Buch, Deutsch, 240 Seiten, gebunden, Format (B × H): 131 mm x 211 mm, Gewicht: 372 g
Eine Ermutigung (inklusive Schreibheft)
Buch, Deutsch, 240 Seiten, gebunden, Format (B × H): 131 mm x 211 mm, Gewicht: 372 g
ISBN: 978-3-0369-5070-9
Verlag: Kein + Aber
Vor über zwanzig Jahren hat Milena Moser beschlossen, es einfach zu versuchen: Sie wollte andere mit ihrer Leidenschaft fürs Schreiben anstecken. Also bot sie Schreibkurse an. Und lernte dabei selbst sehr viel: Plötzlich war sie gezwungen, das eigene Schreiben zu analysieren, eigene Methoden zu erkennen, sich an Momente und Irrwege zu erinnern, aus denen sie gelernt hat. Erstaunt stellte sie fest, dass sie Methoden entwickelt hatte, die sich auf andere übertragen lassen. Und dass sie durchaus das Feuer fürs Schreiben entfachen kann. (Das Buch wird inklusive Schreibheft geliefert)
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Wie du dieses Buch für dich nutzen kannst – eine Art Vorwort
Meinen ersten Schreibkurs hielt ich an meinem Küchentisch in San Francisco, im Sommer 2001. Der Grund dafür war ein prosaischer: Ich brauchte Geld.
»Warum bietest du nicht einfach ein bisschen Creative Writing an?«, fragte mein älterer Sohn, 13 Jahre alt. Creative Writing war ein Schulfach. Selbst die ganz Kleinen, die noch gar nicht schreiben konnten, diktierten den Lehrkräften kurze Sätze über ihre Gefühle, über den heutigen Tag, oder etwas, worauf sie sich gerade freuen.
Im deutschen Sprachraum waren Schreibkurse damals noch nicht so verbreitet wie heute. Wenn es sie überhaupt gab. Wir glaubten an den von höheren Kräften auserwählten und mit außergewöhnlichem Talent beseelten Schriftsteller, und ich nutze hier mit Absicht die männliche Form. Frauen waren – sind? – von dieser göttlichen Erhebung weitgehend ausgeschlossen.
Ich bin in einem solchen Elfenbeinturm aufgewachsen: Mein Vater war Schriftsteller, meine Mutter Übersetzerin, später Sachbuchautorin. Während meiner Kindheit hab ich viele Schriftsteller kennengelernt, und auch ihre meist sehr schönen Frauen. Aber keine einzige Schriftstellerin. Die Freunde meines Vaters glaubten nicht nur an das grundsätzliche Auserwähltsein des Schriftstellers, sondern auch an seine aufklärerische Mission. Geschichten zu erzählen, wie ich es als Kind schon wollte, war nicht vorgesehen. Die Vorstellung, dass man das Schreiben lernen, dass man es sich aneignen könne, hätten sie vehement zurückgewiesen.
Kann man schreiben lernen? Kann man es vermitteln? Ich würde es herausfinden. Der endlose Sommer stand vor der Tür, ich ließ fünfzig Postkarten drucken mit einem Foto, wie ich an einem Schreibtisch im Freien sitze und versuche zu schreiben, während hinter mir ein kleines Kind in einer Hängematte liegt und Faxen macht. Der Tisch ist mit Manuskriptseiten und Teetassen übersät, mein Lächeln schief. Mein älterer Sohn half mir, einen Flyer zu gestalten, und korrigierte meinen Text: Statt Swiss Writer solle ich Bestselling Swiss Writer schreiben.
»Wir sind hier schließlich in Amerika, Mama.«
Ich legte den Flyer in der Bibliothek, im Lebensmittelladen und im Café an der Ecke aus. Und irgendwie – wie, ist mir bis heute nicht klar – bildete sich eine wild zusammengewürfelte Gruppe von acht Schreibwilligen, die einen Sommer lang jede Woche zu mir kamen, sich vertrauensvoll an meinen Tisch setzten und mir sogar auf den Spielplatz folgten – ich begann nämlich jede Lektion mit ausgiebigem Schaukeln. Fast konnte ich sehen wie die festgesetzten Vorstellungen, was gute Literatur sei und wie man schreiben müsse, aus ihren Köpfen fielen, wenn sie sich zurücklehnten, die Beine in die Höhe streckten, lachten.
Eine junge Frau reiste dafür jedes Mal aus Los Angeles an, wo sie studierte, immerhin 600 Kilometer weit entfernt. Wohlgemerkt, es gab damals kein Buch von mir in englischer Sprache, und auch meine Webseite war nur deutsch. Warum vertrauten mir diese Menschen?
Was sahen sie in mir?
Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich ebenso viel von ihnen lernte wie sie von mir. Sie zwangen mich, mein Schreiben zu untersuchen, zu analysieren, mich mit ihm auseinanderzusetzen. Bis dahin hatte ich bewusst nicht über meinen Prozess nachgedacht. Das Schreiben hatte für mich seit meiner Kindheit etwas Magisches. Etwas, das nur bedingt mit mir zu tun hatte. Ich empfand es immer als Geschenk und fürchtete wohl, es zu verlieren, wenn ich es hinterfragte und sezierte.
In diesen sechs Wochen merkte ich zum ersten Mal, dass ich einer Methode folge, die sich erkennen, zusammenfassen und vermitteln lässt. Eine Methode, die sich auf andere übertragen lässt, ganz unabhängig davon, was sie schreiben. Lebenserinnerungen oder Gedichte, Krimi oder Fantasy oder ein Sachbuch. Dass meine Methode funktioniert, weiß ich, weil ich sie selbst anwende, jeden Tag. Ich kann sie vermitteln, weil ich sie entwickelt, weil ich aus falschen Anläufen und Irrwegen gelernt habe. Weil ich jede Hürde kenne, selbst schon oft über sie gestolpert bin.
Der Kurs war ein voller Erfolg. Obwohl einer der Teilnehmer später in mein Haus einbrach und mich ausraubte, als ich nach Kursende wie angekündigt in die Schweiz gereist war. Ich nahm es ihm nicht übel, viel hatte er nicht gefunden, nur meinen Vorrat an ausländischen Münzen, den ich mal für eine Schreibübung auf dem Tisch ausgebreitet hatte. Der Mann kämpfte mit allen möglichen Dämonen, und da er sein Vorhaben in einer (brillanten) Kurzgeschichte sozusagen angekündigt hatte, wie mir später klar wurde, verbuchte ich auch dieses Erlebnis als Erfolg.
Das Hochgefühl, das ich in dieser Gruppe zum ersten Mal erlebt hatte, dieses unglaubliche Privileg, dabei zu sein, wenn eine jahrelange, quälende Blockade in sich zusammenfällt wie ein Kartenhaus, wenn Geschichten aufs Papier drängen, wenn Bleistifte nicht mehr innehalten können – das ist mit nichts zu vergleichen. Ich wollte es so schnell wie möglich wiederholen und begann wenig später, im Medienausbildungszentrum Luzern zu unterrichten. Die ersten paar Jahre musste ich die Ankündigung wiederholt korrigieren: »Nein, der Kurs heißt ERST schreiben, DANN denken! Nicht umgekehrt!«
Die angehenden Journalistinnen und Journalisten von damals waren eher skeptisch. Sie vertrauten mir nicht so, wie es die Küchentischgruppe getan hatte. Immerhin verlangte ich von ihnen, alles zu vergessen, was sie gelernt hatten. Alle Regeln über Bord zu werfen.
»Das ist Creative Writing«, hörte ich eine Teilnehmerin ihrem verzweifelten Sitznachbarn zuflüstern. »Das machen sie in Amerika so. Lass dich einfach drauf ein!«
Sie stellten mich infrage, forderten mich heraus, halfen mir, meine Methode zu überprüfen und zu verfeinern. Wieder und wieder beobachtete ich diesen Moment der puren Magie des Schreibens, die den Denkprozess überspringt. Diesen Moment miterleben zu dürfen, ist das Beste, was das Leben zu bieten hat. Außer natürlich, diesen Moment selbst zu erleben. Selbst zu schreiben.
Diesen Moment möglich zu machen, wurde meine Mission. Ich gebe zu, ich bin besessen davon. So viele Menschen wollen schreiben. So viele Menschen trauen sich nicht, trauen es sich nicht zu, denken, sie erfüllen die Bedingungen nicht. Dabei ist es das Einfachste der Welt. Der direkteste Weg zum Glück, den ich kenne.
Das Aufbrechen der Mauern dieses imaginären Elfenbeinturms, in dem sich die Schriftsteller vergangener Generationen sicher gefühlt hatten, stößt manchmal durchaus auf Widerstand. Unvergessen der preisgekrönte Autor, der mich in einem voll besetzten Zugabteil lautstark zusammenstauchte: »Du mit deinen Kursen!«, donnerte er. »Wo soll das denn hinführen? Am Ende meinen Hinz und Kunz, sie können schreiben! Da könnte ja jeder kommen!«
Im Moment war ich zu eingeschüchtert, um zu antworten. Aber ja, genau darum geht es mir: Wenn du schreiben willst, kannst du das auch. Darfst du das.
»Aber ich will doch gar kein Buch schreiben«, sagst du. Musst du auch gar nicht.
Das heißt aber nicht, dass du nicht schreiben kannst. Wenn ich mich in meinem Alter noch für einen Ballettkurs anmelde, strebe ich damit keine zweite Karriere als Ballerina an. Es macht mich einfach glücklich. So wie es mich glücklich macht, auf langen Autofahrten sämtliche Blondie-Hits mitzusingen. Oder im kalten Wasser des Pazifiks zu schwimmen oder einen Kräutergarten zu pflanzen. Keine dieser Unternehmungen ist mit beruflichen Ambitionen verbunden, und trotzdem sind sie mir wichtig, sie fordern mich heraus und erfüllen mich.
Ob du Tagebuch schreibst oder einen Roman, ist im Grunde nebensächlich.
Schreiben ist ein einfacher und allen zugänglicher Weg zum Glück. Ich erzähle dir, wie ich zur Schriftstellerin geworden bin. Das heißt nicht, dass du das auch tun musst. Du schreibst deine eigene Geschichte – und dieses Buch begleitet dich dabei.
In den erzählenden Kapiteln erfährst du, wie ich zur Schriftstellerin wurde, mit all den Hindernissen und Widerständen, die mir unterwegs begegneten. Konkrete Übungen, im Inhaltsverzeichnis kursiv angezeigt, führen dich Schritt für Schritt von deinen ersten Versuchen zu einer überarbeiteten Fassung. Das beigelegte Schreibheft lädt dich ein, seine Seiten zu füllen – und zu sprengen. Viel Freude damit!