Moriarty | Neun Fremde | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 528 Seiten

Moriarty Neun Fremde

Roman
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-641-24972-4
Verlag: Diana
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 528 Seiten

ISBN: 978-3-641-24972-4
Verlag: Diana
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Neun Fremde und zehn Tage, die alles verändern: In einem abgelegenen Wellness-Resort treffen fünf Frauen und vier Männer aufeinander, die sich noch nie zuvor begegnet sind. Sie alle sind in einer Krise und wollen ihr altes Leben hinter sich lassen. Bald schon brechen alte Wunden auf und lang gehütete Geheimnisse kommen ans Licht. Denn nichts ist so, wie es scheint in Tranquillum House ...

Liane Moriarty lebt mit ihrer Familie in Sydney und ist seit Jahren auf den internationalen Bestsellerlisten vertreten. Ihre Romane verkauften sich weltweit über 20 Millionen mal und werden insgesamt in 46 Ländern veröffentlicht. Mit den Filmadaptionen von »Big Little Lies« und »Nine Perfect Strangers« eroberte die Autorin zudem Hollywood: Die Dramaserien von Produzent David E. Kelley, mit Nicole Kidman jeweils in der Hauptrolle, basieren auf den Romanen von Liane Moriarty.

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1 Yao »Es geht mir gut«, sagte die Frau. »Mir fehlt nichts.« Yao war anderer Meinung. Heute war sein erster Ausbildungstag zum Notfallsanitäter. Sein dritter Einsatz. Nervös war er nicht, aber er konnte es einfach nicht ertragen, auch nur den geringsten Fehler zu machen, und so befand er sich in einem Zustand höchster Konzentration. Schon als Kind hatten Fehler hemmungslose Heulattacken bei ihm ausgelöst, und noch heute bekam er Magenkrämpfe davon. Eine einzelne Schweißperle rann an der Schläfe der Frau hinunter und hinterließ eine Schneckenspur in ihrem Make-up. Yao fragte sich, warum Frauen sich neuerdings das Gesicht orange anpinselten, aber das tat jetzt nichts zur Sache. »Es geht mir gut. Das ist bestimmt nur so ein 25-Stunden-Virus«, sagte sie mit dem Hauch eines osteuropäischen Akzents. »Du musst deine Patienten und die Umgebung genau beobachten«, hatte Yaos Ausbilder, Finn, zu ihm gesagt. »Stell dir vor, du bist ein Geheimagent auf diagnostischer Spurensuche.« Yao beobachtete die übergewichtige Frau mittleren Alters mit auffälligen roten Ringen unter ihren markanten wassergrünen Augen und dünnem braunen Haar, das sie im Nacken zu einem traurigen Dutt zusammengebunden hatte. Sie war blass und schwitzte, ihr Atem rasselte. Starke Raucherin, ihrem Aschenbechergeruch nach zu urteilen. Die Frau saß in einem ledernen Chefsessel hinter einem riesigen Schreibtisch. Die Größe ihres schicken Eckbüros im siebzehnten Stock mit Blick auf den Hafen von Sydney deutete darauf hin, dass sie es hier mit einem ziemlich hohen Tier zu tun hatten. Das Opernhaus war so nah, dass man die einzelnen diamantenförmigen cremefarbenen Kacheln erkennen konnte. Die Frau scrollte mit ihrer Maus auf einem überdimensionalen Bildschirm durch ihre E-Mails, als wäre die Untersuchung der beiden Sanitäter nur eine lästige Lappalie – wie zwei kleine Handwerker, die eine Steckdose reparieren sollten. Sie trug ihren maßgeschneiderten blauen Anzug wie eine Strafe. Der Stoff ihres Blazers spannte unbequem an den Schultern. Yao nahm die freie Hand der Frau und klemmte ihr ein Pulsoximeter an den Finger. Dabei fiel ihm ein schuppig-roter Hautfleck an ihrem Unterarm auf. Prädiabetes? Finn fragte: »Nehmen Sie irgendwelche Medikamente, Masha?« Er redete mit seinen Patienten immer in einem lockeren Plauderton, als stünde er mit einem Bier in der Hand beim Barbecue. Yao war aufgefallen, dass Finn die Patienten immer mit Vornamen ansprach. Ihm selbst fiel es schwer, mit ihnen zu reden wie mit alten Freunden, doch wenn er dadurch bessere Resultate erzielte, würde er daran arbeiten, seine Schüchternheit loszuwerden. »Nein, ich nehme keine Medikamente«, erklärte Masha mit starrem Blick auf den Bildschirm. Entschieden klickte sie irgendetwas an, dann wanderte ihr Blick wieder zu Finn. Ihre Augen sahen aus, als hätte sie sie von einer wesentlich attraktiveren Frau geborgt. Vermutlich gefärbte Kontaktlinsen. »Ich erfreue mich bester Gesundheit. Tut mir leid, dass ich Ihre Zeit verschwendet habe. Ich hätte garantiert keinen Krankenwagen gerufen.« »Ich habe ihn gerufen«, sagte eine auffallend hübsche dunkelhaarige Frau in High Heels und einem karierten Bleistiftrock, dessen Muster an die Kacheln des Opernhauses erinnerte. Der Rock stand ihr hervorragend, doch auch das tat gerade nichts zur Sache, selbst wenn sie im Grunde Teil der Umgebung war, die Yao genau beobachten sollte. Die junge Frau kaute an ihrem kleinen Fingernagel. »Ich bin ihre Assistentin. Sie … ähm …« Sie senkte die Stimme, als wäre das, was jetzt folgte, ein wenig peinlich. »Sie ist kreidebleich geworden, und dann ist sie vom Stuhl gefallen.« »Ich bin nicht vom Stuhl gefallen!«, fauchte Masha. »Sie ist irgendwie runtergerutscht«, verbesserte sich die Assistentin. »Mir war kurz schwindelig, das ist alles«, sagte Masha zu Finn. »Und dann habe ich direkt weitergearbeitet. Könnten wir diese Sache ein wenig abkürzen? Ich zahle gerne Ihren vollen Preis oder Tarif oder was auch immer Sie für Ihren Service berechnen. Selbstverständlich bin ich privatversichert. Ich habe nur gerade wirklich keine Zeit für so was.« Sie wandte sich an ihre Assistentin. »Habe ich nicht einen Elf-Uhr-Termin mit Ryan?« »Ich werde ihm absagen.« »Habe ich da gerade meinen Namen gehört?« Ein Mann in einem zu eng geratenen lila Hemd kam mit einem Aktenstapel unter dem Arm ins Büro stolziert. »Ist was passiert?« Er sprach mit einem aufgesetzten britischen Akzent, als wäre er ein Verwandter der Queen. »Nein«, sagte Masha. »Setz dich.« »Masha ist gerade nicht verfügbar!«, protestierte die arme Assistentin. Yao fühlte mit ihr. Er konnte Menschen nicht leiden, die leichtsinnig mit ihrer Gesundheit umgingen, und fand, dass sein Beruf mehr Respekt verdient hatte. Außerdem hegte er eine tiefe Abneigung gegen Männer mit gegelten Stachelfrisuren und hochgestochenem Akzent, die zu enge lila Hemden trugen, um ihren übertrainierten Waschbrettbauch zu präsentieren. »Nein, nein, setz dich, Ryan! Das hier wird nicht mehr lange dauern. Es geht mir gut.« Masha winkte ihn ungeduldig herein. »Könnte ich bitte Ihren Blutdruck messen, ähm, Masha?« Mutig murmelte Yao ihren Namen, während er ihr die Armmanschette anlegte. »Erst mal sollten wir die Jacke ausziehen.« Finn klang amüsiert. »Sie haben ja ganz schön viel um die Ohren, Masha.« »Ehrlich gesagt brauche ich auf denen hier echt dringend ihre Unterschrift«, raunte dieser Ryan der Assistentin zu. Ehrlich gesagt muss ich hier echt dringend die Vitalparameter deiner Chefin checken, Arschloch, dachte Yao. Finn half Masha aus ihrem Blazer und legte ihn galant über die Sessellehne. »Her mit den Dokumenten, Ryan.« Masha richtete die Knopfreihe ihrer cremefarbenen Seidenbluse. »Sie müssen nur die ersten beiden Seiten absegnen.« Der Typ hielt ihr die Akte hin. »Soll das ein Witz sein?« Ungläubig hob die Assistentin die Hände. »Du solltest später wiederkommen, mein Freund«, sagte Finn nun in einem deutlich schärferen Tonfall. Der Typ machte einen Schritt zurück, doch Masha verlangte mit einem Fingerschnipsen nach der Akte, sodass er augenblicklich nach vorn stürzte und sie ihr aushändigte. Ganz offensichtlich jagte Masha ihm deutlich mehr Angst ein als Finn, und das sollte was heißen, denn Finn war ein ziemlich großer, kräftiger Kerl. »Das hier dauert höchstens noch vierzehn Sekunden«, sagte Masha zu Finn. Ihre Sprache wurde undeutlich, sodass man statt »Sekunden« nur noch »Sekunnen« hörte. Yao, noch immer mit der Blutdruckmanschette in der Hand, warf Finn einen Blick zu. Plötzlich kippte Mashas Kopf zur Seite, als wäre sie gerade eingenickt. Die Akte fiel ihr aus der Hand. »Masha?« Finn sprach in einem lauten Befehlston. Sie sackte nach vorn, und ihre Arme schlackerten durch die Luft wie die einer Puppe. »Genau so!«, rief die Assistentin mit Genugtuung. »Genau das hat sie eben auch gemacht!« »O mein Gott!« Der Typ im lila Hemd wich zurück. »O Gott. Sorry! Ich werde …« »Okay, Masha, wir werden Sie jetzt auf den Boden legen«, sagte Finn. Er griff ihr unter die Arme, und Yao nahm, stöhnend vor Anstrengung, ihre Beine. Sie war eine sehr große Frau, viel größer als er selbst. Mindestens eins achtzig und vollkommen schlaff. Gemeinsam legten sie Masha in stabiler Seitenlage auf den grauen Teppich. Finn faltete ihren Blazer zu einem Kissen. Mashas linker Arm hob sich wie von Geisterhand stocksteif über ihren Kopf. Die Hände ballten sich zu verkrampften Fäusten. Ihr Atem kam weiterhin stoßartig, und ihr Körper zuckte. Sie hatte einen Anfall. Krampfanfälle waren kein schöner Anblick, aber Yao wusste, dass man nichts tun konnte, außer abzuwarten. Masha trug nichts um den Hals, das er hätte lockern können. Er kontrollierte ihre unmittelbare Umgebung, fand aber nichts, woran sie sich den Kopf hätte stoßen können. »War es vorhin genauso?« Finn sah die Assistentin fragend an. »Nein. Nein. Da ist sie einfach nur ohnmächtig geworden.« Mit großen Augen und einer Art angewiderter Faszination betrachtete sie ihre Chefin. »Hat sie häufiger solche Anfälle?«, fragte Finn. »Ich glaube nicht. Ich weiß nicht.« Während sie antwortete, schlich sie rückwärts Richtung Bürotür, wo sich bereits eine Menschentraube bildete. Jemand reckte ein Handy in die Luft und filmte fleißig mit, als wäre der Krampfanfall seiner Chefin ein Rockkonzert. »Herzmassage einleiten.« Finns Augen waren ausdruckslos und glatt wie Steine. Einen Moment lang – nur eine Sekunde, aber dennoch – reagierte Yao nicht, da sein Gehirn noch damit beschäftigt war zu verarbeiten, was gerade geschehen war. An diese erstarrte Schrecksekunde würde er sich ein Leben lang erinnern. Er wusste, dass anfallartige Symptome einem Herzstillstand vorausgehen konnten, doch er hatte nicht sofort daran gedacht, weil sein Hirn nur eine einzige Realität zugelassen hatte: Die Patientin hat einen Anfall. Ohne Finn hätte Yao sich zurückgelehnt und ohne etwas zu unternehmen einer Frau dabei zugesehen, wie sie einen Herzstillstand erlitt. Wie ein Pilot, dessen Flugzeug abstürzte, weil er sich auf kaputte Instrumente verließ. Yaos wichtigstes Instrument war sein Gehirn, und an diesem Tag funktionierte...


Moriarty, Liane
Liane Moriarty lebt mit ihrer Familie in Sydney und ist seit Jahren auf den internationalen Bestsellerlisten vertreten. Ihre Romane verkauften sich weltweit über 20 Millionen mal und werden insgesamt in 46 Ländern veröffentlicht. Mit den Filmadaptionen von »Big Little Lies« und »Nine Perfect Strangers« eroberte die Autorin zudem Hollywood: Die Dramaserien von Produzent David E. Kelley, mit Nicole Kidman jeweils in der Hauptrolle, basieren auf den Romanen von Liane Moriarty.

Falk, Dietlind
Dietlind Falk wuchs im Ruhrgebiet auf. Sie studierte literarische Übersetzung an der Universität Düsseldorf und arbeitet seit 2010 als freie Übersetzerin aus dem Englischen und dem Französischen.



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