E-Book, Deutsch, 416 Seiten
Moser Mein Leben für dich
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-7320-0102-6
Verlag: Loewe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 416 Seiten
ISBN: 978-3-7320-0102-6
Verlag: Loewe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Simon hat Mist gebaut. Jetzt sitzt sein Bruder seinetwegen im Knast und er selbst steht ohne Geld und Arbeit da. Doch dann bekommt er die Chance seines Lebens: als Bodyguard an der Seite der jungen Hotelerbin Mia.
Mia ist stinksauer, dass ihr Vater sie von ihrem Schweizer Internat genommen hat und jetzt auch noch einen Babysitter für sie engagiert. Darauf hat Mia herzlich wenig Lust und lässt Simon das auch sehr deutlich spüren.
Trotzdem kommen sich die beiden näher. Doch als sich Simons alte Gang einschaltet, wird ihre zarte Liebe auf eine harte Probe gestellt. Und Simon wird klar, dass er tatsächlich sein Leben für Mia gäbe ...
Annette Moser wurde 1978 in Hamburg geboren und arbeitete nach ihrem Studium mehrere Jahre als Lektorin in einem Kinder- und Jugendbuchverlag. Heute lebt sie mit ihrem Freund in Nürnberg und schreibt leidenschaftlich gern Kinderbücher.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
PROLOG Zwei Wochen vorher »Simon Winter?« Der junge Mann blickte in Zeitlupe auf und warf dem Gefängniswärter ein gelangweiltes Kopfnicken zu, obwohl sein Puls auf hundertachtzig war. Mit einem Handzeichen fordete ihn der Wärter auf, ihm zu folgen. Der Typ war ihm auf Anhieb unsympathisch, und es ärgerte ihn, dass er wie ein Schuljunge hinter diesem Trottel herlaufen musste. Daher achtete er darauf, dass der Abstand zwischen ihnen möglichst gering blieb. Er wollte diesem Babyface in Uniform auf gar keinen Fall das Gefühl vermitteln, er hätte auch nur ansatzweise Respekt vor ihm. Simon schätzte seinen Vordermann auf ungefähr Mitte zwanzig, also war er gerade mal vier, fünf Jahre älter als er selbst. Allerdings wirkte er alles andere als männlich oder Furcht einflößend. Er erinnerte Simon an einen dieser Loser mit rosafarbenen Bäckchen und Scheitelfrisuren, denen man früher in der Schule aus reiner Freude eine aufs Maul gehauen hatte. Genau diese Typen schmissen sich später in Uniformen, um sich an der Ungerechtigkeit der Welt rächen und ihre hart erkämpfte Macht ausspielen zu können. Klarer Fall. Spacko-Arsch!, formte Simon mit den Lippen und zeigte dem Rücken seines Vordermanns den Mittelfinger. Ihre Schritte hallten durch die nackten Gänge. Er konzentrierte sich darauf, nicht im selben Rhythmus mit dem Wärter zu gehen, sondern den Fuß immer dann aufzusetzen, wenn der andere seinen gerade anhob. Sich im Gleichschritt mit ihm zu bewegen, wäre ihm schwach vorgekommen. Mehr noch: wie ein Einverständnis zwischen ihnen. Und das wiederum kam einem Verrat an Ben gleich. Scheiße noch mal. Ben saß hier fest. Wegen ihm, seinem bescheuerten kleinen Bruder. Es war Simons Chance gewesen, sich zu beweisen – das erste Mal, dass er ganz allein ein Ding drehen sollte. Und er hatte es verbockt. Allein bei der Erinnerung an vorletzte Nacht wurde ihm sofort wieder schlecht. Ben würde sich natürlich bestätigt fühlen. Und was Rick betraf … Ihn hatte er seither zwar nicht gesehen, aber er würde alles andere als begeistert sein. Simon hatte ihn wochenlang anbetteln müssen, bis er endlich diesen Auftrag bekommen hatte. Ben war ziemlich angepisst gewesen. Er hatte seinen kleinen Bruder von vornherein nicht dabeihaben wollen und hatte alles versucht, um ihn von der Clique um Rick fernzuhalten. Dabei wollte Simon gerade ihm zeigen, was er draufhatte. Dass er längst kein kleiner Junge mehr war, den man vor der Welt beschützen musste. Umso schlimmer, dass er sich dermaßen bescheuert angestellt hatte. Es war um einen schwarzen Lexus gegangen, der auf einem Privatgelände stand. Einfach gesichert. Eine Nullachtfünfzehn-Alarmanlage. Als Trockenübung hatte er die Dinger schon zigmal geknackt, immer innerhalb weniger Sekunden – und trotzdem hatte er dann im entscheidenden Moment versagt. Es waren seine Finger gewesen. Sie hatten plötzlich angefangen zu zittern. Der Alarm war losgegangen, und was hatte er Vollidiot getan? War einfach stehen geblieben, wie gelähmt, hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Auch dann nicht, als ihn jemand von den anderen zurückgepfiffen hatte. Und auch nicht, als kurz darauf die Polizeisirenen zu hören gewesen waren. Er war stocksteif dagestanden wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Erst als sein Bruder wie aus dem Nichts aufgetaucht war und ihn mit voller Wucht vom Auto weggeschubst hatte, hatten sich sein Verstand und seine Muskeln wieder eingeschaltet. Dann endlich war er gerannt. Aber da war es schon zu spät gewesen. Nicht für ihn, aber für Ben. »Sie haben zehn Minuten.« Der Wärter sperrte eine Eisentür auf, ließ ihn eintreten, ohne einen Blick hineinzuwerfen, und schloss sie gleich wieder. Die Brüder waren allein in dem kleinen, spärlich eingerichteten Raum. Ben erhob sich von seinem Stuhl und trat auf Simon zu. Er lächelte. Ben hatte ein umwerfendes Lächeln. Eines, das ihm die Mädchen reihenweise in die Arme trieb. Alle sagten, sie sähen sich ähnlich. Aber in Simons Augen wirkte Ben härter, entschlossener. Vielleicht waren es die fünf Jahre Altersunterschied. Vielleicht auch die Erfahrungen, die Ben in den letzten neun Jahren da draußen gesammelt hatte. »He, Kleiner!« Ben hob seine Faust und Simon tat es ihm gleich. Sie boxten sie gegeneinander, so wie immer, wenn sie sich begrüßten oder verabschiedeten. Aber dieses Mal war Simon unwohl dabei. So zu tun, als wäre alles easy, fühlte sich an diesem Ort falsch an. Verdammt falsch sogar. »Es tut mir … echt total leid, Mann«, murmelte er. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Schätze, ich hatte den totalen Blackout.« »Komm, vergiss es. Ist schon okay.« Simon hob den Kopf und starrte seinen Bruder ungläubig an. Er fühlte sich wie gerädert, hatte die ganze letzte Nacht kein Auge zugetan. Aber diese Aussage gab ihm den Rest. In diesem »Okay« lag alles, wogegen er seit Monaten ankämpfte: Ironie, Geringschätzung, Gleichgültigkeit. Es fegte sein Streben nach Anerkennung einfach weg. »Was?« Simon rang um Worte. »Nein … Nein, das ist verflucht noch mal nicht okay, Ben! Warum hast du das getan?« Die Frage war seit vorgestern ununterbrochen in seinem Kopf umhergekreist. Wie ein Strudel mit einem tiefen dunklen Loch in der Mitte, in dem die Antwort schwamm, die er eigentlich längst kannte und abgrundtief hasste. Die Antwort darauf, warum sein Bruder für ihn in den Knast gewandert war, weshalb er alles auf sich genommen hatte. Warum er das Gefühl gehabt hatte, seinen kleinen Bruder beschützen zu müssen. Je mehr ihm bewusst wurde, was passiert war, desto mehr war die Wut in ihm gewachsen. Was Ben getan hatte, zeigte, dass er ihn nach wie vor nicht für voll nahm. Er war sogar so wütend gewesen, dass er letzte Nacht Lissi von sich gestoßen hatte, als sie sich an ihm rieb, sich an seinem Körper hinabküsste und ihn von all seinen Sorgen »freiblasen« wollte. Etwas, worauf er sonst immer abfuhr. Aber dieses Mal hatte sie ihn mit ihren Annäherungsversuchen einfach bloß genervt. »Scheiße, was sollte das?«, fauchte Simon seinen Bruder jetzt an. »Warum bist du den Bullen in die Arme gerannt? Du hättest mich einfach stehen lassen sollen! Das war mein Deal! Was hattest du überhaupt dort zu suchen?« Ben lachte auf und ließ sich kopfschüttelnd zurück auf seinen Stuhl fallen. Er trug noch dieselben Klamotten wie in der Nacht seiner Festnahme: zerschlissene Jeans und ein dunkelgrünes Shirt, auf dem irgendwann einmal ein Aufdruck gewesen war. Die dunklen Bartstoppeln ließen ihn verwegener aussehen und seine blauen Augen noch mehr hervorstechen. »Du bist so ein Vollidiot, Simon. Du checkst es echt nicht, oder?« Simon wurde schlecht vor Zorn und er musste sich setzen. Bens Gelassenheit machte ihn rasend und er riss sich zusammen, um seinen Bruder nicht anzuschreien und am Ende damit den Wärter auf sich aufmerksam zu machen. »Was gibt es da zu checken?«, presste er hervor. »Ich meine … deine Aktion war … komplett hirnrissig. Wenn schon, dann sollte ich jetzt hinter Gittern sitzen. Ich habe es schließlich verbockt, nicht –« »Halt die Klappe!« Bens Stimme war scharf. »Was ich getan habe, war das einzig Vernünftige, okay? Ich hatte es dir von vornherein gesagt. Diese ganze Scheiße ist nichts für dich, Kleiner. Kapier es endlich – du musst niemandem beweisen, dass du cool bist, indem du Autos knackst. Weder dir selbst, noch mir, noch Rick. Besonders nicht Rick, okay? Halte dich von ihm fern. Und verdammt noch mal, beweg endlich deinen Arsch und mach was aus deinem Leben!« Die Worte hallten dumpf in seinem Schädel. Wieder diese Pseudoratschläge, die ewig gleiche Leier. Ben stieß ihn aus seinem Leben, weil er ihn für einen Warmduscher hielt. Dabei war sein großer Bruder der Einzige aus der Familie, zu dem Simon wirklich aufblickte. »Warum ich?« Simon fuhr sich über die pochende Stirn. »Wieso denken alle, ich hätte so viel auf dem Kasten? Und warum machst du weiter in der Gang, wenn alles so scheiße ist, wie du behauptest?« Er hatte es satt. So satt, dass Ben immer eine Kluft zwischen ihnen schuf, indem er seinen jüngeren Bruder als den Saubermann, den Intelligenzbolzen hinstellte. Ben hörte sich genauso an wie ihre Mutter. Als hätten sie sich heimlich verbündet. Wenigstens in diesem einen Punkt. »Du bist ein guter Junge, Simon. Du wirst es einmal anders machen als Ben. Besser. Er ist uns irgendwie entgleist. Ich weiß nicht, wie und wann.« Er hatte ihre ewig weinerliche, brüchige Stimme noch immer im Ohr, obwohl er schon seit ein paar Monaten nicht mehr zu Hause gewesen war. Hauptsächlich, weil er ihren neuen Freund nicht abkonnte. Aber auch wegen dieser Stimme, in der immer ein Hauch von Vorwurf lag. Wahrscheinlich, weil sie insgeheim genau wusste, dass er ihre Hoffnungen nicht erfüllen würde. Nicht jetzt und auch nicht später. Weil er nicht der Typ war für ein langweiliges Leben mit Acht-Stunden-Job und Monatsticket. Das war ihm klar geworden, als er mit seiner Ausbildung als Automechaniker begonnen und sie nach einem schleppenden Jahr wieder abgebrochen hatte. Seither verdiente er sich das Geld für seine kleine Drecksbude hauptsächlich als Türsteher im Cage, einem alternativen Club in Sankt Pauli. Das war zwar ganz okay, aber auch nichts auf Dauer. Eigentlich war er wie Ben, das spürte er. Freiheitsliebend, eigenwillig, neugierig. Er wollte sich nicht unterkriegen und maßregeln lassen und vor Eintönigkeit irgendwann mit den Wochentagen durcheinandergeraten, weil jeder einzelne gleich verlief. Klar, es war mehr als ärgerlich, dass er seinen ersten wichtigen Auftrag verbockt hatte,...