Müller | Das Rätsel des Pferdeamuletts | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 240 Seiten

Reihe: Das Rätsel des Pferdeamuletts

Müller Das Rätsel des Pferdeamuletts


1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-505-14322-9
Verlag: Schneiderbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, Band 1, 240 Seiten

Reihe: Das Rätsel des Pferdeamuletts

ISBN: 978-3-505-14322-9
Verlag: Schneiderbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Godje lebt nach dem Tod ihrer Eltern bei der von ihr nur liebevoll 'Nana' genannten Oma. An ihrem vierzehnten Geburtstag findet sie auf dem Treppenabsatz vorm Haus ein geheimnisvolles Geschenk ohne Absender. Das kleine Paket enthält ein seltsames Amulett mit einer Darstellung der keltischen Pferdegöttin Epona. Ohne zu wissen, was es mit dem Anhänger auf sich hat, trägt Godje ihn fortan als Glücksbringer mit sich herum. In den darauffolgenden Tagen passieren nun aber ungewöhnliche Dinge: Die Pferde vom Reiterhof in ihrer Straße reagieren plötzlich mit Neugierde und Zutrauchlichkeit auf sie und auch Godje selbst, die bislang eher mit den großen Tieren fremdelte, entdeckt auf einmal ein bisher nicht gekanntes Interesse an ihnen ...



Karin Müller ist mit 'Nordlicht' bei Schneiderbuch ein großer Bestseller gelungen. Darüber hinaus schreibt sie Tierratgeber, Kinder- und Jugendbücher. Sie wurde in Kitzingen am Main geboren, studierte an der Leuphana Universität Lüneburg und arbeitete viele Jahre als Radio- und Zeitungsredakteurin im Kulturressort. Heute lebt sie auf dem Land bei Hannover. Die besten Ideen hat sie am Gartenteich, auf Reisen oder wenn sie einem Pferd beim Grasen zuhört.

Müller Das Rätsel des Pferdeamuletts jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1. Silber, Zimt und Packpapier

Zehn Jahre und einen Tag später

»Happy birthday to you, happy birthday to you, happy birthday, liebe Godje, happy birthday, to youuuuuu!« Ein Funkenregen aus Wunderkerzen sprühte um Nanas Gesicht, als sie die Geburtstagstorte aus der Küche hereintrug. Vorsichtig stellte sie den Teller vor mir auf den Esstisch.

Ich hibbelte auf meinem Stuhl herum. Stillsitzen war noch nie eine meiner herausragendsten Fähigkeiten gewesen. Wie lange sollte ich mir denn noch die Augen zuhalten? Das war verflixt schwer! Heimlich linste ich ein drittes oder viertes Mal durch meine Finger. Ganz kurz nur.

Der Tisch war überladen mit bunt eingepackten Geschenken. Jedes einzelne war liebevoll mit Schleifchen, Glitzer oder Aufklebern verziert. Unsere beiden Frühstücksgedecke fanden kaum Platz inmitten der vielen Päckchen, und einen farbenfrohen Blumenstrauß hatte ich auch schon entdeckt.

Meine Nana rückte mit einer knappen, zärtlichen Handbewegung das Foto zurecht, das wie immer zwischen den beiden Tellern am Kopfende stand. Ich biss mir auf die Unterlippe.

Ihre Finger ruhten einen Moment auf dem Silberrahmen. Dann atmete sie aus und wendete sich mir zu.

Schnell schloss ich den Spalt zwischen meinen Fingern.

»Alles Gute zum Vierzehnten, mein Engel«, rief sie und wischte sich die Hände an der Küchenschürze ab. »Augen auf!«

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich blinzelte bühnenreif und ließ meinen Blick über das Geburtstagsbüfett und die Funken sprühende Torte schweifen. »Wow! Danke, Nana!« Endlich aus meiner erzwungenen Ruhe befreit, sprang ich auf und schlang meine Arme um ihre weichen Schultern. »Du bist die allerbeste Oma auf der ganzen Welt.«

Nana drückte mich schmunzelnd an sich. »Na, das will ich doch hoffen. Schließlich ist das mein Lieblingsjob.«

»Ach was, ich bin nur ein Job für dich?« Ich wand mich aus der Umarmung und grinste meine Großmutter an. Für ihr Alter hatte sie einen ziemlich festen Griff.

Nana lächelte zurück. »Immerhin machst du inzwischen nicht mehr ganz so viel Arbeit wie früher.«

»So, so!« Spielerisch drohend zog ich die Augenbrauen zusammen und bewegte den Zeigefinger vor Nanas Gesicht hin und her. Die Sache mit dem Job war ein Running Gag zwischen uns, weil sie für die Vormundschaft ein wenig Geld bekam: Zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel, pflegte sie zu sagen.

Nana schüttelte den Kopf. »Du bist meine Berufung und mein größter Schatz.« Lachend packte sie mich an den Ohren und schmatzte mir einen Kuss auf die Stirn.

»Schon besser!«, antwortete ich und feixte. Dann drehte ich mich zum Tisch. Die Päckchen zogen mich magisch an, und Hunger hatte ich auch. »Lass mich raten – die gleiche Prozedur wie letztes Jahr? Nur ein Geschenk vor der Schule …?«

»Die gleiche Prozedur wie in jedem Jahr!«, bestätigte Nana. »Nur ein Geschenk! Aber bevor du es öffnest, puste zuallererst die Kerzen aus.« Sie zeigte auf die Torte, auf der die Wunderkerzen inzwischen längst verglimmt waren. Aber vierzehn schmale Kerzen genügten, um langsam die Sahne zum Schmelzen zu bringen.

Ich gehorchte.

Für einen Moment schloss ich die Augen und sammelte mich. Ich wusste genau, was ich mir wünschte, auch wenn dieser Wunsch niemals in Erfüllung gehen konnte. Es war mein eigenes kleines Geburtstagsritual. Dann holte ich tief Luft und blies mit aller Kraft.

Ein Licht nach dem anderen verlosch. Vierzehn dünne Rauchfäden waberten gemächlich Richtung Zimmerdecke, während ich versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Ich sollte dringend mit Sport anfangen.

»Bravo!«, lobte meine Großmutter und lud mir ein Riesenstück Marzipantorte auf den Teller. »Was hast du dir gewünscht?«

»Das darf man doch nicht verraten, Nana! Das weißt du genau.« Ich zwinkerte ihr zu, stopfte mir einen Riesenhappen Sahnecreme mit Biskuit in den Mund und schielte kauend zu den Päckchen. »Welbffeff bffoll ibff bemm –?« Schnell schob ich noch eine Gabel voll Kuchen hinterher und spülte mit einem Schluck heißer Zimtschokolade nach. Blöde Schule. Zumindest an Geburtstagen sollte man vom Unterricht befreit werden.

Nana tippte wie nebenbei mit der Fingerspitze auf eine kleine türkisfarbene Schachtel mit goldenem Kräuselband. Also streckte ich brav die Hand danach aus. »Na gut. Wenn du meinst?!«

Mit fliegenden Fingern zupfte ich am Knoten herum. Dabei fiel mein Blick aufs Ziffernblatt meiner zerkratzten Armbanduhr. Mir blieb nicht mehr viel Zeit.

Vielleicht war in diesem Päckchen ja die lang ersehnte neue Uhr drin? Die mit dem schicken Lederarmband, die wir neulich im Schaufenster in der Fußgängerzone in der Stadt gesehen hatten? »Verflixt, ich muss gleich los. Sonst verpasse ich den Bus … na hopp, geh schon auf!«

Endlich gab das Band nach. Ich ratschte das Papier weg und hielt ein weiteres Schächtelchen in der Hand. Langsam klappte ich den Deckel zurück.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie meine Großmutter die Hand auf ihr Dekolleté legte. Das tat sie immer, wenn sie nervös war.

»Was ist das?«, fragte ich leise und kaute auf meiner Lippe herum. Ich wagte kaum, den flachen silbernen Gegenstand zu berühren. Kunstvolle Ornamente waren in das kleine Oval graviert. Behutsam strich ich mit der Fingerkuppe über die Struktur.

»Das ist ein Familienerbstück«, flüsterte Nana und räusperte sich. »Man kann es öffnen. Ich bin mir sicher, deine Mutter hätte gewollt, dass du es heute bekommst. Es ist also eher ein Geschenk deiner Eltern als von mir. Ein kleiner Bilderrahmen, den du dir umhängen kannst.«

Was sie nicht aussprechen musste, weil es uns beiden schmerzlich bewusst war, war die Tatsache, dass wir beide heute eigentlich unser Zehnjähriges hatten.

Ich nickte stumm. Was hätte ich dazu auch sagen sollen. Meine Eltern waren seit zehn Jahren tot, auf den Tag genau. In den ersten Jahren danach hatte ich mich überhaupt nicht mehr auf meinen Geburtstag freuen können – bis Nana beschloss, dass wir ihn künftig und bis in alle Ewigkeit um einen Tag nach hinten verschieben würden, auf den 19. Dezember. Seitdem gingen wir an meinem ursprünglichen Geburtstag erst auf den Friedhof und dann in die Kirche. Dort zündeten wir eine Kerze an – und tags darauf feierten wir das Leben, mein zweites Leben bei Nana, wie sie sagte. Jedes Jahr mit einer Kerze mehr auf der weltbesten selbst gebackenen Torte. Mit extraviel Marzipan, nach Bourbonvanille schmeckender Sahne und hausgemachter Himbeermarmelade. Das fühlte sich wunderbar an und schmeckte auch so. Vor allem, wenn es dazu heiße Schokolade mit einer Prise Zimt gab – mein absolutes Lieblingsgetränk.

In Zeitlupe nahm ich das kleine Oval von seinem samtigen Polster und drehte es zwischen meinen Fingern hin und her. Es wirkte beinahe wie ein kleines Buch an einer silbernen Kette, es fühlte sich kühl an, und ein leichter Schauer rieselte mir über den Nacken. An der Seite fand ich ein winziges Häkchen. Hier konnte man den Verschluss entriegeln. Unsicher sah ich zu Nana. Sie nickte mir aufmunternd zu. Ihre Augen schimmerten verdächtig.

Der Mechanismus klemmte ein wenig. Im Gegensatz zum Rest des Schmuckstücks wirkte er neu, vielleicht war das Medaillon an dieser Stelle einmal repariert worden. Ich hielt die Luft an und vergaß sogar, meine armen Lippen zu zerbeißen. Meine Eltern blickten mich an. In Farbe. Mein Vater Fergus links, meine Mutter Chloe rechts, auf den Innenseiten der silbernen Ovale. Gänsehaut pur. Sie schauten mich fröhlich an. Gut gelaunt. Freundlich. Und fremd. Da war eine gewisse Distanz. Die aber natürlich nicht mir galt, sondern einem unbekannten Fotografen. Ich starrte in die Gesichter, als könnten sie mir Antworten auf all meine Fragen geben. Eine Sekunde lang. Was war damals passiert? Warum habt ihr mich allein gelassen? Und warum tragen wir alle so komische Namen? Zwei Sekunden. Dann klappte ich das Medaillon entschlossen zu. Ich fühlte Nanas Blick auf mir. Die Erinnerung ehren und lebendig halten, aber niemals in der Vergangenheit herumstochern, das war ihr Credo, mit dem ich aufgewachsen war. Darum sprachen wir auch nie mehr darüber, was damals genau passiert war. Sie schien auf etwas zu warten.

»Das ist … das ist … Danke!«, stammelte ich und flüchtete in Nanas Umarmung.

»Gefällt’s dir?«, fragte sie leise und strich mir über den Kopf. Ihre Hand zitterte leicht. »Du bist jetzt vierzehn, und da deine Eltern …« Sie brach ab. »Du kannst es auf deinen Nachttisch stellen … oder auf deinen Schreibtisch. Oder dir umhängen. Ganz wie du magst. Sie haben es für dich richten lassen. Damals. Kurz bevor …«

Ich nickte. Wir wollten nicht weiter darüber reden. »Legst du’s mir um?«

Nana hielt mir schweigend ihre geöffnete Hand hin, und ich ließ den Anhänger hineingleiten, drehte mich und schob mir dabei die verwuschelten Haare aus dem Nacken. Ich wusste noch nicht, wie ich das Gefühl des kühlen Silbers auf meiner Haut fand. Ich zuckte kurz, und mein Herz klopfte, doch Nanas Hand auf meiner Schulter bildete einen seltsam beruhigenden Kontrast. Ich tastete danach, und ihre Finger hielten meine umschlossen. Warm und gut. Ich atmete tief durch.

Unsere alte Küchenuhr schlug halb. Erschrocken machte ich mich los. »Verflixt, ich muss zum Bus!« Bedauernd schielte ich zu meinem halb leer gegessenen Kuchenteller und spurtete los.

Meine Schultasche wartete bereits neben den Stiefeln im Flur. Eilig klemmte ich mir die Jacke unter den einen und den Rucksack über den anderen Arm. Ich...


Karin Müller ist mit "Nordlicht" bei Schneiderbuch ein großer Bestseller gelungen. Darüber hinaus schreibt sie erfolgreiche Tier-Ratgeber, Kinder- und Jugendbücher. Sie wurde in Kitzingen am Main geboren, studierte an der Leuphana Universität Lüneburg und arbeitete viele Jahre als Radio- und Zeitungsredakteurin im Kulturressort. Heute lebt sie auf dem Land bei Hannover. Die besten Ideen hat sie am Gartenteich, auf Reisen oder wenn sie einem Pferd beim Grasen zuhört.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.