Müller | Die große alte SPD darf nicht untergehen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 112 Seiten

Müller Die große alte SPD darf nicht untergehen


1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8192-8868-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

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ISBN: 978-3-8192-8868-5
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Der Politik- und Medienwissenschaftler Prof. Dr. Klaus-Dieter Müller ist seit 56 Jahren aktives Mitglied der SPD, war von 1996-2005 Abgeordneter im Schleswig-Holsteinischen Landtag, 25 Jahre Landesvorsitzender der AGS Arbeitsgemeinschaft Selbständige in der SPD in Schleswig-Holstein und 11 Jahre stellvertretender AGS- Bundesvorsitzender. Von 2004-2019 war der Professor an der Filmuniversität Babelsberg. Der Zustand dieser großen Volkspartei, die in Deutschland stets das soziale Korrektiv in der Politik war, ist in der schwersten Krise seit ihrer Gründung vor 162 Jahren. Zur Bundestagswahl 2025 erhielt die SPD insgesamt nur 16,41 Prozent der Zweitstimmen, also der Stimmen für die Partei. Nur 12 Prozent der 18-24Jährigen wählten sozialdemokratisch. Die SPD hat darüber hinaus keine 10 Prozent Mitglieder unter 35 Lebensjahren mehr. Müller nennt die Gründe für die mangelnde Akzeptanz der Volksparteien im Allgemeinen und der SPD im Besonderen, um sodann aufzuzeigen, was die SPD in den kommenden Jahren leisten muss, um ihrem Untergang zu entgehen.

Dr. Klaus-Dieter Müller, 1951 in Schleswig-Holstein geboren. Abitur an der Immanuel-Kant-Schule in Neumünster/Holstein. 1969 Mitglied der SPD, mit 23 Jahren Ratsherr der Stadt Neumünster. Ab 1971 Studium der Rechts- und Politischen Wissenschaften an der Universität Hamburg, Abschluss als Diplom-Politologe. Dr. phil., verliehen mit "magna cum laude" von der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg. 1996 bis 2005 Abgeordneter des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Stiftungsrat der Technologiestiftung des Landes Schleswig-Holstein, Professor für Medienpolitik und Entrepreneurship an der Filmuniversität Babelsberg von 2004-2019. 2010-2015 Vorsitzender des BIEM Brandenburgisches Institut für Entrepreneurship und Mittelstandsförderung e. V., dem Verbund der Lehrstühle und Gründungseinrichtungen aller Hochschulen und Universitäten des Landes Brandenburg, Medienunternehmer (DMD Deutsche Mediendienst GmbH, MPM Media Projekt-Management GmbH), Coach und Senior Consultant, Autor, Maler und Lyriker. Seit Januar 2020 ist Müller als politischer Kommentator für den Sender Radio Paradiso in Berlin tätig. Klaus-Dieter Müller hat zwei Töchter, zwei Enkelkinder, einen Urenkel, lebt und arbeitet in Berlin.
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Der Populismus und die Wähler/innen in den neuen Bundesländern


Kommen wir auf deutsche Probleme zurück. Deutschland fällt auseinander in überhitzte Boomregionen und den abgehängten Rest der Republik. Die wachsende Kluft zwischen Stadt und Land ist mit einer Reihe anderer zentraler Probleme verknüpft, wie der Umweltbelastung, Gesundheitsschäden, Zersiedelung der Landschaft hier und Lethargie und Desintegration dort. Menschen, die sich abgehängt fühlen, sind anfällig für politische Extreme. Wer Boomregionen entlastet und unterbevölkerte Regionen aufwertet, tut etwas für die Umwelt und stärkt die Demokratie.

In den vergangenen Jahren ist das Thema der Schaffung gleicher Lebensbedingungen in Deutschland verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, wobei allerdings der Eindruck zurückbleibt, dass die politische Brisanz noch nicht völlig erkannt ist. Denn neben beklagenswerten Problemen mit der Infrastruktur in den Dörfern Bayerns oder Niedersachsens spaltet sich Deutschland auch entlang der Linie Ost und West. Das eigentliche Politikum ist nicht nur die unausgewogene Infrastruktur, sondern die Abwanderung der Menschen.

Das Problem der regionalen Disparitäten ist unter zwei verschiedenen Aspekten zu diskutieren: Einerseits die unbestreitbare Tatsache, dass es überall in Deutschland Regionen und Orte gibt, die wirtschaftlich, strukturell und wohl auch kulturell gegenüber den Oberzentren zurückfallen; bei der Betrachtung dieses Umstandes findet man Verbündete auch im Westen. Und andererseits die sich vertiefende Spaltung zwischen West- und Ostdeutschland, vor allem, was die Bevölkerungsentwicklung betrifft. Es ist diese Spaltung als Langzeitfolge der deutschen Einheit, welche – wird sie nicht bald massiv bekämpft – Deutschland auf unabsehbare Zeit politisch prägen wird. Am Rande der Europawahlen im Mai 2019 wurde deutlich, dass (mit Ausnahme der Boomtown Leipzig) bei den Kommunalwahlen im Osten die AfD in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Die blühenden Landschaften sind entstanden – nur haben sie oft etwas Kulissenhaftes. Fährt man durch bestimmte Regionen Ostdeutschlands, so sieht man romantische Städte voller deutscher Kultur und Geschichte, es gibt einen oberen und einen unteren Marktplatz, in der Regel ein Schloss und häufig eine viel zu große Kirche, ja einen Dom. Der deutsche Föderalismus finanziert sogar ein kleines Theater und ein wenig besuchtes Museum. Es umfängt den Besucher sofort das Gefühl eines Deutschseins, wie man es aus Stuttgart, Düren oder gar Berlin schon lange nicht mehr kennt. Der Umstand, dass Ostdeutschland gefühlt deutscher ist als Westdeutschland, führt im Zusammenspiel mit anderen Faktoren zu dieser unsäglichen psychologischen Asymmetrie zwischen Ost und West, die sich auch parteipolitisch ausdrückt.

Stendal, Aschersleben, Naumburg, Wittenberg, Merseburg, Wurzen, Torgau, Löbau, Görlitz (um nur einige Beispiele zu nennen) sind städtebauliche Schönheiten in einer reizvollen Landschaft mit einer stolzen Vergangenheit und einer sehr ungewissen Zukunft. In den umliegenden Dörfern befremden die Behäbigkeit, Langeweile, Lethargie, Ruhe und Beschaulichkeit, die dort Platz greifen, aber auch Verarmung und Verwahrlosung. Die genannten Städte leben emotional von der Erinnerung an die Hanse, an die Reformation und das Wirken von Martin Luther vor fünfhundert Jahren, vom Bischofssitz vor tausend Jahren und manchmal von der Erinnerung an die Textilindustrie vor erst einhundert Jahren. Auf diesen Themen baut der Tourismus auf, dies ist das einzige endogene Potenzial.

In den wenigen Jahren der Treuhand wurde die fast völlige Deindustrialisierung Ostdeutschlands vorangetrieben. Es gab mehrere Phasen: Zuerst Offenheit, Improvisation und oft das völlige Chaos, dann die rücksichtslose Privatisierung im falschen Vertrauen auf einen fairen Markt und den Sieg des Prinzips Verkauf vor Sanierung, und schließlich den verspäteten Versuch, einige industrielle Kerne zu erhalten. Die Politik der westdeutschen Eliten, ein eigenständiges Potenzial in Ostdeutschland nicht zu fördern, ja das Land in die völlige Abhängigkeit westdeutscher Konzerne zu führen, hat ökonomische und vor allem psychologische Folgen bis heute.

Die Orte sterben aus, die Lokalpolitik kämpft vergeblich um junge Zuzügler. Diese Mischung aus Überalterung, Perspektivlosigkeit und einer auf die schön renovierte Heimat beschränkte Identität, bildet die Grundlage für die Erfolge der AfD. Wir sind dabei noch immer beim Thema Ausgleich regionaler Disparitäten und Bevölkerungsentwicklung. Man kann es so formulieren: Die verunsicherten Menschen in Sachsen möchten, dass die perfekt renovierten Marktplätze Wirklichkeit werden und nicht Kulissen in einem Prozess der Globalisierung bleiben, bei dem sie die Verlierer sind.

Man liest immer wieder tränenreiche Berichte von Altenpflegerinnen, die in München keine bezahlbare Wohnung finden und für den studierenden Sohn kein Zimmer. Warum zieht die Frau nicht nach Torgau oder Güstrow, wo sie sich die preiswerte Wohnung aussuchen und zu Fuß zur Arbeit gehen kann? Warum studiert der Sohn nicht in Magdeburg? Millionen Ostdeutsche sind den Weg in die „Fremde“ gegangen, und man findet dies durchaus normal. Die Verlierer der Geschichte zogen in das Land der Sieger und verstärkten dort die Wohnungsnot.

„Sachsen hat im Jahre 2024 erneut die Bevölkerungszahl des Jahres 1905. Ostdeutschland war immer ein Auswanderungsland. Vom Juli 1945 bis zum Juli 1990 sind ca. 4,6 Mio. Menschen aus der SBZ/DDR in die BRD zugewandert. Der frühen Fluchtwelle folgten Jahr für Jahr Hunderttausende als Übersiedler, dann als Flüchtlinge. Nach dem Fall der Mauer kam es zu einer völlig unkontrollierten Massenabwanderung, ca. 2,9 Mio. Menschen verließen die neuen Bundesländer Richtung Westen. Das entspricht immerhin der Einwohnerzahl des Landes Sachsen-Anhalt zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung. Aus ehemals industriellen Ballungszentren wie Chemnitz, Frankfurt/Oder, Halle-Merseburg wanderten zwanzig Prozent der Bevölkerung in den Westen ab. Im Zuge der Grenzöffnung 1989 begann die erste große Abwanderungswelle. Dabei entlud sich das über Jahrzehnte aufgestaute Migrationspotenzial zwischen den beiden deutschen Staaten. Ab 1998 nahm die Nettowanderung erneut signifikant zu; 1,2 Mio. Ostdeutsche zogen gen Westen.“ 21

Ein besonderes Problem ist die Abwanderung von Frauen. Vor allem periphere, ländliche Regionen verloren überdurchschnittlich viele jüngere Frauen auf der Suche nach neuer Arbeit. Ein solches geschlechtsspezifisches Wanderungsmuster ist eher ungewöhnlich und wurde verschiedentlich untersucht. Auch zeigten die Zahlen, dass vor allem jüngere Menschen auswanderten; wer alt und arbeitslos war, der blieb in der Region. Wo qualifizierte Kräfte das Land verlassen, sinkt das Bildungsniveau und wächst das Desintegrationsklima. Wo für die Einheimischen Arbeitsplätze fehlen, wächst zwangsläufig die Fremdenfeindlichkeit.

Die Abwanderung entspricht noch heute den Merkmalen jung, weiblich, gut ausgebildet, und wo sie abnimmt, hat dies einen einfachen Grund: Seit 2010 kommen die nach der Vereinigung in Ostdeutschland geborenen Generationen in das wanderungsaktive Alter. Diese Altersjahrgänge sind wegen des Geburtenbruchs jedoch um 50% kleiner als die davor lebenden Jahrgänge.

„In den nächsten zwanzig Jahren wird die Einwohnerzahl Ostdeutschlands noch stärker abnehmen als in den Jahrzehnten zuvor. Gemeinsam mit einer Verschiebung der Altersstruktur wächst die Diskrepanz zum Westen. Im Hinblick auf das Defizit an Frauen unterscheiden sich die ländlichen Regionen in Ostund Westdeutschland schon heute. In einigen Landkreisen liegt der Männerüberschuss bei den 18 – 20Jährigen bei 20%. Es handelt sich um eine sich selbstverstärkende Entwicklung, um eine demografisch-ökonomische Abwärtsspirale, die jahrzehntelang von der Politik als Thema gemieden wurde. 22

Wirtschaftsgeografisch kann man Deutschland zunächst in Großregionen gliedern und kommt zu der Erkenntnis, dass das Grundmuster der großräumigen Disparitäten seit der deutschen Einheit besteht aus einem äußerst stabilen, aber geringen Süd-Nord-Gefälle, überlagert von einem klaren und stabilen West-Ost-Gefälle. Zu einer anfänglich für möglich gehaltenen raschen und vollständigen Angleichung ist es nicht gekommen.

Die Möglichkeiten des Staates, auf diese Entwicklung Einfluss zu nehmen, sind begrenzt. Zu den wichtigsten Maßnahmen der direkten Steuerung zählen die EU-Regionalpolitik, die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und verschiedene Instrumente auf regionaler und kommunaler Ebene. In den vergangenen Jahrzehnten rückte der Produktionsfaktor Wissen in das Blickfeld von Wissenschaft und Politik. Wissen gilt als Triebkraft des Wirtschaftswachstums, und wissensintensive Dienstleistungs- und Industriebranchen gewinnen an gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Theoretisch hofft man auf eine von Basisinnovationen ausgelöste langfristige Entwicklung (lange Welle) (zum Beispiel Kunststoffe oder...



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