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E-Book, Deutsch, Band 35, 312 Seiten
Reihe: edition pace
Mühsam / Bürger Jedoch der Mut ist mein Genosse
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8192-4015-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Texte über Kampf und Revolution
E-Book, Deutsch, Band 35, 312 Seiten
Reihe: edition pace
ISBN: 978-3-8192-4015-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Erich Kurt Mühsam (geboren am 6. April 1878 in Berlin; ermordet am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg): Anarchist, Dichter, Publizist und Antimilitarist. "Als Sohn eines jüdischen Apothekerehepaars in Berlin geboren, betätigte sich Erich Mühsam ab 1901 als freier Schriftsteller und Literat" (anarchismus.at). "Als politischer Aktivist war er 1919 maßgeblich an der Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt, wofür er zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt wurde, aus der er nach 5 Jahren im Rahmen einer Amnestie freikam. In der Weimarer Republik setzte er sich vorübergehend in der Roten Hilfe für die Freilassung politischer Gefangener ein. Seine politische Heimat fand er seit Mitte der 1920er Jahre in der 'Anarchistischen Vereinigung'. - In der Nacht des Reichstagsbrandes wurde er von Nationalsozialisten verhaftet, und am 10. Juli 1934 wurde er von der SS-Wachmannschaft des KZ Oranienburg ermordet" (wikipedia.org; 15.05.2025). Mühsam war befreundet u.a. mit Gustav Landauer (ermordet 1919), Heinrich Mann, Frank Wedekind und Lion Feuchtwanger. Er gab die Zeitschriften "Kain" (1911-1914, 1918/19) und "Fanal" (1926-1931) heraus. Seine streitbaren Texte wider Militarismus und Krieg, zusammengeführt im Lesebuch "Das große Morden" finden sich in Lyrik-Bänden, den politischen Essays, Tagebuchaufzeichnungen, der Schrift "Abrechnung" (1916/17) und dem unvollendeten Roman "Ein Mann des Volkes" (1921-1923).
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Antimilitarismus und revolutionärer Militarismus?
Vorbemerkungen des Herausgebers
„Ich weiß von allem Leid, fühl alle Scham
und möchte helfen aller Kreatur.
Der Liebe such ich aus dem Haß die Spur,
dem Menschenglück den Weg aus Not und Gram.“
„Des Feinds vergiftete Geschosse
umschwirren meine Seele wild.
Jedoch der Mut ist mein Genosse,
und meine Liebe ist mein Schild.“
(ERICH MÜHSAM, 1914: ?S. 40 und 41)
In dem hier fortgeführten „Regal: Pazifisten & Antimilitaristen aus jüdischen Familien“ liegt bereits ein Band „Das Große Morden“1 vor – mit kraftvollen Voten gegen Militarismus und Krieg aus der Feder von Erich Mühsam (1878-1934, ermordet im KZ). Das Aufbegehren betrachtete er als seine Berufung. In einem Selbstzeugnis des Jahres 1919 heißt es: „Mein Werdegang und meine Lebenstätigkeit wurden bestimmt von dem Widerstand, den ich von Kindheit an den Einflüssen entgegensetzte, die sich mir in Erziehung und Entwicklung im privaten und gesellschaftlichen Leben aufzudrängen suchten. […] Die Bekämpfung des Staates in seinen wesentlichen Erscheinungsformen, Kapitalismus, Imperialismus, Militarismus, Klassenherrschaft, Zweckjustiz und Unterdrückung in jeder Gestalt, war und ist der Impuls meines öffentlichen Wirkens. […] Selbstverständlich fand mich die Revolution von der ersten Stunde aktiv auf dem Posten … Mitglied des Revolutionären Arbeiterrats … Kampf gegen die Konzessionspolitik Kurt Eisners … Teilnahme an der Ausrufung der bayerischen Räterepublik … Standgericht: fünfzehn Jahre Festung …“ (?S. 24-25).
Die anfängliche Nähe dieses anarchistischen Schriftstellers zu Tolstois Haltung2 in der ‚Gewaltfrage‘ wandelte sich im Zuge von Weltkriegsverlauf, Münchener Revolution und Tuchfühlung mit dem ‚Spartakusprogramm‘ (mit nachfolgender Phase einer sehr engen Zusammenarbeit mit Vertretern der KPD). Schließlich wünschte Mühsam, dass die Beherrschten ihre Waffen gegen jene richten, die ihnen das Kriegshandwerk aufgedrungen haben:
„… Wir lernten in den Tod zu geh’n,
Nicht achtend unser Blut.
Und wenn sich einst die Waffe kehrt
Auf die, die uns den Kampf gelehrt,
Sie werden uns nicht feige sehn,
Ihr Unterricht war gut.“ (1916: ?S. 90)
„Sie saßen da in Prunk und Pracht
mit vollgestopftem Magen
und zwangen uns, für ihre Macht
einander totzuschlagen. …
Wir haben nur die Faust erhoben,
da ist der ganze Spuk zerstoben.“ (1918: ?S. 54)
„Noch nicht genug mit dem, was wir erschwitzen:
Der Reiche schickt auf Raub uns in die Welt,
Läßt uns Gewehre laden und Haubitzen
Und bückt sich nicht, wenn unsereiner fällt.
Er lehrte uns bedienen
Des Krieges Mordmaschinen.
Jetzt üben wirs für unsrer Kinder Brot!
Ihr Proletarier, folgt der Fahne rot!“ (1920: ?S. 86)
Unter revolutionärem Vorzeichen – d. h. auch im Zusammenhang der erfahrenen Gewalt- und Mordexzesse der rechten Soldateska – entstanden viele neue Lieder für den bewaffneten Widerstand. Falls es bei Mühsam in der Folgezeit ein Begehren nach Dichterruhm gab, so wurzelte es in dem Wunsch, wenigstens einige seiner Verse möchten bei jungen Kräften der Revolution den Kampf beflügeln:
Wirft mich literarischer Troß zum rostigen Eisen –
ich hab euch entflammt, und so trotz ich der kritischen Säure,
Genossen der Zukunft!
Ihr Jugend! Ihr Jüngsten! Euch blas ich zum Sturme die Weise –
so bleib ich der Eure! (1919: ?S. 57)
„Doch, blieb aus meinem Freiheitsruf ein Reim,
ein einziger, lebendig bei Rebellen –
gelang ein Wort mir, Dumpfheit zu erhellen,
so kehr mein Name gern zum Lethe heim.
Denn: färbt ein weißes Blütenblatt sich rot
vom Blute meiner Leidenschaft –
ein einziges auf dem Feld, wo junge Kraft
den Sieg erkämpfen soll –, so ist mein Werk nicht tot!“
(1928: ?S. 30-31)
Damit ein vollständigeres Bild vermittelt werden kann, enthält die vorliegende Sammlung – ergänzend zum oben genannten Lesebuch „Das große Morden“ – vor allem auch solche Texte über Kampf und Revolution, in denen sich die Entfernung vom Pazifismus niedergeschlagen hat: Politische Lyrik (Auswahl | Gedichte 1904 – 1928); „Kampf-, Marsch- und Spottlieder“ (Druck im Jahr 1925); „Von Eisner bis Leviné“ (Rechenschaftsbericht über die Revolutionsereignisse in München, 1920 verfasst „zur Aufklärung an die Schöpfer der russischen Sowjetrepublik zu Händen des Genossen Lenin“3); „Mein Gegner Kurt Eisner“ (1929); „Lügen um Landauer“ (1929).
Zeitlich nachfolgende Zeugnisse der letzten Lebensjahre werden nicht mehr herangezogen. Zumindest genannt sei Mühsam letzte Schrift „Befreiung der Gesellschaft vom Staat“ (1932). Darin verteidigt der anarchistische Schriftsteller die tötende Gewalt aus politischer Überzeugung – als Handlungsmöglichkeit des Individuums (!) ausdrücklich gegenüber der ‚orthodox-marxistischen‘ Doktrin, es seien Terror, politische Morde und andere Gewaltakte nur im Einklang mit einer zentralen – planmäßigen – Parteiagenda legitime Kampfmittel.4 Er bekennt sich gar zu folgender Auffassung: „Die anarchistische Freiheitslehre stellt das Recht der Persönlichkeit viel zu hoch, als daß sie es da, wo eine beleidigte Natur ihrem Gefühl den Ausdruck der Vergeltung [sic] gibt, wo ein freiheitlich gesinnter Mensch der Werbung, der Warnung, der Einschüchterung, des Trotzes wegen oder um ein Kampfzeichen zu geben mit einer aufschreckenden Tat vor die Welt tritt, verleugnen sollte.“ Kritisiert wird hier also nicht mehr ein Gewaltglaube der autoritären Linken, sondern nur dessen – strategische bzw. kollektivistische – Bindung an die Parteidisziplin. Der Herausgeber des vorliegenden Bandes vermag bei solchen Ausführungen eine Verbindung zu Mühsams frühen Voten zur Gewaltfrage aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg bzw. bis 1917 nicht mehr erkennen.
Den Abschluss unserer Sammlung bildet eine Textdokumentation mit Beiträgen über Erich Mühsam und die Revolutionszeit 1918/19 aus der „Graswurzelrevolution“ (Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft | Texte 2012-2024) und weiteren Quellen. Hier werden auch Lebensabschnitte und Wirkungsfelder Mühsams beleuchtet, die nicht Gegenstand seiner in diesem Band dargebotenen Texte sind.
Die Redaktion der Schalom-Bibliothek ist keine ‚neutrale‘ bzw. ‚wertfreie Instanz‘. Sie votiert vielmehr streitbar für Ungehorsam gegenüber der Kriegsreligion und gewaltfreien Widerstand – für jenen Weg also, auf dem die Liebhaberinnen des Lebens kein Menschenblut vergießen. Doch kontroverse Positionen, die den jeweiligen Herausgebern nicht liegen, dürfen in Quelleneditionen nicht unter den Tisch fallen. Der Widerspruch begünstigt ja Diskurse auf hohem Niveau, die uns weiterführen.
Natürlich stehen auch historische Fragen an. Sie betreffen etwa Mühsams Beurteilung des ermordeten bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner5 (1867-1919), den er „Mein Gegner“ nennt (?S. 205-211), oder seine Mitteilungen zur revolutionären Haltung des ermordeten Freundes Gustav Landauer (1870-1919), die in diesem Buch nachzulesen sind6 (?S. 213-220). Doch der Gewaltdiskurs ist in erster Linie keine geschichtswissenschaftliche Herausforderung, sondern eine Gegenwartsfrage.
Die rebellische Jugend in der Zeit vor den ‚neoliberalen Jahrzehnten‘ rief aus: „Besetzt leerstehende Häuser, nicht andere Länder!“ – und schritt im Zuge der Selbsthilfe auch zur Tat. Es folgte eine weithin fügsame Generation, die sich im Dienste der Geldvermehrungsmaschine selbst ‚optimierte‘. Die flankierenden Freiheitsparolen – und die zum Teil absurden ‚Freiheitsspielwiesen‘ – leisten aber nicht mehr lange ihr Dienste. Ein Umbau der ‚liberalen Demokratie‘ zum autoritären Kapitalismus ist längst im Schwange. Die Militarisierung des öffentlichen Lebens beschleunigt sich Tag für Tag (aber anders als noch im 19. Jahrhundert haben selbst ‚linksliberale Lager‘ kein Bewusstsein mehr davon, welche Attacken auf freiheitliche Ideale und Errungenschaften daraus zwangsläufig folgen). Ziviler Ungehorsam – ehedem als Lackmustest von Demokratie gewürdigt – wird in einem Ausmaß kriminalisiert, wie wir es ab den Zeiten eines Willy Brandt nicht erlebt haben. Ein Teil der staatlichen Ordnungskräfte übt sich gegenüber den Citoyens in unverschämten
Tonarten, die von Analphabetismus in Sachen ‚Bürgerrechte‘ zeugen. Die z. T....