Müller | Der Tod kommt nach Zug | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Daniel Garvey

Müller Der Tod kommt nach Zug

Kriminalroman
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-98707-107-2
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Daniel Garvey

ISBN: 978-3-98707-107-2
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Ein düsterer Noir-Krimi, in dem der Regen alles wegspült. Auch die Moral.
Daniel Garvey wird in einer Zuger Villa verhaftet, in einer Blutlache kniend. Die Bewohner des Hauses, Vater, Mutter und Sohn, wurden regelrecht hingerichtet, und alle Umstände weisen auf Daniel als Täter hin. Er behauptet jedoch beharrlich, nichts mit dem Mehrfachmord zu tun zu haben. Ermittler Forster, der seine Dienstmarke und sein einstiges Leben los ist, versucht inmitten seiner Sinnkrise die Tat zu verstehen – und herauszufinden, was es mit dem Verschwinden der 17-jahrigen Tochter auf sich hat.

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2 Mit Blaulicht und Sirene schoss der silbergraue VW-Bus durch die Dreißigerzone an der Grabenstraße. Die Leute am Straßenrand gingen zur Seite, als ob die Scheibenwischer sie mit dem Wasser weggefegt hätten. An der nächsten Kreuzung zog Grübel den Wagen links in die Zugerbergstraße hoch und trat das Gaspedal voll durch. Der Motor heulte auf, die Beschleunigung aber blieb bescheiden, weil der Bus zu schwer war. Viel zu schwer, weil er alles mitführte, was Kriminaltechniker an Tatorten benötigten. Von Lampen für die Tatortbeleuchtung über Absperr- und Spurensicherungsmaterial, Fotoausrüstung, Polizeisiegel für Türen, die keiner öffnen sollte, und DNA-Stäbchen bis hin zu Formularen, die seinen Alltag dokumentierten und standardisierten. Den ganzen Karsumpel. Die paar Minuten Fahrt in die Quartierstraßen der Schönegg und des Bellevues kamen ihm überdehnt lange vor. Das lag vermutlich daran, dass der Bus die steile Zugerbergstraße hoch aus dem letzten Loch pfiff und der Regen ihm die Sicht nahm, obwohl die Scheibenwischer wie auf Koks wippten. Bei der Schönegg machte er die Sirene aus und fuhr durch den Bellevueweg hinunter bis dahin, wo zwischen ihm und der Gimenenstraße bloß noch eine einzelne kubische Villa mitten in der Landwirtschaftszone stand. Er fragte sich, wie es möglich sein konnte, dass wieder einmal einer mit Brieftasche mitten in die Wiese hatte bauen können, während sonst alle von Verdichten und Einzonungsstopp sprachen. Dieser hier hatte sich wohl eine Wildcard gekauft. Aber jetzt gab es Wichtigeres als Siedlungspolitik. Grübel hielt in der Einfahrt hinter dem Streifenwagen an, wagte sich in das Sauwetter hinaus, und der Regen lief ihm praktisch sofort über den Nacken bis hinunter in die Unterhose. Er sprintete am Streifenwagen vorbei und sah kurz zu der Gestalt, die auf dem Rücksitz saß und den Blick zu den Füßen richtete. Als er die vier Stufen zur Veranda an der Vordertür hocheilte, um unter das Vordach zu kommen, wartete bereits ein Uniformierter auf ihn. »Was kannst du mir zum Tatort sagen?« Benny Weiß klebte die Uniform am Bauchansatz, und er zog Grübel am Kragen zu sich her. »Pass auf, dass du nicht in das Erbrochene trittst.« Grübel sah hinter sich. Tatsächlich, er wäre beinahe in die Hinterlassenschaft getreten, die nach Frühstück aussah. Wenn er hätte wetten müssen, dann hätte er auf schwarzen Kaffee und Birchermüesli gesetzt. »Wer hat meinen Tatort verunstaltet?« »Immerhin ist dies bereits geklärt. Wir haben drinnen alles gesichert. Waren nur kurz drin. Ihn dort«, Weiß zeigte zum Streifenwagen, »haben wir verhaftet und bei allen, die sonst noch da waren, den Puls gesucht. Vergeblich.« Weiß zögerte. »Ja, und dann sind wir mit dem Verhafteten raus, und Kollege Fredi hat sein Frühstück wiedergekäut.« »Meine Güte, das ist doch nicht möglich. Ich kann mich nicht erinnern, dass in den letzten zwanzig Jahren an einem Tatort ein Kamerad erbrochen hat. Aber Fredi kriegt das ausgerechnet bei einem Tötungsdelikt hin, wo uns garantiert alle auf die Finger schauen.« Weiß deutete mit dem Kinn in Richtung der geschlossenen Haustür. »Du kannst sagen, was du willst, aber erst nachdem du es selbst gesehen hast. Vorher wäre ich an deiner Stelle schön still.« »Schlimm?« »Schlimmer.« »Soll heißen?« »Drei Opfer. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Ein Massaker ist das. Nur ein Monster ist zu so etwas fähig.« Weiß, eine Hand auf dem Pistolengriff ruhend, deutete zum Streifenwagen, wo die Gestalt noch immer reglos auf der Rückbank saß. »Er hat keine Anstalten gemacht, sich zu wehren oder wegzulaufen. Hat sich einfach so verhaften lassen, als ob er auf uns gewartet hätte. Immerhin wissen wir, wer er ist.« »War sicher wahnsinnig schwer, dies herauszubekommen«, gab Grübel mit zynischem Unterton zurück. »Den erkenne ich auch durch die verregnete Autoscheibe. Eine lila Kuh in der Stadtbahn zieht weniger Blicke auf sich, als er es tut.« Weiß legte sein Gesicht in Falten und referierte weiter, als ob er gerade eine Meisterleistung präsentieren wollte. »Ich kenne ihn aus der Zeitung. Er ist Nordire und heißt Garvey. Aber an seinen Vornamen kann ich mich nicht erinnern. Jedenfalls wohnt er hier in der Stadt und hat in den letzten Jahren die Schlagzeilen dominiert.« »Daniel. Er heißt Daniel Garvey. Wer kennt ihn nicht, den Mann, vor dem sogar die Mafia und die Irish Republican Army den Schwanz eingezogen haben? Außer wir täuschen uns beide, und er sieht ihm ähnlich.« »Nein, tun wir nicht. Er ist es. Seine Visage war ja nicht nur einmal in der Zeitung. Die Journalisten haben ihn förmlich gejagt und erst in Ruhe gelassen, nachdem sie die Story komplett ausgelutscht hatten. Und Forster hat nach dem Fall den Bettel hingeworfen.« Grübel kannte Forster besser als alle anderen und wusste, was geschehen war. Aber das spielte jetzt keine Rolle, denn sie hatten einen Tatort, und er war der Herr des Tatorts, bis er den anderen erlaubte, näher zu treten. Grübel sah in den grauen Himmel hoch und schüttelte den Kopf. Die Niederschläge ließen kein bisschen nach. Für seine Arbeit war Starkregen etwa so schlimm wie Feuer in der Sprengstofffabrik. Ausnahmslos jeder, der einen Tatort betrat, brachte etwas mit, und heute würde es in erster Linie Regenwasser sein. Eine ganze Menge Wasser. Das war zwar nicht so schlimm wie Bleiche, aber es war dennoch der Alptraum einer jeden Spurensicherung. Die Beweise schwammen ihm im eigentlichen Sinne davon. »Wo im Haus ist der Tatort?« »Rein und dann gleich nach links in die Küche. Wir haben das ganze Haus gesichert, aber dich interessiert in erster Linie der Flur hinter dieser Tür und dann gleich links die Küche. Du kannst es nicht übersehen.« Einige Minuten später stand Grübel im Spurenschutzanzug, mit Mundschutz und mit der Fotokamera mit Fisheye-Objektiv im Hauseingang. Die Haustür war zwar zu, aber selbst hier drin dominierte das Rauschen des Regens. Ansonsten war es still wie in einer Kirche. Der Unterschied zu Kirchen lag aber darin, dass dies ein entweihter Ort war, denn es roch nach ausgeschossenen Patronenhülsen und einer großen Menge Blut. Wer es einmal gerochen hat, braucht seine Augen nicht, um zu wissen, was ihn erwartet. Grübel stellte sich in den Türrahmen, der zur Küche führte. Er machte zuerst ein Übersichtsfoto und studierte erst dann den Raum detailliert und nach jenem Raster, das er für sich im Kopf auf jeden Tatort legte. Von links nach rechts und von oben nach unten. So hatte es sich bewährt. Der Raum war eine geräumige Wohnküche. Teure Bodenfliesen waren verlegt worden, denn auf jeder zweiten war der Medusenkopf dieses italienischen Modelabels eingraviert worden. Bloß der Name der Designerfirma wollte ihm nicht einfallen. Egal. Die Fenster reichten bis zum Boden, und die Wände der Küche waren schlicht weiß verputzt und jetzt rot gesprenkelt. Selbst an Küchendecke und Dampfabzug sah er Blut. Zwischen der linken Wand und der Küchenzeile stand ein Glastisch, und direkt bei der Küchenzeile lag ein Mann, das Gesicht auf den Fliesen und um ihn herum eine Blutlache, die kaum angetrocknet war. Anhand der grauen Haare und der Hautfalten am Handrücken tippte Grübel auf ü-sechzig. Das blaue Businesshemd mit weißem Kragen war besudelt und richtiggehend zerfetzt worden. Wie viele Schüsse ihn getroffen hatten, würden sie bald wissen, aber im Moment war die Anzahl egal. Das Ausmaß der Tat war auf einen Blick erkennbar. Grübel sah sich um, zählte rudimentär und kam auf über dreißig ausgeschossene Patronenhülsen, die über den Fliesenboden verteilt dalagen. Die einen Fliesen schienen sauber geblieben und hoffentlich geeignet für die Abnahme von Fingerabdrücken, die anderen ragten wie Eilande aus den Blutlachen der Opfer. Hinter dem Mann und der Kochinsel lugten die Beine einer Frau hervor, verhüllt in Strümpfen mit Ornamentmustern. Einer der Frauenfüße steckte in einem goldenen High Heel, der andere Schuh lag mit gebrochenem Absatz im Blut, das sich aus den Schusswunden des Mannes ergossen hatte. Weiß hatte nicht übertrieben. Dies hier war ein Massaker. Er kannte zwar die genaue Anzahl der Schusswunden noch nicht, aber er hatte noch nie zuvor so viele ausgeschossene Hülsen an einem Tatort liegen gesehen. Auf dem Schießstand sah es vor dem Aufräumen ähnlich aus. Rechts von der Küchenzeile lag ein junger Mann um die zwanzig. Um ihn herum war alles rot verschmiert, als ob er sich vor dem Sterben gewälzt hätte. Und von da führten die Spuren an Grübel vorbei aus der Küche und zur Haustür. Wer machte so etwas? Im Poloshirt des jungen Mannes, Brustbereich eher rechts, erkannte er drei Ein- oder Ausschusslöcher im Stoff. Was von beidem, würde sich noch zeigen. Voreilige Schlüsse gehörten nicht an einen Tatort, aber die Position, wie der junge Mann dalag, etwas weg von der Küchenzeile hin zur Tür gerichtet, auf dem Rücken, ließ erahnen, dass er deutlich abseits von den anderen Toten in der Küche gestanden hatte oder sich davon wegbewegt haben könnte. Vielleicht hatte der Jüngste sich aus der Küche verdrücken wollen, als die Schüsse fielen. Wie auch immer, der Täter hatte ihn trotzdem erwischt. Wenn seine Ahnung stimmte, wie das hier abgelaufen sein musste, dann hatte der junge Kerl die Projektile in den Rücken abgekriegt, und Grübel blickte auf die Austrittswunden in der Brust. Abwarten, was die Rechtsmedizin dazu zu sagen hatte. Das verschmierte Blut daneben ließ erahnen, dass jemand sich zu dem jungen Mann begeben und ihn umgedreht hatte. Dann war dieser Jemand mit den blutverschmierten...


Müller, Lorenz
Lorenz Müller, geboren 1977, lebt in Zug, Schweiz. Nach juristischen und forensischen Ausbildungen arbeitete er viele Jahre als Staatsanwalt und danach für eine Versicherung in der Betrugsbekämpfung. Im Herbst 2019 veröffentlichte er seinen Erstlingsroman »Endstation Gotthard« und schaffte auf Anhieb den Sprung in die Schweizer Taschenbuchcharts.
www.lorenzmueller.ch

Lorenz Müller, geboren 1977, lebt in Zug, Schweiz. Nach juristischen und forensischen Ausbildungen arbeitete er viele Jahre als Staatsanwalt und danach für eine Versicherung in der Betrugsbekämpfung. Im Herbst 2019 veröffentlichte er seinen Erstlingsroman »Endstation Gotthard« und schaffte auf Anhieb den Sprung in die Schweizer Taschenbuchcharts.
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