Müller | Die Welt des Baedeker | Buch | 978-3-593-39615-6 | sack.de

Buch, Deutsch, 354 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 215 mm, Gewicht: 464 g

Müller

Die Welt des Baedeker

Eine Medienkulturgeschichte des Reiseführers 1830-1945

Buch, Deutsch, 354 Seiten, Format (B × H): 142 mm x 215 mm, Gewicht: 464 g

ISBN: 978-3-593-39615-6
Verlag: Campus


1835 erschien mit der "Rheinreise" der erste Reiseführer im Baedeker-Verlag. Es folgten die Bände "Belgien", "Holland", "Schweiz", "Paris und Umgebung" - das Reisehandbuch, aber auch eine neue Art des Reisens und des Sehens war geboren. Denn die Welt, die durch ein Reisehandbuch betrachtet wird, ist eine andere. Reisehandbücher, so Susanne Müller, sind in erster Linie touristische Sehhilfen: Sie erleichtern das Auffinden von Sehenswürdigkeiten und sorgen dafür, dass der Reisende die "richtigen" Dinge auch "richtig" sieht.
Vornehmlich am Beispiel des populärsten europäischen Reiseführers erzählt Susanne Müller seine Geschichte von den Anfängen um 1830 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Sie ist eng verwoben mit der Aufklärung und dem Aufstieg des Bürgertums, der Entstehung von Dampfschifflinien, der Eisenbahn sowie der modernen Fotografie.
1945 endet die Darstellung, denn auch die "große Zeit" des Baedekers war vorbei. Der Mythos, er hätte den Deutschen bei den Bombenangriffen auf England als Zielhilfe gedient, ruinierte seinen Ruf. Ebenso hatte sich das klassische Zielpublikum gewandelt: Der moderne Massentourismus eroberte die Kontinente.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Inhalt

1. Reisen nach Baedeker 11
Von Mainz nach Köln 11
Reisen nach … Molwanîen 13
Fiktion und Realität 16
Medienkulturgeschichte 19
Mediales Format 23
Reisehandbuch 26

2. Karl Baedeker und der Baedeker-Verlag 29
Karl Baedeker 29
Kleins Rheinreise 32
Murrays Red Books 34
Karl Baedekers Reisehandbücher 37
Konkurrenten 41
Ernst, Karl und Fritz Baedeker 44
Hans, Ernst und Dietrich Baedeker 48
Neubeginn nach 1945 51
Mythos Baedeker 54
Das Konzept Baedeker 57

3. Am Vorabend des Tourismus 61
Luftfahrzeuge 61
Seh(n)sucht 62
Räume durchmessen 65
Reisende Bürger 67
Schönes und Erhabenes 72
Romantische Kultur 74
Landschaft 77
Am Rhein 80
In der Campagna 85
Neues Sehen 89
Zeit für den Baedeker 90

4. Landschaft und Panorama 93
Panorama 93
Wechselwirkungen 96
Alte und neue Perspektiven 99
Bilderlesen 103
Bergpanorama 105
Warenhaus 109
Reisen im Baedeker 111
Panopticon 114
Der gefesselte Reisende 117

5. Verkehr und Geschwindigkeit 121
Dampfschifffahrt 121
Rheinpanorama 123
Eisenbahn 127
Regen, Dampf, Geschwindigkeit 130
Pleorama 136
Links und rechts 139
Eisenbahnlandschaft 141
Industrielandschaft 145
Weltpanorama 148
Mediales Ensemble 151

6. Fotografisches und Monumentales 155
Für die Ewigkeit 155
Denkmäler im Baedeker 158
Geschichtspanorama 161
Den Augenblick bannen 164
Fotografien im Baedeker 167
Reisefotografie 169
Aussicht und Ansicht 172
Der rote Professor 175
Über die Bewohner 177
Baedekers Blütezeit 181
Untergänge 183

7. Die Stadt im Reisehandbuch 191
Sinfonie in fünf Akten 191
Stadtlandschaften 193
Großstadt im Temporausch 198
Die abgebildete Stadt 202
Groß-Berlin im Baedeker 208
Illuminierte Großstadt 210
Montierte Bilder 213
Das Gesicht der Zeit 216
Anders reisen, anders sehen 218
Ausdifferenzierung 222
Arbeiterreiseführer 225
Ein Baedeker der Seele 228

8. Reiseführer im Nationalsozialismus 231
Baedeker im Marschgepäck 231
Reisen und Krieg 233
Kraft durch Freude 236
Wir fahren nach Berlin 240
Reichsautobahn 243
Straßenästhetik 246
Straßenlandschaft 248
Raum nehmen 251
Eigenes und Fremdes 254
Simulierte Normalität 257
Blindflug 262
Blitzed by Guidebook 265
Bomber's Baedeker 267
Schlütertee 271

Ende und Ausblick 275
Abstände 275
Schielen 277
Ausblick 279

Anmerkungen 287

Dank 321

Abbildungsnachweise 323
Quellen und Literatur 329
Monografien, Artikel und Aufsätze 329
Reisehandbücher, Panoramen,
illustrierte Reisebücher (nach Jahr) 349


Es ist nur eine kurze Reise - von Mainz nach Köln; 180 Kilometer weit, 378 Buchseiten lang. Autor der 1828 im Koblenzer Verlagshaus Röhling erschienenen Rheinreise von Mainz bis Köln ist der Koblenzer Gymnasiallehrer Johann August Klein. Es ist unwahrscheinlich, dass die Menschheit gerade auf dieses Buch gewartet hat, denn im Wesentlichen unterscheidet es sich kaum von anderen zeitgenössischen Abhandlungen über das Rheinland. Es mag etwas handlicher sein als Aloys Schreibers Anleitung auf die nützlichste und genußvollste Art den Rhein […] zu bereisen, doch seine Aufmachung ist bei weitem nicht so spektakulär wie Friedrich Wilhelm Delkeskamps Rheinpanorama von 1825. Auch sind die beigefügten Ansichten vom Mittelrhein nicht so pittoresk und farbenfroh wie die 1822 erschienen Kupferstiche in den Rheingegenden von Mainz bis Cöln des Malers Christian Georg Schütz. Eine Besonderheit weist das Buch allerdings auf: Im Innenumschlag trägt es den Titelzusatz Ein Handbuch für Schnellreisende - eine eilige Reaktion des Röhling-Verlags auf den seit 1827 stattfindenden Linienverkehr der Preußisch-Rheinischen Dampfschifffahrtgesellschaft. Wie eigentlich jede Rheinbeschreibung dieser Zeit verkauft sich das Buch außerordentlich gut. Das entgeht auch dem jungen Buchhändler Karl Baedeker nicht, der das Buch in seiner Sortimentsbuchhandlung am Koblenzer Paradeplatz führt. Als der Röhling-Verlag Konkurs anmeldet, kauft Baedeker 1832 die Rechte an dem Buch des inzwischen verstorbenen Johann August Klein und überarbeitet es für eine Neuauflage. Diese erscheint 1835 und bildet den Ausgangspunkt für eine der größten verlegerischen Erfolgsgeschichten im deutschsprachigen Raum.

Das Buch bildet gleichsam den Ausgangspunkt für diese Geschichte des Reiseführers, die man vieldeutig auch eine Reise nach Baedeker nennen kann. Natürlich handelt es sich bei der vorliegenden Studie um kein Reisehandbuch, dennoch beschreibt sie ein Unterwegssein - im Raum wie in der Zeit. Die Reise führt in die expandierenden europäischen Großstädte, in die Bergwelt der Alpen und durch vornehmlich deutsche Landschaften. Insbesondere durch die, wie es immer wieder heißt, schönste Landschaft von allen: das Rheinland. Gereist wird zu Fuß und mit der Pferdekutsche - vor allem aber mit den neuen Verkehrsmitteln des 19. Jahrhunderts, dem Dampfschiff und der Eisenbahn. Später werden Fahrräder und Automobile, ja sogar Luftschiffe und Flugzeuge bestiegen.
Gereist wird auch durch die Zeit. Die Reise beginnt am Vorabend des Tourismus und endet um 1945. Doch obwohl das Medium Reisehandbuch nach dem Zweiten Weltkrieg einen Aufschwung erlebt, ist die große Zeit des Baedekers, der für diese Mediengeschichte fast immer beispielgebend sein wird, nach 1945 abgelaufen. Der Mythos von der Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit des Buches ist nicht mehr glaubwürdig, der klassische bürgerliche Reisende gehört der Vergangenheit an.

Die Reise nach Baedeker muss, wenn sie auf die entscheidenden Fragen zum Reisehandbuch eine Antwort finden will, auch eine Reise durch beinahe zwei Jahrhunderte Kulturgeschichte sein. Man kann die Geschichte eines Mediums nur erzählen, wenn man sich den Aspekten zuwendet, die seinen Erfolg bedingen und tragen. Das können soziale oder politische Umstände sein, aber auch technische Errungenschaften, andere Medien im weitesten Sinne und natürlich die Menschen, die das Reisehandbuch benutzen.
Somit handelt es sich auch um eine Reise zu den Wünschen und Träumen der Menschen; der Menschen nämlich, die den Baedeker lesen, um sich von der Welt ein Bild zu machen, die - von der Kulturkritik verhöhnt - von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit hetzen, aber auch derjenigen, die den Baedeker zu Hause lesen, auf dem Sofa sitzend, von der Ferne träumend, wohlwissend, dass sie die vertraute Heimat nie verlassen werden. So oder so: Die Reise nach Baedeker ist eine Geschichte der Sehnsucht und der Seh-Sucht. Am Ende steht das Ziel, einem Medium näher zu kommen, seine Entwicklung zu verfolgen, sein Wesen zu konturieren und die Gründe für seinen Erfolg zu finden.

Ein solches Vorhaben kann nur gelingen, wenn es sich einschränkt. Damit ist nicht nur die bereits erwähnte Tatsache gemeint, dass diese Reiseführergeschichte mit dem Zweiten Weltkrieg enden wird. Sie bezieht sich auch vornehmlich auf die Reisehandbücher aus dem Baedeker-Verlag. Der Grund für die Wahl liegt nicht nur im unbestreitbaren bibliophilen Wert der roten Bücher und der Tatsache, dass es sich wohl um die berühmtesten Reisehandbücher überhaupt handelt, sondern vor allem in der bis heute andauernden lückenlosen Erscheinungsweise. Zudem liegen dieser Studie einige methodische Besonderheiten zugrunde, die im Folgenden kurz umrissen werden.


Susanne Müller, Dr. phil., lebt in Berlin und forscht als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Künste und Medien der Universität Potsdam. Neben der Kulturgeschichte des Reisens liegen ihre Forschungsschwerpunkte in der Mediengeschichte und Medienkultur des 19. und 20. Jahrhunderts.


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