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Müller Franz


1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-99152-019-1
Verlag: Buchschmiede
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

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In diesem Buch geht es weniger um Anklage, sondern um die schonungslose Offenlegung der Tatsache, wozu wir Menschen fähig sind. Gewaltlosigkeit ist die größte Macht, die der Menschheit in die Hand gegeben ist. Sie ist mächtiger als die mächtigste Zerstörungswaffe, die die Menschheit je ersonnen hat. Mahatma Gandhi Gott beantwortet das Gebet auf Seine Weise, nicht auf die unsrige. Mahatma Gandhi Jede Waffe, und sei es bloß die Faust, ist eines Menschen unwürdig und daher mehr als entbehrlich. H. Müller

Harald Müller, Jahrgang 1945, emerit. Grundschulpädagoge Als einer, der nicht nur in die Hungerjahre, sondern auch in die Schweigejahre hinein geboren wurde, versuche ich mit meinen Recherchen, über jene Zeit mehr zu erfahren. Die Vergangenheit - unser aller Vergangenheit - zu kennen, ohne sich darin zu verfangen oder sie zu verherrlichen, ist von eminenter Bedeutung für unser gegenwärtiges Leben. Nur wenn ich die Vergangenheit kenne, kann ich die Gegenwart richtig verstehen, und vielleicht gelingt es mir dann, die Zukunft besser gestalten. Bisherige Publikationen: Die Nixen aus dem Krotenbach, eine Sammlung von Kunstsagen Tatort Brunn, wahre Kriminalfälle in eine Erzählung verpackt Zahlreiche religionsphilosophische Aufsätze Gespräche mit Gott

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Kapitel 1 Franz Winkler Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich … Wie sehr hat ihn dieser Psalm stets bewegt? Welch kraftvolles Quantum Vertrauen hat er ihm zu seinem Urvertrauen hinzugefügt? Es war im Jahr 1909, und er war gerade einmal sechsundzwanzig Jahre alt. Als Kaplan hatte er eines Tages seinen Pfarrer, Isidor Reiter, in das k. k. Kriminalgerichtsgebäude begleitet, welches sich zu dieser Zeit gerade im Umbau befand. Reiter besuchte einen Insassen, der in Winklers Kindheit Nachbar im väterlichen Heimatort Altlengbach gewesen war. Joseph Stocker saß wegen Diebstahls ein und hatte den Wunsch geäußert, die Beichte nur bei Reiter ablegen zu dürfen. So gelangte Franz Winkler in das Innere eines gewaltigen Gebäudekomplexes, den die meisten Menschen wohl niemals von drinnen kennenlernen wollen. Als er an diesem 23. Juli 1909 durch den imposanten Eingang schritt, der an den Palazzo Pitti in Florenz erinnerte, wäre er nie aufden Gedanken gekommen, dass er an diesem ungeliebten Ort den Großteil seines Lebens verbringen würde. Während der junge Kaplan geduldig im Gang vor dem Zellentrakt auf und ab ging, sprach ihn von hinten kommend ein alter Herr im Talar an: Gelobt sei Jesus Christus! Noch konnte Franz Winkler nicht sehen, wer hinter ihm gesprochen hatte. Im Umdrehen antwortete er pflichtgemäß: In Ewigkeit, Amen! Winklers Gegenüber stellte sich ihm als Anstaltsseelsorger vor. Die feinen Gesichtszüge ließen ihn um zwanzig Jahre jünger aussehen. Nur die schlohweißen Haare des Priesters bezeugten, dass er älteren Semesters war. Der junge Kaplan meinte, in seinem Leben noch nie so eine angenehme, beruhigende Stimme vernommen zu haben, mit Ausnahme der Stimme seiner Mutter vielleicht. Im Verlauf des Gesprächs erfuhr Winkler, wie bereichernd und erfüllend für einen selbst die Tätigkeit eines Anstaltsseelsorgers sei. Mit jeder Seele, die ich ein Stück höher heben konnte, strebte meine eigene dem Himmel näher. Und glaub mir, junger Freund, es war eine ganze Menge davon, erklärte Theodor Heinisch. Franz Winkler sog die Botschaft des Seelsorgers Heinisch gleich einem Schwamm in sich ein. Er, der Rastlose, der Suchende und Ungeduldige, lag schnurrend wie eine Katze im geistigen Schoß dieses alten Priesters, fühlte sich wie von Zauberhand verändert. Irgendwie muss das erfahrene Auge von Heinisch erkannt haben, dass in Franz Winkler die Kapazität für einen geeigneten Gefangenenbetreuer angelegt sei, denn er fragte ihn schließlich kurz heraus: Willst du meine Nachfolge antreten, junger Freund? Dass der »Junge Freund« nach einigen Augenblicken zustimmte, wunderte Heinisch nicht, denn er sah es. Er sah das Feuer der Begeisterung in den Augen des Kaplans. Tatsächlich war Winkler nicht bloß erfüllt von seiner erst recht kurzen priesterlichen Tätigkeit, sondern spürte selbst seinen Feuereifer bei der Jugendarbeit in der Pfarre. Begeisterung ist ein Phänomen, das alle aus dem Bereich der Elektrizität kennen, wenn der Funke überspringt. Winkler bemerkte jedoch auch mit einiger Wehmut, wie sehr sein Chef in der Pfarrei, Monsignore Reiter, unter dem Feuer litt, welches sein Kaplan in den Herzen der Pfarrmitglieder verbreiten konnte. Seinen Platz räumen, das vermochte der alte Mann nicht. Noch während Heinisch Winklers viele Fragen zu beantworten suchte, kam Pfarrer Reiter aus der Zelle, nachdem auf Klopfzeichen hin ein Wachebeamter geöffnet hatte, und ging auf die beiden Priesterkollegen zu. Nachdem der Pfarrer mit einiger Erleichterung und einem geheuchelten: O, was werden die Leute in Maria Anzbach sagen? über die neue Entwicklung informiert worden war, marschierten die drei Männer zum Büro der Anstaltsleitung. Trotz aller Beteuerungen der beiden alten Priester, Franz Winkler wäre der geeignetste Kandidat für den Posten eines Anstaltsseelsorgers, beharrte der Direktor auf Bewerbungsschreiben und einemAnsuchen an das k. k. Justizministerium. Abzuringen war ihm bloß die Zusage, das Gesuch wohlwollend unterstützen zu wollen. Nach etwa fünf Monaten – Beamtenmühlen mahlen noch langsamer als jene Gottes – langte in Maria Anzbach ein Schreiben des Justizministeriums ein. Franz Winkler kann sich noch gut daran erinnern, wie ihm Pfarrer Reiter den Brief aus der Hand gerissen und unsanft geöffnet hatte. Er enthielt tatsächlich die Bestellung des Kaplans zum Seelsorger in Wien. Mit nur wenig Beobachtungsgabe konnte Winkler sehr gut erkennen, dass eher Erleichterung als Wehmut am Gesichtsausdruck des alten Herrn zu bemerken war, als er ihm das Poststück überreichte. Im Grunde genommen war das Verhalten Reiters mehr als beleidigend, indem er das Briefgeheimnis brach, doch Kaplan Winkler war es gewohnt, von Reiter bevormundet zu werden. In irgendeiner Weise musste er sich doch in seinem Frust abreagieren. Was die menschliche Seite anbelangt, bedauerte dies Winkler allerdings sehr. Kaplan Franz Winkler war mit Dekret vom 13. Dezember 1909 zum provisorischen Anstaltsseelsorger am Kriminalgerichtsgebäude in Wien, Alserstraße 5 ernannt worden. Den Rest der Adventszeit sowie das Weihnachtsfest verbrachte er noch gemeinsam mit den Pfarrangehörigen und vor allem seiner lieben Mutter, die, obwohl sie es nicht zeigen wollte, sehr unter der bevorstehenden Trennung litt. … lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten … Nicht mit Angst vor der schwierigen Aufgabe, sondern mit einem lodernden Feuer in seiner Brust fuhr Franz Winkler am 27. Dezember mit der Kaiserin Elisabeth-Bahn, im Gefüge der kaiserlich-königlich staatlichen Westbahn, von Neulengbach nach Wien. Auf der Fahrt überdachte er seinen bisherigen Lebensweg. Es ist immer gut, zurück zu blicken, wenn eine neue Aufgabe vor einem liegt. Die Zukunft, die wie eine grellweiße Wolke vor dir liegt, kannst du nicht kennen; du musst abwarten, bis sich der Nebel lichtet. Die Erkenntnisse aus deiner Vergangenheit aber liegen hoffentlich wie ein offenes Weisheitsbuch vor dir und helfen dir bei deinen Entscheidungen, die von dir verlangt werden. Wie heißt es in der Bibel? Kein Hund kehrt zu seinem Erbrochenen zurück. Franz Winkler war – so kann man getrost sagen – ein Muttersöhnchen. Der Vater, ein Holzfäller, war damit beschäftigt, die Wälder des Alpenvorlandes um Lilienfeld abzuholzen. Über Wochen war er nicht zu Hause, bis er eines Tages überhaupt nicht mehr kam. Eine mächtige Fichte hatte ihn erschlagen. Damals war der kleine Franz, das einzige Kind der Familie Winkler, gerade vier Jahre alt geworden. Die ganze Aufmerksamkeit von Adelheid Winkler gehörte nur ihrem Büblein, noch mehr als früher, und Franz war ein dankbarer Abnehmer ihrer Liebe. Heute weiß der junge Kaplan nicht mehr, wie viele Briefe es waren, die er ihr nahezu täglich aus dem Konvikt in St. Pölten geschickt hatte. Er tat dies nicht, weil er sich von seiner Mutter nicht abnabeln konnte, nein, der einsamen Mutter wollte er damit Freude bereiten. Franz genoss das Leben im Gymnasium, wo er endlich seine übergroße Neugier in Natur- und Geisteswissenschaften stillen konnte. Tiefe Dankbarkeit erfüllte beide, Mutter und Sohn. Eine reiche Handelsfrau finanzierte nahezu leidenschaftlich die Ausbildung des Winklerkindes. Ob sich Frau Mathilde Weiss damit den Himmel erkaufen wollte? Bis zu ihrem Tod kurz vor Ausbruch des Krieges, 1914, blieb das ein Geheimnis. Während der junge Kaplan und zukünftige Anstaltsseelsorger auf das Schnaufen und Pfeifen des Zuges und das Tackern der Räder hörte, dachte er an die Jugendlichen, die er jetzt zurücklassen musste. Hatte er genug Feuer in ihren Herzen entfacht? Haben sie verstanden, was er ihnen mitteilen wollte, haben sie mitbekommen, was er ihnen vorgelebt hatte? Friede sei mit euch! Waren das nicht Jesu Worte? Wer den Frieden in sich hat, sollte es doch leichter im Leben haben. Wie eine kleine Knospe, die auf ihre Öffnung und Entfaltung wartet, schlummert etwas in uns, das in dem Moment aufblüht, in dem wir uns unsrer Einmaligkeit bewusst werden; es ist die Würde. Dann kann ich nämlich spüren, dass meiner Einzigartigkeit jene Singularität innewohnt, mit der ich Gott, mit der ich das Unvorstellbare und Unfassbare ein wenig begreifen kann und mich als Seelenwesen unter vielen andren wiederfinden darf. Wie werde ich nun aber meinem Nächsten begegnen? Wer sich bewusst ist, welch Wunderwerk er als Mensch ist, mit wie viel Würde er beschenkt ist, der beginnt in aufrichtiger Zufriedenheit zu lieben. Jedenfalls sollte dies das Ziel seiner Arbeit werden, so hoffte Franz Winkler, denn was die Zukunft bringen wird, das weiß niemand. Wie gnädig ist doch das Leben, welches uns das Wissen über unsre Zukunft verweigert, ist doch die Angst vor ihr allein oft schon quälend genug. … Pfaden, treu seinem Namen. Muss ich auch wandern in finstrer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab...



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