Moriarty | Truly Madly Guilty | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 576 Seiten

Moriarty Truly Madly Guilty

Jede Familie hat ihre Geheimnisse. Roman
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7325-5666-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Jede Familie hat ihre Geheimnisse. Roman

E-Book, Deutsch, 576 Seiten

ISBN: 978-3-7325-5666-3
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Erika hatte eine schwere Kindheit und fand in der Familie ihrer Freundin Clementine stets Halt und Geborgenheit. Auch heute ist Clementine ihr Zufluchtsort und hofft in einem delikaten Fall auf Hilfe: Sie und ihr Mann Oliver sind ungewollt kinderlos, und Erika möchte die Freundin um einen mehr als großen Gefallen bitten. Als sie das Thema bei einem gemütlichen Barbecue anspricht, nehmen Ereignisse ihren Lauf, die in einer Katastrophe münden. Ist ihre Freundschaft stark genug, um diese zu überstehen?


Liane Moriarty ist freischaffende Werbetexterin und wurde für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet. Ihr Debütroman Drei Wünsche frei stieg auf Anhieb in die Top Ten der australischen Bestsellerliste ein. Auch ihre weiteren Romane Ein Geschenk des Himmels, Vergiss ihn nicht, Alles aus Liebe, Das Geheimnis meines Mannes und Tausend kleine Lügen waren große Erfolge. Tausend kleine Lügen wurde außerdem unter dem Titel Big Little Lies von HBO mit Nicole Kidman, Reese Witherspoon und Shailene Woodley in den Hauptrollen verfilmt. Liane Moriarty lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Sydney.

Moriarty Truly Madly Guilty jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Kapitel eins
»Die folgende Geschichte beginnt mit einer Grillparty«, sagte Clementine. Das Mikrofon verstärkte und glättete ihre Stimme und verlieh ihr mehr Autorität. Als wäre sie am Computer bearbeitet worden. »Eine ganz normale Grillparty in einem ganz normalen Garten.« Na ja, ein ganz normaler Garten war es wohl kaum, dachte Erika. Sie schlug die Beine übereinander, schob den einen Fuß hinter den Knöchel des anderen Beins und schnaubte leise. Kein Mensch käme auf die Idee, Vids Garten als »ganz normal« zu bezeichnen. Erika saß in der Mitte der letzten Reihe im Veranstaltungssaal unmittelbar vor der gekonnt renovierten Bücherei in einem Vorort fünfundvierzig Minuten vom Stadtzentrum entfernt. Fünfundvierzig, nicht dreißig Minuten, wie der Angestellte des Taxiunternehmens gesagt hatte, der es doch eigentlich besser hätte wissen müssen. Es waren ungefähr zwanzig Leute da, aber die Klappstühle hätten auch für vierzig Personen gereicht. Gekommen waren hauptsächlich ältere Menschen mit aufmerksamen, erwartungsvollen Gesichtern. Sie hatten sich vom Regen nicht abhalten lassen (ja, es regnete schon wieder – ob es wohl jemals aufhören würde?). Die intelligenten, informierten Senioren hatten sich an diesem Vormittag eingefunden, um sich auf der Versammlung der Ortsgruppe von Community Matters mit neuen, aufregenden Informationen versorgen zu lassen. »Ich habe heute eine unglaublich interessante Frau reden hören«, wollten sie später ihren Kindern und Enkelkindern erzählen können. Erika hatte auf der Website der Bücherei die Ankündigung von Clementines Vortrag gelesen. Der Text war kurz und nicht besonders informativ gewesen: Clementine Hart aus Sydney, Mutter und bekannte Cellistin, spricht über einen »ganz normalen Tag«, wie sie ihre Geschichte nennt. Clementine eine bekannte Cellistin? Das schien ein bisschen weit hergeholt. In den fünf Dollar Eintritt waren neben den Vorträgen der beiden Gastredner auch ein köstliches selbst zubereitetes Frühstück sowie die Teilnahme an einer Verlosung enthalten. Der zweite Redner würde über die umstrittene Neugestaltung des hiesigen Schwimmbads sprechen. Erika konnte im Hintergrund das gedämpfte Klappern von Geschirr hören, als die Tische für das Frühstück gedeckt wurden. Sie hielt ihr flattriges Tombola-Los fest im Schoß. Sie hatte keine Lust, es in ihre Handtasche zu stecken und es dann bei Beginn der Verlosung wieder hervorkramen zu müssen. Blau, E 24. Wie ein Gewinn-Los sah es nicht aus. Die Frau unmittelbar vor Erika hatte ihren grauen Lockenkopf wohlwollend und aufmerksam zur Seite geneigt, allem Anschein nach bereit, Clementine in jedem Punkt zuzustimmen. Das Etikett an ihrer Bluse schaute heraus. Größe 42. Vom Discounter Target. Erika streckte die Hand aus und steckte es in den Kragen zurück. Die Frau drehte sich zu ihr um. »Das Etikett«, flüsterte Erika. Die Frau bedankte sich mit einem Lächeln, und Erika beobachtete, wie ihr Nacken sich zartrosa färbte. Der Mann mittleren Alters neben ihr, vielleicht ihr Sohn, hatte sich einen Strichcode wie auf der Verpackung eines Supermarktprodukts hinten auf den braun gebrannten Hals tätowieren lassen. Sollte das witzig sein? Ironisch? Symbolisch? Erika hätte ihm gern gesagt, dass das idiotisch war und sonst gar nichts. »Es war ein ganz normaler Sonntagnachmittag«, fuhr Clementine fort. Eine auffällige Häufung des Wortes »normal«. Es schien, als legte Clementine Wert darauf, sich diesen normalen Menschen aus einem normalen Vorort als eine der Ihren zu präsentieren. Erika stellte sich vor, wie Clementine in ihrem Shabby-Chic-Sandsteinreihenhaus, von wo man einen Blick aufs Meer erhaschen konnte, an dem kleinen Esszimmertisch saß – vielleicht auch an Sams unrestauriertem antiken Schreibtisch – und ihre gemeinschaftsorientierte kleine Rede schrieb. Sie sah Clementine förmlich vor sich, wie sie auf dem Bleistiftende herumkaute, sich die üppige Flut ihrer dunklen Haare über die Schulter drapierte und sie, Rapunzel gleich, mit sinnlicher, leicht selbstgefälliger Geste liebkoste und dabei dachte: ganz normal. Genau, Clementine, wie willst du es schaffen, dass diese ganz normalen Menschen dich verstehen? »Es war Anfang Winter, ein kalter, düsterer Tag«, sagte Clementine. Wie bitte? Erika rutschte auf ihrem Stuhl hin und her. Es war ein wunderschöner Tag gewesen. Ein prachtvoller Tag, wie Vid gesagt hatte. Oder war es »herrlich« gewesen? Jedenfalls etwas in der Art. »Es war knackig kalt gewesen«, fuhr Clementine fort und fröstelte theatralisch. Und völlig unnötig, weil es so warm im Saal war, dass ein Mann ein paar Reihen vor Erika offensichtlich eingedöst war. Er saß da mit weit von sich gestreckten Beinen, die Hände bequem über dem Bauch verschränkt und den Kopf in den Nacken gelegt wie auf ein unsichtbares Kissen. Vielleicht war er gar nicht mehr am Leben. Es mochte kühl gewesen sein am Tag der Grillparty, aber es war definitiv nicht düster gewesen. Augenzeugenberichte waren bekanntlich unzuverlässig, wie Erika wusste. Die Leute dachten nämlich, sie müssten nur die Rückspultaste an dem kleinen Aufnahmegerät in ihrem Kopf drücken. Dabei verhielt es sich ganz anders: Sie schufen sich ihre Erinnerungen selbst. Sie »fabrizierten ihre eigenen Geschichten«. Daher erinnerte sich Clementine an einen kalten, düsteren Tag, wenn sie an die Grillparty zurückdachte. Aber Clementine irrte sich. Erika erinnerte sich (sie erinnerte sich tatsächlich daran, mit dem Fabrizieren einer Geschichte hatte das nicht das Geringste zu tun), wie Vid sich am Morgen jenes Tages in das offene Fenster ihres Autos gebeugt und gesagt hatte: »Ist das nicht ein prachtvoller Tag?« Genau das waren seine Worte gewesen, das wusste Erika hundertprozentig. Na ja, vielleicht hatte er auch »herrlicher Tag« gesagt. Jedenfalls war es ein positiv besetztes Wort gewesen. Da war sie sich ganz sicher. (Sie wünschte, sie hätte geantwortet: »Ja, Vid, es ist wirklich ein prachtvoller/herrlicher Tag«, und dann das Gaspedal durchgetreten.) »Ich weiß noch, dass ich meine kleinen Mädchen besonders dick eingepackt habe«, fuhr Clementine fort. Wahrscheinlich war es in Wahrheit Sam, der die Kinder angezogen hat, dachte Erika. Clementine räusperte sich und hielt das Rednerpult mit beiden Händen seitlich umklammert. Das Mikrofon war zu hoch für sie eingestellt, sodass es den Anschein hatte, als müsste sie sich auf die Zehenspitzen stellen, um hineinsprechen zu können. Ihr langer, gereckter Hals unterstrich die neue Hagerkeit ihres Gesichts. Erika überlegte, ob sie sich unauffällig an der Wand entlangdrücken, zum Rednerpult schleichen und das Mikrofon niedriger stellen sollte. Das wäre eine Sache von wenigen Sekunden. Sie stellte sich vor, wie Clementine ihr ein kurzes, dankbares Lächeln zuwerfen und hinterher bei einer Tasse Kaffee sagen würde: »Ein Glück, dass du das Mikrofon verstellt hast. Du hast mir den Tag gerettet!« Das Dumme war nur, dass Clementine sie eigentlich gar nicht dahaben wollte. Erika war der erschrockene Ausdruck nicht entgangen, der über Clementines Gesicht gehuscht war, als sie gesagt hatte, sie werde zu ihrem Vortrag kommen, auch wenn Clementine sich schnell wieder gefasst und ihr versichert hatte, das sei ja wunderbar, ganz prima, wie reizend. Dann könnten sie anschließend im Gastronomiebereich einen Kaffee zusammen trinken. »Wir waren kurzfristig eingeladen worden«, fuhr Clementine fort. »Zu der Grillparty. Wir kannten die Gastgeber nicht besonders gut. Sie waren … na ja, sie waren Freunde von Freunden.« Sie blickte auf das Rednerpult, als hätte sie den Faden verloren. Clementine hatte einen kleinen Stapel von Hand beschriebener Karteikarten dabei, jede etwa handtellergroß. Die Karten hatten irgendwie etwas Rührendes, weil sie an die Schulzeit erinnerten, an den kleinen Tipp aus dem Rhetorik-Unterricht. Clementine musste sie mit einer Schere zurechtgeschnitten haben. Die mit dem Perlmuttgriff, die noch von ihrer Großmutter stammte, konnte es allerdings nicht gewesen sein, denn die war verloren gegangen. Es war seltsam, Clementine ohne ihr Cello vor Publikum auftreten zu sehen. In ihrer Jeans und dem »netten« geblümten Oberteil sah sie sehr konservativ aus. Wie eine Vorstadt-Hausfrau. Jeans waren unvorteilhaft für ihre kurzen Beine, die in den flachen Ballerinas noch kürzer wirkten. Das war einfach so. Sie hatte einen beinah altbackenen Eindruck gemacht, als sie zum Rednerpult gegangen war, auch wenn es illoyal schien, Clementine als »altbacken« zu bezeichnen. Als Cellistin trat sie mit hochgesteckten Haaren und hochhackigen Schuhen und ganz in Schwarz auf. Ihre langen Röcke waren aus fließenden Stoffen und so weit geschnitten, dass sie ihr Cello zwischen die Knie stellen konnte. Der Anblick Clementines, wie sie den Kopf voller Zärtlichkeit und Leidenschaft über ihr Cello beugte, als wollte sie es umarmen, hatte für Erika etwas unglaublich Sinnliches, Exotisches und Fremdartiges. Meist fiel Clementine dabei eine Haarsträhne bis fast auf die Saiten, und sie hielt den einen Arm in jenem sonderbaren, geometrischen Winkel. Selbst nach all den Jahren empfand Erika beim Anblick der musizierenden Clementine unweigerlich ein Gefühl von Verlust, wie eine Sehnsucht nach etwas Unerreichbarem. Sie war immer davon ausgegangen, dass dieses Gefühl auf etwas Komplizierteres und Spannenderes als Neid zurückzuführen war; schließlich hatte sie ja keinerlei Interesse daran, ein Instrument zu erlernen. Aber vielleicht irrte sie sich. Vielleicht steckte doch Neid dahinter und sonst gar nichts. Zuzusehen, wie Clementine ihre holprige und...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.