E-Book, Deutsch, 480 Seiten
Moriarty Wie wir waren
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-492-96671-9
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 480 Seiten
ISBN: 978-3-492-96671-9
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Alice und Ben sind das perfekte Paar, verbunden durch ihre Liebe, ihre Kinder. Bis Ben mit den Ärzten ohne Grenzen in ein Krisengebiet nach Afrika geht. Kurz darauf erhält Alice die schlimmste aller Nachrichten: Bens Team wurde überfallen, niemand habe überlebt. Plötzlich ist sie Witwe und alleinerziehende Mutter. Alice schwankt zwischen Trauer und Wut auf Ben. Dann lernt sie Dan kennen: gut aussehend, charmant und hilfsbereit. Schließlich gibt sie seinem Werben nach und sagt Ja. Doch am Vorabend der Hochzeit klingelt das Telefon. Es ist Ben. Er lebt, und er will sein altes Leben zurück ...
Sinead Moriarty wuchs als Tochter einer Kinderbuchautorin in Dublin auf. Nach der Universität und Stationen in Paris und London, wo sie als Journalistin arbeitete und erste Roman zu schreiben begann, zog sie zurück in ihre Geburtsstadt. Dort lebt sie mit ihrem Mann, den drei Kindern und ihrer Katze Minnie. Sinead Moriartys bis dato 11 Bücher sind in 25 Sprachen übersetzt. Für ihren letzten Roman »The Way We Were« bekam sie 2015 einen Irish Book Award (im Bereich Unterhaltungsliteratur) verliehen.
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Alice Kevin schloss die Praxistür ab und reichte Alice die Schlüssel. »Mann, bin ich jetzt müde.« Seine Schwester gähnte. »Heute hatten wir wirklich keine Verschnaufpause.« »Gott, ist es nicht furchtbar, so heiß begehrt zu sein«, sagte Kevin mit einem Grinsen. Alice lächelte. »Ich bin ja froh, dass es gut läuft, aber jetzt würde ich mir zu Hause gern ein heißes Bad einlassen, statt mich mit Jools und ihren Hausaufgaben herumzuschlagen. Außerdem hat Ben für morgen Abend David und Pippa zum Essen eingeladen, also muss ich auf dem Heimweg noch einkaufen.« »Vielleicht kommt er ja morgen mal früher von der Arbeit und hilft dir beim Kochen für seine Freunde.« »Das glaubst du doch selbst nicht!« Alice seufzte. »Und so gern ich David und Pippa auch habe, dienstags um neun zum Abendessen passt mir gar nicht. Ich bin immer fix und fertig, nachdem ich mich mit Jools rumgeschlagen habe.« »Dann hättest du eben Nein sagen sollen.« Alice musste lächeln. Dass Beziehungen Kompromisse erforderten, hatte Kevin noch nie wirklich verstanden, wahrscheinlich dauerten seine Beziehungen auch deshalb nie lange. »Die Einladung war Ben unheimlich wichtig, außerdem sind wir doch ständig auf irgendwelchen Dinnerpartys bei den beiden. Also war das langsam mal fällig.« »Dann hol einfach irgendwo etwas und tu so, als hättest du es selbst gezaubert. Problem gelöst.« Alice schüttelte den Kopf. »Nein, ich komm schon klar. Am besten schau ich jetzt kurz bei M & S vorbei. Ignorier mein Gejammer einfach, ich musste mich gerade nur ein bisschen auskotzen.« »Tja, dann denke ich im Flieger nach New York an dich in deiner Küchenschürze.« Spielerisch knuffte ihm Alice den Arm. »Ich wünsche dir wirklich ganz viel Spaß, aber geh nicht mit fremden Männern mit, okay? New York ist ein gefährliches Pflaster.« Kevin schnaubte. »Ehrlich gesagt plane ich ja gerade, mit so vielen fremden Männern wie möglich mitzugehen.« Alice rollte mit den Augen. »Wie gesagt, amüsier dich schön, aber sei auch vorsichtig, und pass gut auf dich auf.« »Du wirst mich vermissen.« »Das tue ich doch immer, selbst wenn du nur eine Woche weg bist.« »Ich bin eben die beste Sprechstundenhilfe weit und breit.« »Allerdings.« Alice küsste ihren Bruder. »Wir sehen uns, wenn du wieder da bist. Viel Spaß!« »Den werd ich haben!« Kevin zwinkerte ihr zu. »Und jetzt geh nach Hause zu deinen Mädchen.« Alice mochte den fünfzehnminütigen Fußmarsch nach Hause, weil sie dabei ordentlich Dampf ablassen konnte. An manchen Tagen war ihre Arbeit als Hausärztin echt hart – heute hatte sich ein Dreijähriger mit einer Mandelentzündung auf ihren Kittel übergeben, ein Patient mit heftigen Rückenschmerzen hatte sie angeschrien, und ein achtzigjähriger Lustmolch hatte um ihre Hand angehalten. An solchen Tagen beneidete sie Ben um seinen spannenden Job. Auch für Ben selbst spielten Chirurgen in einer völlig anderen Liga als Hausärzte, das wusste Alice, auch wenn er das natürlich nie so sagen würde. Stattdessen sagte er abends manchmal Sachen wie: »Mann, das war heute vielleicht ein Tag. Ich hab einen Leistenbruch operiert, eine Gallenblase und eine Cervixdrüse entfernt und zwei Brustbiopsien vorgenommen. Und wie war’s bei dir so?« Manchmal hätte sie ihm gerne ins Gesicht gebrüllt, dass sie a) fast genauso lange studiert hatte wie er und sich b) für diese Arbeit entschieden hatte, damit sie wegen der Kinder früher zu Hause sein konnte. Denn irgendwer musste ja für sie da sein. Letztlich betrieb sie daher nicht nur eine florierende Praxis, sondern kümmerte sich auch noch um fast alles, was mit ihren beiden Töchtern zu tun hatte. Als sie nun die Marks & Spencer-Filiale betrat, spürte Alice, wie der Neid auf ihren Ehemann an ihr nagte: Er war ein gefragter Chirurg, musste sich keine Gedanken um Hausarbeit machen und konnte außerdem einfach so Leute zum Abendessen einladen, ohne sich um die Organisation zu kümmern. Es muss wirklich toll sein, in Bens Haut zu stecken, dachte sie grimmig. Sie entschied, was sie am nächsten Tag kochen würde, kaufte die entsprechenden Zutaten und machte sich dann mit schnellen Schritten auf den Heimweg. Sie wollte früh genug zu Hause sein, um für die Mädchen zu kochen. Nora, ihre Haushälterin und Kinderfrau, die manchmal auch als Ersatzmutter herhalten musste, war zwar wunderbar, aber ihre Kochkünste waren eher beschränkt. Als die Mädchen noch klein gewesen waren, hatte Alice das nicht gestört, aber jetzt, da sie schon größer waren, wollte die Ärztin sie auch gerne mal etwas Neues probieren lassen. Als Alice nun den Flur ihres Hauses in Kensington betrat, hörte sie Jools bereits maulen: »Ich esse keinen Reis mehr, Nora, nur noch Quinoa.« »Kin… was?«, knurrte Nora. »Nie davon gehört.« »Das ist jetzt neu. Gwyneth Paltrow isst das ständig, und sie ist total gesund. Kannst du mir das nicht auch kochen?« »Die ist doch bestimmt die reinste Bohnenstange und braucht mal ordentlich was zwischen die Zähne. Und dieses Kin-irgendwas ist sicher irgendwas Künstliches, von dem man am Ende dann doch nur Krebs kriegt. Was du brauchst, ist ein vernünftiges Stück Fleisch mit Gemüse.« Alice bog um die Ecke in die Küche, wo die fünfzehnjährige Jools saß und ziemlich missmutig dreinblickte. Diese Schnute kannte ihre Mutter nur zu gut – darauf würde gleich ein Temperamentsausbruch folgen, den die Haushälterin mit Sicherheit nicht tolerieren würde. »Quinoa halte ich für völlig unbedenklich, Nora, aber die kann gerne ich für sie kochen, keine Sorge. Warum machst du dich nicht auf den Heimweg?« »In Ordnung«, Nora nickte. »Bei mir zu Hause wartet sicher schon jemand auf sein Schweinekotelett mit Kartoffeln. Der kommt mir nicht mit Kin-irgendwas.« Alice lachte bei der Vorstellung von Noras Ehemann, einem pensionierten Klempner aus Yorkshire, vor einem Teller Quinoa. Die beiden waren ein bodenständiges Paar. Nora stammte aus dem tiefsten Irland und war auf einem Bauernhof aufgewachsen. Als Alice nach Jools’ Geburt wieder zu arbeiten angefangen hatte, hatte sie es toll gefunden, für ihr Baby eine irische Kinderfrau gefunden zu haben. Die Kinder von Nora waren damals schon flügge gewesen, und sie hatte ein wenig Geld dazuverdienen wollen. Sie war für Alice da gewesen, als deren Eltern bei einem Autounfall umgekommen waren, und so war sie für ihre Arbeitgeberin in vielerlei Hinsicht zur Ersatzmutter geworden. Als Alice Nora nun zur Tür brachte, fiepte ihr Handy. Es war Ben: Ich drehe nach der Arbeit noch eine Runde mit dem Rad. Wir sehen uns gegen neun. Alice fluchte. Dieser Egoist! Er hatte doch versprochen, Jools heute bei den Hausaufgaben zu helfen, und jetzt gab er dem verdammten Drahtesel den Vorzug. Sie hätte ihn umbringen können! »Was ist denn?«, fragte Nora. »Ben geht nach der Arbeit Rad fahren. Mal wieder.« »Das machen heutzutage scheinbar alle Männer über vierzig, die sehen in ihren engen Höschen ganz schön albern aus. Keine Sorge, das ist nur die Midlife-Crisis. Soll er seinen Willi doch besser in Lycra stecken als in irgendeine junge Krankenschwester.« »Nora!« »Ich mein ja nur …« Alice seufzte. »Hoffen wir bloß, dass er nicht beides macht …« Nora gab ihr einen Klaps auf den Arm. »Na, jetzt hör aber auf. Ben vergöttert die Mädchen und dich, er ist ein guter Mann, Alice. Lass ihn doch ein bisschen Fahrrad fahren, das langweilt ihn auch irgendwann. Spätestens, wenn ihm die engen Höschen das Blut abschnüren, hat er die Nase voll davon.« Alice lachte und winkte zum Abschied. Als es nun zu regnen anfing, hoffte sie, Ben würde seine Radfahrpläne doch noch aufgeben und früh genug zu Hause sein, um mit Jools Hausaufgaben zu machen. Als Alice zurück in die Küche kam, blätterte Jools gerade in dem Kochbuch von Gwyneth Paltrow. Alice hatte es vor ein paar Wochen gekauft, weil sie gesünder essen und mal ein paar neue Rezepte ausprobieren wollte. Bislang hatte sie nur ein Gericht daraus gekocht und danach eine ganze Packung Schokoriegel verspeist, was den gesunden Effekt wieder zunichtegemacht hatte. Na ja, wenigstens waren all die Fotos von Gwyneth und ihren Kindern mit im Sonnenschein leuchtenden Haaren hübsch anzusehen. Jools klappte laut das Buch zu. »So, wir müssen über meine Party reden.« Alice lächelte. Aus irgendeinem Grund schien Jools zu glauben, dass der sechzehnte Geburtstag mit einer riesigen Feier begangen werden musste. »Also, ich hab ja gesagt, dass ich gesünder leben will«, fuhr Jools fort, »aber für meine Party will ich ein richtiges Schokogelage. Ich will …« »Ich möchte gern«, berichtigte sie Alice. »Okay. Also, ich möchte gern einen Schokoladenkuchen mit einem Bild von Harry Styles und eine Pyjamaparty mit meinen sieben besten Freundinnen. Ich hab mir überlegt, dass ich Harriet auch einlade, die ist zwar ein echter Nerd, aber ziemlich witzig. Und wir wollen uns nicht irgend so einen lahmen Film angucken, sondern Blutgericht in Texas, und mir ist ganz egal, was du davon hältst.« Alice lehnte sich über den Tisch zu ihr vor und erklärte: »Moment, Moment, ihr guckt euch mit Sicherheit nicht Blutgericht in Texas an, das ist nämlich ein wirklich brutaler und gruseliger Film, der für dich und deine Freundinnen nicht geeignet ist.« Jools schlug mit der flachen Hand auf die Arbeitsplatte aus Marmor. »War ja klar, dass du das sagen würdest. Ich wusste, dass du...