Müller | Liebe Tod und Esperanto | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 258 Seiten

Müller Liebe Tod und Esperanto


3. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7557-3214-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 258 Seiten

ISBN: 978-3-7557-3214-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Im Jahr 2005 erhält Adrian Schlayer unerwartet Besuch von Vigdis, einer Schönheit aus Island. Sie spricht für ihn völlig unverständlich. Eine Stunde später stehen er und seine Besucherin vor zwei übel zugerichteten Leichen. Damit beginnt für Adrian eine Jagd um den halben Globus. Er lernt dabei die Welt des Esperanto kennen. Mitglieder eines weltumspannenden Netzwerkes dieser Kunstsprache helfen ihm und seiner Begleiterin weiter. Nur knapp entrinnen Adrian und Vigdis dem Tod unter anderem auch deshalb, weil Adrian rasend schnell Downhill fährt. Beim Show-Down auf Island steht Adrian mit seinem Mountainbike vor der steilsten Abfahrt seines Lebens. Unter ihm im Tal läuft Vigdis, seine große Liebe, in den Tod.

Mathias Müller, geboren 1959 in Kirchheim am Neckar, hat über 30 Jahre als Lektor, Redakteur und Journalist für Buch-, Zeitschriften- und Tageszeitungsverlage gearbeitet. Danach wechselte er in die Öffentlichkeitsarbeit für eine internationale Kooperation. Ein Sach- und Kochbuch über Bier wurde 1993 unter seinem Pseudonym Ernst Friedrich veröffentlicht.

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Die Fremde
„Bonan tagon. Mia nomo estas Vigdis. Cu vi estas Adrian Schleyer?“1) Adrian Schlayer starrte die Fremde an, die vor seiner Tür stand. Er verstand kein Wort außer seinem Namen. War das Spanisch … oder Portugiesisch, was sie sprach? Ihr Aussehen war nicht südländisch. Sie sah aus wie eine nordische Schönheitskönigin. Hellblondes, glattes Haar bis über die Schultern. Augen blau und klar wie das Eiswasser der Fjorde, die Adrian in Norwegen gesehen hatte. Eine gerade kräftige Nase zeigte, dass alles an ihr echt war. Der Schwung ihrer Oberlippe ließ ihre weißen Zähne sehen und gab ihrem Gesicht zusammen mit der vollen Unterlippe und dem angehobenen Kinn einen verächtlichen Ausdruck. Sie war sich ihrer Wirkung auf Männer bewusst. Das Blut schoss Adrian vom Gehirn in den Unterleib. Bewegung hilft manchmal gegen eine Erektion. Adrian öffnete die Tür und hinkte zu dem langen, schmalen Holztisch, der in der Mitte seines Lofts stand. Er setzte sich auf einen der Stühle und während er seine verschwitzten Sportsachen von dem Stuhl daneben auf den Boden schob, winkte er ihr herein und sagte: „Yes, I am Adrian Schlayer. Come in.“ Er war nicht in der Verfassung, eine Schönheitskönigin zu empfangen. Seine Schulter war grün und blau. Auf seinem Rücken zogen tiefe Kratzer ihre blutigen Spuren. In seinen Haaren klebte getrocknetes Blut. Sein einziges Kleidungsstück war eine verdreckte, zerrissene Radlerhose. Er roch nach Schweiß und Dreck. Er war im Degerlocher Wald im Stuttgarter Süden Downhill gefahren. Und er war außer sich vor Wut. Wer in Stuttgart Downhill fährt, hat keine Freunde bei den Naturschützern. Die hetzen die Bullen auf uns. Warten am Ende der Strecke. Beschimpfen uns Radfahrer als Umweltschädlinge. Ich schlag dem Nächsten die Zähne aus. Einer hat mir vor einer Woche den Reifen zerstochen. Der Mistkerl in der Zahnradbahn. Jetzt ziehen grüne Talibans Drahtfallen in die Strecke. Ist neu, ist heimtückisch. Ist feig. … Wie das ganze Umweltpack. Adrian hatte den Draht nicht gesehen, der etwa einen halben Meter über dem Boden gezogen gewesen war. So war Adrian dagegen gefahren und hatte einen Salto über den Lenker geschlagen. Er war den Hang hinunter geschlittert, hatte sich hinabgekugelt, sich Arme und Beine aufgerissen, hatte sich überschlagen, versucht auf die Beine zu kommen, hatte sich nochmals überschlagen, war schneller und schneller geworden. Dann hatte eine alte Eiche seiner Talfahrt ein schnelles und hartes Ende bereitet. Sein Helm hatte ihn vor noch größeren Schäden bewahrt. Adrian war wieder hochgeklettert und hatte den Draht mit bloßen Händen abgemacht, um dann mit seinem verbogenen Rad nach Hause zu laufen. Es war heiß gewesen und er hatte Durst gehabt. Er hatte sich auf ein Bier und eine Dusche gefreut. Aber dann hatte es geklingelt. Er hatte gedacht, es wäre die Polizei. Denn natürlich hatte er mit seinen Freunden telefoniert. Und die hatten bestimmt nicht lange gefackelt mit dem nächsten Umweltschützer, dem sie habhaft werden konnten. Aber nun stand eine Schönheitskönigin vor seiner Tür. … Und das beruhigte ihn … ein wenig. Die Königin hatte sich nicht bewegt. Sie sagte: „Tio estis angla. Mi rifuzas la anglan. Mi parolas Esperanton kaj se vi estas Adrian Schleyer, vi ankau komprenos tion.“2) „Angla“, das sollte wohl „Englisch“ bedeuten. Ihrer Körpersprache nach und so verächtlich, wie sie dieses Wort hervorzischte, war Adrian sofort klar, dass die Fremde für Englisch nicht viel übrig hatte. Gab es das heutzutage noch? Jemand, der kein Englisch sprach? Na dann eben Französisch: „Qui, je suis Adrian Schlayer. Entrez,“ und mit einem kurzen Lächeln: „s'il vous plaît.“ Immerhin. Jetzt lächelte sie. Adrian grinste. Er fühlte sich im Vorteil. Er war zweisprachig aufgewachsen. Mama aus dem Norden Frankreichs, Papa aus dem Süden Deutschlands. Er, Adrian, das Ergebnis dieser im Fall seiner Eltern, wie er selber fand, gelungenen Melange. Die Schönheitskönigin lächelte zwar, aber sie sprach weiter in dieser seltsamen Sprache, die Adrian nicht kannte, die ihm aber doch irgendwie vertraut vorkam: „Tio estis probable franca, mi komprenis: Do vi estas Adrian Schleyer. Sed kial ni ne parolas Esperanton kune? Ni devas klarigi tion. Cu mi rajtas eniri?“3) Sie trat in das Loft, setzte sich auf den freigeräumten Stuhl und erfüllte den Raum. Adrian sog ihren Duft mit beiden Nüstern ein. Ihre Präsenz, ihr Duft … schweres Parfum, Frauenkörper, … jung, erhitzt. Adrian konnte nicht fassen, was da auf ihn einströmte. Ihre Bluse: altmodisch, bunt. Der Rock: seltsam, mit Falten. Der Lederrucksack: noch älter als die Bluse, abgeschabt. Sie war gekleidet wie eine Vertreterin seiner Feinde, die Ökotalibans. Aber das machte nichts. Auch unter Ökos können ja prima Leute sein. So wie die hier. Sie stellte den Rucksack auf den Boden. Dabei taxierte sie Adrian mit ihren glasklaren Augen, zog die Oberlippe noch höher und legte dann ihre Beine auf die Werkzeugkiste, die neben dem Tisch stand. Adrian schnappte nach Luft. Der seltsame Rock war nicht altmodisch. Er hatte einen Schlitz bis zur Hüfte und ließ ein Bein von makelloser Schönheit frei. Schneeweiß mit einer Haut, die noch nie von der Sonne gegerbt worden war, unglaublich lang. Adrian zählte in Gedanken auf zehn. Dann gelang es ihm, die Augenbrauen zu heben und den Mund zu schließen. Er räusperte sich: „Hrrm ... Möchtest du etwas … trinken? Ich habe Bier oder Wasser. … Oh pardon: tu veux boire quelque chose? – J'ai de la bière ou de l'eau.“ Sie verzog den Mund, dann blitzte es kurz, nur ganz kurz in ihren Augen und sie sagte: „Mi prenas bieron.“ Adrian wusste zwar immer noch nicht, in welcher Sprache sie sprach, aber er verstand: Die Schönheit wollte Bier. Adrian lief zu dem frei stehenden Kühlschrank. Zuerst stellte er ein Wasserglas in den Eiswürfelspender, drückte auf die Taste und während knackend crushed ice in das Glas fiel, holte er eine eiskalte Flasche Bier und stellte sie vor seiner Besucherin auf den Tisch. Er wollte eben nach einem Öffner schauen, da hörte er das bekannte Zischen, wenn ein Kronenkorken geöffnet wird. Sie hatte die Flasche an der Werkzeugkiste aufgemacht. Adrian bevorzugte in dieser Situation eiskaltes Wasser. Er füllte das Glas, das halb voll mit Eis war, mit kaltem Wasser aus der Leitung auf und kam wieder zum Tisch. Adrian nahm einen Schluck und grinste. Zeit für ein wenig Konversation. Sie aber nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche, schaute ihn verächtlich an, deutete lässig mit der Flasche zur Dusche und sagte: „Vi devas dusi vin.“4) Dann drehte sie den Stuhl zur Tür und sagte: „Mi turnas min.“5) Das war deutlich. „Du weißt nicht, was dir entgeht“, sagte Adrian, zog die Radlerhose aus und stellte sich unter die Dusche, die freistehend im Badezimmerbereich seines Lofts stand. Das kühle Wasser ließ die Risswunden in seiner Haut wieder aufbrechen. Unter seinen Füßen floss es rot in den Abfluss. Die frischen Wunden brannten, aber darum konnte sich Adrian jetzt nicht kümmern. Er musste nachdenken. Ziemlich schnell kam er auf die Lösung, was ihm den unerwarteten Besuch verschafft hatte: Es gab außer ihm einen zweiten Adrian Schleyer in Stuttgart. Nur schrieb der sich mit einem e statt wie er mit einem a im Namen. Dieser Adrian wohnte in Feuerbach, einem anderen Stadtteil von Stuttgart. Zudem konnte ein Fremder die Straßen, an denen sie beide wohnten, leicht verwechseln. Adrian wohnte an der Weilheimer Straße. Sein Fast-Namensvetter an der Walheimer Straße. Als Adrian das bald nach seinem Umzug nach Stuttgart herausgefunden hatte, hatte er mit seinem Fast-Namensvetter telefoniert. Er hatte ihn besucht und sie hatten sich danach auch einige Male getroffen. Aber ihre Interessen waren zu unterschiedlich gewesen, sodass der Kontakt bald wieder eingeschlafen war. Der Adrian Schleyer mit e war nur ein paar Jahre älter als er, aber hauptsächlich an klassischer Musik, Schach, alten Sprachen und noch älteren Büchern interessiert. Bücher interessierten Adrian auch, aber nicht so alte. Schach und Latein hatte Adrian ebenfalls gelernt. Und er hatte gedacht, er würde gut Schach spielen. Bis er seinen Fast-Namensvetter kennengelernt hatte. Schach spielte der andere Adrian so viel besser als er, dass es den bald langweilte, sich mit ihm an ein Brett zu setzen. Obere Erste Liga gegen abstiegsgefährdeten Drittligisten eben. Und Latein gab als Unterhaltungsstoff auch nicht viel her. Adrian war Sportstudent. Er fuhr Downhill. Er verdiente sich als Stuntman und als Model seinen Lebensunterhalt. Tagessatz in beiden Branchen mindestens 1.000 Euro. Das Geld war er offensichtlich wert. Er hatte mehr Anfragen, als er annehmen wollte. In den vergangenen drei Jahren, seit der Einführung des Euros, hatte Adrian immer...



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