Müller / Damberg / Holzem | Ausbildung zur Gemeindehelferin | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 460 Seiten

Müller / Damberg / Holzem Ausbildung zur Gemeindehelferin

Das Seminar für kirchlichen Frauendienst im Burckhardthaus e. V. 1926-1971

E-Book, Deutsch, 460 Seiten

ISBN: 978-3-17-026300-0
Verlag: Kohlhammer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Im Bereich der EKD leisteten im 20. Jahrhundert ca. 11 000 Gemeindehelferinnen ihren Dienst in evangelischen Kirchengemeinden und haben das Gesicht des Protestantismus nicht unerheblich geprägt. Als "Avantgarde der Kirche" bezeichnete man die Amtsträgerinnen in den 1920er Jahren. Ende der 1950er Jahre war das Seminar des Burckhardthauses die größte Ausbildungsstätte für Gemeindehelferinnen in der BRD. Die Untersuchung folgt drei Zielen: Sie zeichnet Aufstieg und Niedergang eines wichtigen protestantischen Frauenberufes nach, sie stellt die Gemeindehelferinnenausbildung im "Seminar für kirchlichen Frauendienst" des Burckhardthauses in Berlin und Gelnhausen dar und sie ordnet dabei die Geschichte des ehemals größten weiblichen Jugendverbandes innerhalb der deutschen evangelischen Kirche in die konfessionellen und gesellschaftlichen Zusammenhänge des vergangenen Jahrhunderts ein.
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1 Einführung
1.1 Forschungsgegenstand und -ziele
1.1.1 Forschungsgegenstand
Die folgende Untersuchung trägt den Titel ‚Ausbildung zur Gemeindehelferin – Das Seminar für kirchlichen Frauendienst im Burckhardthaus e.V. (1926–1971)‘. Den maßgeblichen Forschungsgegenstand stellt das Seminar für kirchlichen Frauendienst im Rahmen des Burckhardthaus-Verbandes dar. Der Burckhardthaus-Verband war bis zum Jahr 2012 ein evangelisches Fort- und Weiterbildungsinstitut für Jugend-, Kultur- und Sozialarbeit, das sich zum Teil in freier Trägerschaft und zum Teil in Trägerschaft der EKD mit Sitz in Gelnhausen befand.2 Gegründet wurde das Institut im Jahr 1893 in Berlin als ‚Vorstände-Verband der evangelischen Jungfrauenvereine Deutschlands‘3 durch Pfarrer Johannes Burckhardt (1853–1914) mit der Absicht, das heterogene Spektrum der bereits existierenden protestantischen Jungfrauenvereine zu vernetzen, ihre Arbeit zu verfachlichen und damit einen Beitrag zu einer präventiven weiblichen Jugendpflege/-fürsorge zu leisten. Ziel war einerseits die Bildung ‚christlicher Persönlichkeiten‘, die man befähigen wollte, den ‚sittlichen Gefährdungen‘ des hoch industrialisierten Kaiserreiches zu widerstehen. Andererseits wies Burckhardt vor allem den jungen Frauen des Bürgertums eine wichtige Funktion für den Gemeindeaufbau in den explodierenden Kirchengemeinden der Großstädte zu und stellte den Verband damit von Anfang an in die Nähe der verfassten Kirche.4 Diese doppelte Zielsetzung spiegelte sich auch in den Verbandsgremien wider: Getragen von Persönlichkeiten aus Kirche und Innerer Mission und beeinflusst von der Jugendbewegung, entwickelte sich der Verband in den folgenden Jahrzehnten zum einflussreichsten evangelischen Jugendverband für junge Mädchen und Frauen in Deutschland. Im Jahr 1932 zählte er ca. 304.000 Mitglieder. Im Zusammenhang mit den Bemühungen um eine Verfachlichung der Vereinsarbeit stellte die Ausbildung von ehrenamtlichen Kräften zur Leitung der Jungfrauenvereine, aber auch von sogenannten ‚Berufsarbeiterinnen‘, die ihre Arbeit sowohl in den unterschiedlichen Arbeitszweigen des Verbandes als auch im gesamten Bereich der Inneren Mission verrichteten, von Anfang an einen wichtigen Schwerpunkt des Verbandes dar. Im Jahr 1908 beteiligte man sich an der Gründung der Sozialen Frauenschule der Inneren Mission in Berlin, um den Ausbildungswegen für die Soziale Arbeit in den nicht konfessionellen Frauenschulen eine explizit protestantische Institution entgegenzustellen.5 Im Oktober 1926 wurde schließlich im Obergeschoss des 1914 bezogenen Bundeshauses (Burckhardthaus) die ‚Bibel- und Jugendführerschule‘ eröffnet. Die Schule sollte junge Frauen speziell für die Arbeit in Jugendvereinen bzw. deren Dachverbänden, aber auch für den Bereich der Gemeindepflege zur Entlastung des Pfarramtes (Gemeindehelferinnen) ausbilden. Die Leitung der Schule teilten sich der Pfarrer und ehemalige Verbandsvorsitzende Wilhelm Thiele (1863–1930) und die Theologin Anna Paulsen (1893–1981).6 Die Ausbildung dauerte zunächst ein Jahr und war offen für Frauen, die mindestens das Lyzeum abgeschlossen hatten. Das Curriculum trug anfangs sehr akademische Züge und orientierte sich am theologischen Studium. Entsprechend der „Erneuerung des Bibellesens“7, die sich nach dem Ersten Weltkrieg in den meisten protestantischen Jugendverbänden vollzog, bildete die Qualifizierung zur Bibelarbeit mit Mädchen und Frauen den Schwerpunkt der Ausbildung.8 Ein Charakteristikum der Bibelschule des Burckhardthauses stellte dabei von Anfang an – im Gegensatz beispielsweise zur 1924 eröffneten Ausbildungsstätte des ‚Bundes deutscher Mädchenbibelkreise‘ (MBK) – die Offenheit für die historisch-kritische Methode im Bereich der Bibelauslegung dar. Die ersten Jahre der Schule waren zudem geprägt von Bemühungen um eine kirchliche Anerkennung der Ausbildung, die mit dem Entwurf einer ‚Prüfungsordnung für berufsmäßige kirchliche Gemeindehelferinnen‘ des EOK der APU im Jahr 1932 einen vorläufigen Abschluss fanden. Bereits im Jahr 1929 wurde die Schule umbenannt in ‚Seminar für kirchlichen Frauendienst – Bibelschule des Burckhardthauses‘ und legte somit formal und inhaltlich einen etwas stärkeren Akzent auf die Ausbildung für die Gemeindearbeit. Diese Ausrichtung verstärkte sich noch in der Zeit des Nationalsozialismus. Wie die gesamte evangelische Jugendarbeit fiel auch der ‚Evangelische Reichsverband weiblicher Jugend‘ unter den Eingliederungsvertrag vom 19. Dezember 1933 und musste sein Mitgliedschaftsprinzip aufgeben. Dem damaligen Vorsitzenden Otto Riethmüller (1889–1938)9 und seinem wegweisenden Konzept von evangelischer Jugendarbeit auf Basis der Kirchengemeinde ist es zu verdanken, dass sich der Verband nach dem Prinzip ‚Einordnung‘ und ‚Eigenständigkeit‘ an die Bekennende Kirche anschloss und bald die Funktion einer Arbeitszentrale für die evangelische weibliche Jugendarbeit übernahm.10 Der Bibelschule, die über die gesamte Zeit des Dritten Reiches hinweg weiter existierte, fiel dabei die Aufgabe zu, für die katechetische Arbeit, aber auch die Verkündigung an Mädchen und Frauen in den Kirchengemeinden auszubilden. Die Ausbildung wurde wie der gesamte Jugendverband verkirchlicht. Im Bereich der inhaltlichen Konzeption kann man für die Dreißigerjahre sogar von einer Blüte der theologischen Arbeit im Seminar sprechen. Prominente Theologen, denen wegen ihres kirchenpolitischen Engagements der Weg in die Wissenschaft und in manche Pfarrstelle versperrt blieb, wie Claus Westermann (1909–2000), Helmut Gollwitzer (1908–1993), aber auch der Direktor des Verbandes und spätere Hamburger Landesbischof Volkmar Herntrich (1908–1958) beteiligten sich am Unterricht und verpflichteten das Seminar auf die Wort-Gottes-Theologie eines Karl Barth, die auch in der Nachkriegszeit prägend bleiben sollte.11 Für die im Burckhardthaus ausgebildeten Gemeindehelferinnen bedeutete die ‚Verkirchlichung‘ von Verband und Seminar eine Aufwertung des Berufes, obwohl es zur Zeit des Nationalsozialismus zu keiner weiteren Professionalisierung zumindest in Form von Berufs- oder Ausbildungsordnungen kam. Vor allem in der Zeit des Zweiten Weltkrieges entwickelten sie sich zu Trägerinnen der gesamten Gemeindearbeit, inklusive der öffentlichen Wortverkündigung. Auch nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur behielt der Verband das bekenntniskirchliche Konzept von Eigenständigkeit und Einordnung in Bezug auf die verfasste Kirche aufrecht – in der SBZ bzw. der DDR gezwungenermaßen, in der BRD freiwillig. Ein Mitgliedschaftsprinzip wurde nicht mehr eingeführt, und der inhaltliche Schwerpunkt der konzeptionellen und personellen Unterstützung der kirchengemeindlichen Jugendarbeit blieb im Großen und Ganzen bestehen. Die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Besatzungszonen – im Westen nahm man beispielsweise die Jugendsozialarbeit in Form von Flüchtlings- und Gildenarbeit ein Stück weit wieder auf – führten in der unmittelbaren Nachkriegszeit dazu, dass sich die Verbandszentrale institutionell, personell und geografisch einem Trennungsprozess unterzog, der 1951/52 in der Eröffnung von zwei neuen Standorten in Ost-Berlin (Bernauer Straße) und Gelnhausen/Hessen gipfelte. Gerade durch die endgültige Aufgabe des Vereinsprinzips kam den Bibelschulen nun allerdings eine noch wichtigere, identitätsstiftende Funktion für den Jugendverband zu. Die im Burckhardthaus ausgebildeten Gemeindehelferinnen wirkten als Multiplikatorinnen für den Verband und trugen die Tradition des Hauses in die Kirchengemeinden. Bereits am 9. Juli 1945 nahm man – nach einer kriegsbedingten Auslagerung der Schule nach Lobetal/Brandenburg (1943–1945) – den Seminarbetrieb im Burckhardthaus in Dahlem wieder auf. Im Oktober 1945 fand man daneben eine Lösung für die Schülerinnen aus den westlichen Besatzungsgebieten, denen es nicht möglich war, den Unterricht im geteilten Berlin zu besuchen. Das Gemeindehelferinnenseminar wurde in Hanerau-Hademarschen/Schleswig-Holstein wiedereröffnet. Die Leitung übernahm nun bis 1971 Vikarin Ilse Ultsch (1906–2013). Sowohl die Zeit in Lobetal als auch jene in Hanerau waren einerseits von einer starken inhaltlichen Einschränkung des Lehrplans und großer materieller Not, andererseits von einem intensiven geistlichen, fast kommunitären Zusammenleben der Schülerinnen geprägt, welches die Berufsmentalität der Absolventinnen nachhaltig prägte. 1952 zog das Seminar-West in die neue Zentrale nach Gelnhausen, und auch die Bibelschule in Dahlem, die nun hauptsächlich Frauen aus der SBZ ausbildete, verlagerte ihren Sitz in die Bernauer Straße in den Berliner Osten. Institutionsgeschichtlich erreichten sowohl die Arbeit des Burckhardthaus-Verbandes als auch die Ausbildung zur ‚Evangelischen Gemeindehelferin‘ in den Fünfzigerjahren einen letzten Höhepunkt. Dies spiegelt sich u.a. in der großen Zahl der Schulneugründungen und einer weitgehenden Professionalisierung des Berufes auch auf gesamtkirchlicher Ebene wider. Mit den ‚Richtlinien zur Ordnung des Dienstes der Gemeindehelferin‘ der EKD vom 24. Juni 1954 wurde der Dienst der Gemeindehelferinnen erstmals rechtsverbindlich geregelt.12 Ein Rahmenlehrplan trug zur Vereinheitlichung der Ausbildung in den Seminaren unterschiedlicher theologischer Prägung bei, beraubte sie aber nicht ihrer Eigenständigkeit. Die Ausbildung in Gelnhausen wurde 1958 aufgrund des Rahmenlehrplans, aber auch, weil man den neuen Arbeitsfeldern des Gesamtverbandes Rechnung trug und das Curriculum um sozial- und...


Dr. des. Rebecca Müller ist Pfarrerin in Bad Homburg.


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