieso nicht vorhat, mit anzupacken? »Ich komm schon zurecht, danke. Du kannst ruhig reingehen.«

Er rührt sich nicht vom Fleck.

»Es ist okay«, wiederhole ich.

Weil er sich immer noch nicht trollt, stelle ich den Karton in eine Ecke und vergewissere mich, dass der Deckel nicht aufspringen kann. Drinnen ist alles ruhig. Dafür spüre ich Hunters bohrenden Blick in meinem Nacken.

»Wo wart ihr all die Jahre? Dein Vater hat sämtlichen Kontakt auf null gefahren. Es hat Tante Meghan das Herz gebrochen. Warum kommst du jetzt? Was willst du hier?«

Ich verdrehe genervt die Augen und starre die Wand an.

Dann stehe ich auf und quetsche mich an meinem Cousin vorbei auf die Stallgasse.

»Ich will gar nichts.«

Er weicht keinen Inch mehr als nötig zur Seite und rümpft angewidert die Nase. »Wir sind kein Asyl für schwer erziehbare Schulversager.«

»Ich hab auch keins beantragt.«

»Dad sagt, du willst deine Familie kennenlernen.«

»Als ob.« Ich gebe einen verächtlichen Laut von mir.

»Du stinkst echt.«

Ich beschließe zu schweigen, greife mir eine große Schaufel, die neben Mistgabeln und Forken säuberlich aufgereiht an der gegenüberliegenden Wand hängt, und mache mich auf den beschriebenen Weg, die Stallgasse hinunter. Entlang der rechten Seite zeugen Spuren im Betonboden und an der Decke davon, dass hier früher ganz ähnliche Gitterboxen waren wie die, in der mein Unfallopfer auf seine Freiheit wartet. Jetzt gibt es allerdings nur noch eine zweigeteilte, riesige Lauffläche, die durch drei Balken getrennt ist. Beide Stallhälften haben eine Tür zum Gang und eine, die nach draußen führt. Diese beiden Mauerdurchbrüche scheinen ebenfalls nachträglich gemacht worden zu sein. Zum Gang hin ist der Laufstall mit einer halbhohen, roh gezimmerten Bretterwand begrenzt. Der Stall ist leer und wirkt, als wäre er länger nicht benutzt worden. Kein Pferd weit und breit, was mich allerdings wundert, denn die Heunetze sind gefüllt und das Wasser in den Bottichen sieht frisch aus.

»Ganz schön viel Aufwand für so einen Vogel, oder?«, ruft Hunter mir nach.

»Macht mir nichts aus!«, rufe ich zurück. Es kann mir egal sein, ob es die Pferde noch gibt oder nicht. Wenn die Stimmung so frostig bleibt, verschwinde ich in ein paar Tagen wieder. Sobald der Fasan zurück in die Freiheit kann. Sie können mich nicht zwingen, hierzubleiben, dazu müssten sie mich auch in so eine Gitterbox sperren. Ich bin alt genug, um allein auf mich aufzupassen. Ich schlage mich schon durch. Ich brauche niemanden.

In der Ecke der von Hunter beschriebenen Kammer liegt ein großer Haufen grober Sägespäne, der angenehm nach frischem Holz duftet. An der Wand lehnt eine Schubkarre. Perfekt.

Ich schaufele die Karre halb voller Späne und mache mich auf den Rückweg. Hunter ist verschwunden.

Zehn Minuten später ist alles erledigt. Der Fasan sitzt ein bisschen verwirrt in den Spänen und mustert mich, während ich noch einmal überprüfe, ob das Fenster wirklich fest verschlossen ist. Den Pappkarton habe ich auf die Seite gekippt, falls er einen Unterschlupf sucht. In der anderen Ecke habe ich den Boden freigelassen, damit nicht alle Späne in der Wasserschüssel landen, wenn er zu scharren anfangen sollte. Eine Handvoll Haferkörner liegt großzügig auf dem Boden verteilt. Ich hoffe, das Picken und Suchen ist gut gegen Langeweile und Angst vor der fremden Umgebung. Immerhin hechelt der Wildvogel nicht mehr. Das sah wirklich spooky...



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