E-Book, Deutsch, Band 6, 448 Seiten
Reihe: Ein Nathalie-Svensson-Krimi
Moström Der Tod in dir
22001. Auflage 2022
ISBN: 978-3-8437-2790-7
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein fesselnder Krimi aus Schweden
E-Book, Deutsch, Band 6, 448 Seiten
Reihe: Ein Nathalie-Svensson-Krimi
ISBN: 978-3-8437-2790-7
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jonas Moström wurde 1973 geboren. Er begann während seiner Elternzeit damit, an seinem ersten Roman zu arbeiten, der 2004 erschien. Seine Krimis um Psychiaterin Nathalie Svensson sind in Schweden Bestseller. Er lebt und arbeitet als Arzt in Stockholm.
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12
, dachte Johan, als eine kreisförmige Operationslampe über ihm eingeschaltet wurde. Reflexartig schloss er die Augen. Das Licht war nicht mehr so aufdringlich, aber das Heulen im linken Ohr wurde lauter. Vor seinem inneren Auge erschien das hasserfüllte Gesicht des Mannes, er hörte den Schuss und sah Isabella fallen. Vor sich erblickte er die Mündung der Waffe und spürte den Schmerz in der Schulter. Hoffentlich hatten sie ihn schon gefasst.
»Es ist 18:53 Uhr, und wir lösen Traumaalarm zwei aus, alle Einheiten vor Ort«, sagte eine schroffe Frau in den Fünfzigern, die rechts neben dem Kopfende der Trage stand, um die Arbeit zu überwachen.
Eingespielte Befehle flogen durch den Raum. Flinke Hände arbeiteten effizient und koordiniert, als gehörten die Dutzend Menschen um ihn zu ein und demselben Körper, zu einem Kraken mit vierundzwanzig Armen und einem Gehirn. Trotz der spürbaren Anspannung beim Personal fühlte er sich in guten Händen. Die Blutung hatte er aus eigener Kraft leidlich gestillt, und auch das Gefühl in seinem Arm kehrte zurück. Vor allem Nathalies Unruhe hatte ihn gestresst. Wie hatte sie vergessen können, nach der Flucht Alarm auszulösen? Das könnte ein fataler Fehler gewesen sein.
Jemand schnitt das T-Shirt auf und nahm das blutige Bündel weg, das er auf die Wunde drückte, eine Person hörte Herz und Lunge ab, eine andere maß Blutdruck und brachte ein Sauerstoffmessgerät am Finger an, jemand anders kontrollierte den Puls an den Handgelenken, und irgendwer teilte der Runde mit, die Atemfrequenz betrage siebzehn pro Minute. Er bekam Kanülen in beide Armbeugen und einen Tropf in die rechte. Als er angeschlossen wurde, kühlte es die Adern angenehm, sodass er für eine Sekunde das Pochen in der Schulter und die Sirene im Ohr vergaß.
»A und B sind okay, er spricht und hat keine Verletzungen am Hals«, stellte die Frau am Kopfende fest, die im Gegensatz zu allen Blaugekleideten eine rote Weste mit der Aufschrift »Traumaleader« auf der Brust trug. »Wir geben fünf Liter Sauerstoff via Nasensonde und fünf Milligramm Morphium intravenös«, fuhr sie ohne das geringste Zögern in der Stimme fort.
Auch in der anderen Armbeuge wurde es kühl, und er konnte spüren, wie sich das Morphium in seinem Körper ausbreitete, fast bis ins Gehirn, wo es sich wie eine Schicht aus weicher Baumwolle zwischen die Nervenfasern legte. Aber als ein Paar kräftige Männerhände seine Schulter untersuchten, verzog er das Gesicht vor Schmerz, der wie ein Stromstoß bis in seine Fingerspitzen ausstrahlte.
»Keine Austrittswunde, Kugel noch im Körper, minimale Blutung«, berichtete ein Mann mit arabischem Akzent. »Durchblutungsstatus im Arm ist okay. Können Sie die Hand zur Faust ballen?«
Johan tat dies und merkte, dass der Ringfinger und der kleine Finger nicht reagierten.
»Spüren Sie das?«, fuhr der Mann fort und stach ihn mit etwas Spitzem in den Daumen.
»Ja«, antwortete Johan und nickte gleichzeitig, weil er nicht wusste, wie gut man ihn mit der Nasensonde verstand. Der Mann wiederholte die Prozedur mit allen Fingern.
»Kein Gefühl im Ringfinger und kleinen Finger«, stellte er fest. »Übriger distaler Status unauffällig.«
Johan bekam eine Kompresse auf die Wunde. Es brannte, als wäre sie in Säure getränkt, und er verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die jeden Muskel in Anspruch nahm. Gleichzeitig machte er sich Sorgen, weil er kein Gefühl mehr hatte. In zwei Fingern der rechten Hand. Was wäre, wenn er sich nicht erholen würde?
»Geben Sie noch fünf Milligramm Morphium, dann machen wir eine Röntgenaufnahme der Brust«, ordnete die Traumaärztin an.
Er bekam eine weitere Injektion, während er beobachtete, wie eine Kamera an einer Schiene an der Decke entlangglitt und unmittelbar über ihm zum Halten kam. Das Team löste sich auf, und er hörte das vertraute Summen, das er von unzähligen Zahnarztbesuchen seiner Kindheit in Begleitung von Oma Rosine kannte.
Schnelle Schritte waren zu vernehmen, als sich einige der blau gekleideten Menschen vor einem Monitor versammelten. »Da ist die Kugel«, sagte eine Männerstimme im Göteborger Zungenschlag. »Sie ist aufgepilzt und scheint keine Gelenke verletzt zu haben, aber wir brauchen einen CT-Scan, um Blutgefäße und Nerven zu überprüfen.«
»Sie muss beim Durchschlagen der Windschutzscheibe an Kraft verloren haben«, vermutete die Traumaärztin. »Sonst wären die Verletzungen noch größer ausgefallen. Jetzt bringen wir den Patienten zum CT.«
Johan fluchte leise. Wenn der Schütze Kugeln benutzt hatte, die nach dem Treffer aufpilzten, standen die Chancen nicht gut für Isabella. Wenn sie in der Leber getroffen wurde, sah es wirklich schlecht aus. Er dachte an Außenministerin Anna Lindh und dass ein aufgepilztes Geschoss so viel Schaden anrichten konnte wie ein Dutzend Messerstiche.
Die Bremsen an den Rädern wurden gelöst, und er wurde auf den Korridor gerollt. Die Neonröhren flackerten über ihn hinweg. Einen Moment lang dachte er, dies sei der berüchtigte Tunnel in den Tod, doch dann atmete er ein paarmal tief durch und merkte, dass er vom Morphium weich in der Birne geworden war und sich zusammenreißen musste.
Der Raum, in den er gerollt wurde, war klein und hatte Glasscheiben in zwei Richtungen. Als die Trage stillstand, sah er, wie Nathalie durch ein Fenster hereinschaute. In ihren Augen lag Nervosität, aber ihr Lächeln war herzlich, als es ihm kurz gelang, ihren Blick durch die Wand aus Armen und Händen, die ihn bearbeiteten, einzufangen. Über der Schulter trug sie seine Tasche, als wäre sie ihre eigene. Der Anblick stimmte ihn dankbar und ein wenig sentimental. Sie war so hübsch, tough und lieb in einer sehr ungewöhnlichen Kombination.
Man forderte ihn auf, er solle ruhig liegen bleiben; in die Armbeuge wurde ihm Kontrastmittel gespritzt, und man rollte ihn in ein röhrenförmiges Gerät. In Echtzeit konnte man die Aufnahmen des CTs sehen, und die Traumaärztin, der Angiologe und der Radiologe beugten sich näher zum Bildschirm, um sie genau zu studieren.
»Es dauert ein paar Minuten, bis wir die 3-D-Rekonstruktion bekommen, aber bis jetzt sieht es gut aus«, sagte der Radiologe, ein Asiate in den Fünfzigern ohne jeden Akzent. Johan füllte die Lunge mit Sauerstoff und dachte, dass die Integration im medizinischen Bereich wohl besser funktionierte als bei der Polizei. Ganz zu schweigen von der Ausgewogenheit der Geschlechter.
Dann schloss er die Augen, konzentrierte sich auf eine ruhige Atmung und versuchte, sich den Moment, in dem auf Isabella geschossen wurde, wieder ins Gedächtnis zu rufen. Im Morphiumnebel wurden die Bilder unscharf. Mit Ausnahme des finsteren Blicks dieses Mannes, der so schwarz war, als hätte es dort nie Licht gegeben. Immer, wenn er die Augen schloss, starrte ihn der Mann durch die Sturmhaube an.
Es gab keinen Zweifel. Er würde bei nächster Gelegenheit wieder versuchen, auf ihn zu schießen.
Müdigkeit überkam ihn, und er atmete tiefer. Vor seinem inneren Auge sah er Alma, Alfred und Carolina, wie sie ihm an diesem Morgen zum Abschied zugewinkt hatten. Es schien eine Ewigkeit her zu sein.
Ihm fiel auf, dass er seit der Schießerei zum ersten Mal an sie dachte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sich nur auf den Schützen konzentriert und darauf, wie er ihn zu fassen bekam. Offensichtlich war er durch seine Arbeit schon komplett verkommen.
Nach ein paar Minuten schmerzfreier Ruhe, in denen er beinahe eingeschlafen war, hörte er eine Stimme am Monitor sagen: »Keine größeren Verletzungen der Gefäße oder Nerven.«
»Sehr gut«, antwortete die Traumaärztin, »jetzt bringen wir ihn in den OP.«
Johan wurde aus der Röntgenröhre gerollt. Als er seinen Kopf drehte, sah er Nathalie, die vor dem Glasfenster stand und ihn ansah. Er rang sich ein Lächeln ab, aus dem jedoch eine starre Grimasse wurde. Dann kam die Traumaärztin mit zwei Kollegen zu ihm.
»Wie Sie vielleicht gehört haben, sieht es gut aus. Die Kugel liegt recht oberflächlich, und keine größeren Gefäße sind beschädigt worden. Nerven sind schwieriger zu erkennen, aber wir hoffen das Beste. Jetzt bringen wir Sie in den OP und holen die Kugel raus.«
Er nickte, versuchte, die Finger zu spreizen, und ballte dann die Hand. Das Taubheitsgefühl und die eingeschränkte Beweglichkeit waren nach wie vor vorhanden.
»Wie geht es Isabella?«
Die Miene der Traumaärztin verfinsterte sich. »Sie wird gerade operiert. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
»Wie lange wird der Eingriff bei mir dauern?«
»Schwer zu sagen, aber etwa eine Stunde. Sie erfahren alle Details auf dem Weg.«
Dann legte sie ihre Hand auf seinen Arm und sagte mit einer Mischung aus steinharter Professionalität und mütterlicher Erleichterung: »Sie haben sehr großes Glück gehabt. Wenn die Kugel nur ein paar Zentimeter tiefer eingedrungen wäre, hätte sie die Aorta punktiert.«
Er nickte und...