Morel | Lesbisch werden in zehn Schritten | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Reihe: Reihe: Wie wir leben wollen

Morel Lesbisch werden in zehn Schritten

Ratgeber meets Manifest: Die lesbische Liebe entdecken
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-8437-3568-1
Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Ratgeber meets Manifest: Die lesbische Liebe entdecken

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Reihe: Reihe: Wie wir leben wollen

ISBN: 978-3-8437-3568-1
Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Immer mehr Menschen leben queer - je nach Alter geben 5 bis 15 Prozent der deutschen Bevölkerung an, nicht (nur) auf das eigene Geschlecht zu stehen. So ist es auch bei Louise Morel. Nach mehreren bequemen, mittelguten Beziehungen mit Männern fand sie mit fast 30 Jahren heraus, dass es eine fantastische Alternative gibt - und wurde lesbisch.   Mit ihrem Buch ermutigt sie Frauen, die tiefe emotionale Verbindung mit Frauen zu spüren, ihr Begehren zu erforschen und die ewigen Kämpfe in heterosexuellen Beziehungen hinter sich zu lassen. Morel fordert die Leserinnen heraus, ihre Überzeugungen in Sachen Sexualität zu überdenken, und klärt viele praktische Fragen: Wie geht es weiter, wenn ich eine Frau geküsst habe und elektrisiert war? Wie funktioniert eigentlich lesbischer Sex? Wie gestalte ich mein Coming-out, und wie gehe ich mit unpassenden Fragen dazu um? Ihr Buch feiert das queere Leben und ist die perfekte Begleitung bei den ersten Schritten in eine neue Denk-, Gefühls- und Lebenswelt. 

Louise Morel wurde 1990 in Frankreich geboren und wuchs in einem Vorort von Paris auf. Bis zu ihrem 28. Lebensjahr war sie ein braves Mädchen: Sie studierte fleißig (Literatur an der Ecole Normale Supérieure in Paris), bekam einen guten Job (im französischen öffentlichen Dienst) und ging eine Beziehung mit einem netten Kerl ein (ein freundlicher Schwede) und war völlig gelangweilt. Als sie sich ihren Dreißigern näherte, beschloss sie, aus der Heterosexualität auszusteigen und ihre lesbische Identität anzunehmen. Gleichzeitig gab sie ihren prestigeträchtigen, aber langweiligen Job auf und zog von Paris nach Berlin.
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Weitere Infos & Material


Einleitung 

Wir werden lesbisch geboren 

wir werden es


Ich weiß, es gibt die Frauen, denen es im Grunde von Anfang an klar war. Manche haben es schon immer gewusst und sind ihrem Begehren mit Freude nachgegangen. Andere erzählten mir, wie sie kämpften, um ihre Lust auf Frauen zu unterdrücken, sich zwangen, mit Männern zu schlafen, und ihre Neigung für das eigene Geschlecht mitunter aus Scham versteckten.

Das ist auch die Geschichte, die mir in den Medien am häufigsten begegnet: Da ist die Rede von der schweren Bürde, mit der eigenen Homosexualität zu leben, sich nicht dagegen wehren zu können.

Davon handelt dieses Buch nicht. Nicht im Geringsten.

Denn das bin ich nicht.

Ich bin in keinen unwiderstehlichen Strudel geraten. Bei mir gab es keine Offenbarung, keine Wahrheit, die sich aufgedrängt hätte. Ich bin nicht eines Morgens aufgewacht und habe gedacht: Jetzt bin ich mir sicher, ich stehe auf Frauen, und zwar nur auf Frauen. Ich hatte noch nicht einmal rückblickend das Gefühl von Vorherbestimmtheit – als Kind zog mich nichts zu den anderen Mädchen, noch weniger hatte ich sogenannte »Jungsinteressen«, wie es das sexistische Klischee vom »Mädchen, an dem ein Junge verlorengegangen ist«, will.

Ich habe mit großer Begeisterung das Mädchen durch und durch gespielt und lange die Bequemlichkeit der Heterosexualität genossen. Ich weiß, was es heißt, nahezu fünf Jahre mit einem cishet2 Mann zusammenzuleben, und auch wenn sich dem Verflossenen im Nachhinein allerlei Schandtaten andichten ließen, kann ich vermutlich sagen, dass es eine nette kleine Liebesgeschichte war, so nett wie eine heterosexuelle Liebesgeschichte eben sein kann. Niemand hat mich gezwungen, mit Männern zu schlafen, jedenfalls nicht im buchstäblichen Sinne. Hättet ihr mich damals gefragt, hätte ich gesagt, dass ich sehr zufrieden bin, so wie es ist.

Und ich rede hier nicht von der grauen Vorzeit. Bis vor einigen Jahren hatte ich noch einen Freund, einen cis Mann, und habe seine Gesellschaft beim Sex, beim Reden oder beim Filmeschauen und dabei Einschlummern durchaus genossen.

Und trotzdem bin ich lesbisch geworden.

Ich habe mir einen Weg gebahnt, in Trippelschritten und auf Zehenspitzen.

Das heißt auch: Ich habe das Gefühl, dass ich eine Entscheidung getroffen habe.

Natürlich war es keine freie Entscheidung, Frauen anziehend zu finden. Zumal Handlungen durch zahlreiche Faktoren determiniert sind und es so etwas wie den freien Willen nicht gibt – ja, auch ich erinnere mich noch gut an meinen Grundkurs Spinoza.3

Und trotzdem.

Ich habe das Gefühl, dass ich – allgemein gesprochen – eine bewusste Entscheidung getroffen habe.

Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass diese Formulierung ziemlich problematisch ist.

Homophobe Menschen ziehen sie gern heran, um zu argumentieren, dass Homosexuelle, die sich für ihre sexuelle Orientierung »entscheiden«, auch die Entscheidung treffen müssten, die damit verbundenen Konsequenzen zu tragen. Deshalb verdienten sie es, wie Bürger*innen zweiter Klasse zu leben, was bedeutet, dass sie diskriminiert, gedemütigt und geschlagen werden und Schwierigkeiten bekommen, wenn sie mit der Person, die sie lieben, zusammenziehen oder gar eine Familie gründen wollen.

Zudem nehmen manche die Möglichkeit einer Entscheidung sogar zum Anlass dafür, »Konversionstherapien« zu verordnen, die diesen Namen gar nicht verdienen, weil sie nichts Therapeutisches haben: Es handelt sich um seelische und körperliche Qualen, die homosexuelle und trans Menschen dazu bewegen sollen, ihre »Entscheidung« zu überdenken und auf den rechten Weg der Cis-Heterosexualität zurückzukehren.

Angesichts dieser Bedrohung ist die Versuchung groß, zur eigenen Verteidigung vorzubringen, überhaupt gar keine Entscheidung getroffen zu haben.

Ich denke aber, das Problem an dieser Argumentation ist nicht die Frage, ob diese Schwulen und Lesben nun selbst entscheiden, was sie sind, oder nicht sind. Problematisch ist die Einstellung, Homosexualität müsse unterbunden werden. Problematisch ist, sie widerstrebend und unter der einzigen Bedingung zu tolerieren, dass sie unausweichlich sei, nach dem Motto: Homosexualität ist ein notwendiges Übel.

Dass viele von uns das Bedürfnis haben, zu beteuern, keine Wahl gehabt zu haben, verstehe und respektiere ich. Vollkommen.

Ich verstehe, dass es diese Menschen rasend macht, zu erleben, dass ihre Erfahrungen und Empfindungen für nichtig erklärt werden von Leuten, die – nicht ohne einen homophoben Unterton – behaupten, »homosexuell zu sein ist eine bewusste Entscheidung«.

Trotz allem denke ich, dass es uns nicht weiterhilft, schlicht auf »niemand entscheidet sich dafür« zu beharren.

Denn damit werden wieder andere Erfahrungen, andere Empfindungen und andere Lebensrealitäten ausgeblendet.

Wenn wir das, was zu den intimsten und äußerst individuellen Erfahrungen einer Person gehört, zu so einer allgemeinen Wahrheit wie »niemand entscheidet sich für die eigene sexuelle Orientierung« erklären, laufen wir Gefahr, einer homophoben Logik aufzusitzen, wonach das einzige Argument, das – eventuell – dafür spräche, uns nicht wie Abschaum zu behandeln, in der Auffassung besteht, dass wir Opfer unserer sexuellen Orientierung seien. Quasi gegen unseren Willen abnormal.

Das heißt, die Aussage, wir hätten keine Wahl, dient ganz nebenbei dazu, Heterosexualität zu einer biologischen Tatsache zu erklären.

Ach, guck an.

Zufällig ist das Einzige, was Homosexualität in den Augen homophober Menschen »rechtfertigen« könnte – nämlich eine essenzialistische Vorstellung der sexuellen Orientierung – auch genau das, was die heterosexistische Ordnung zum hegemonialen System erhebt.

Und tatsächlich läuft es auf dasselbe hinaus, wenn ich sage, dass wir uns unsere sexuelle Orientierung eben nicht aussuchen können, und wenn ich sage, dass alle Heterosexuellen schon immer heterosexuell waren und es für immer sein werden. Dass die Menschheit immer mehrheitlich heterosexuell sein wird. Dass Heterosexualität also von Natur aus die dominante Form der Sexualität ist und alle anderen Formen ihrem Wesen nach abnormal und subaltern sind.

Nein. Ich lehne es ab, Rechte zu haben, die darauf beruhen, dass ich einer heterosexistischen Ordnung unterworfen werde, die von Natur aus in der Mehrheit und von Natur aus dominant sein soll.

Wir verdienen keinen Respekt, »weil wir nicht anders können«. Wir verdienen Respekt. Punkt.

Und ja, es ist unser gutes Recht, aus dem Heteropatriarchat aussteigen zu wollen.

Was mich betrifft, ist die Tatsache, dass ich nicht mit einem cis Mann zusammen bin, also teilweise das Ergebnis einer bewussten Entscheidung. Ich weiß nicht, wie viele wir sind, aber ich bin mir sicher, dass ich nicht die Einzige bin. Alle Menschen, die sich nicht nur zu einem Geschlecht hingezogen oder nur von einem Geschlecht konditioniert fühlen, werden damit konfrontiert, eine Wahl zu treffen.

Und wie gesagt: Die Frage, ob ich das hier als Entscheidung empfinde oder nicht, stellt sich gar nicht. Ich fordere das Recht, aus dem Heteropatriarchat auszusteigen, und nehme es mir.

Ich schreibe dieses Buch, weil ich überzeugt bin, dass viel mehr von uns diesen Weg gehen würden, diese wunderbare Entscheidung treffen könnten, wenn ihnen klar wäre, dass wir die Wahl haben. Wenn wir nur Orientierungsmöglichkeiten hätten, uns jemand erklären würde, wie wir uns zurechtfinden. Als ich anfing, mein lesbisches Begehren auszuloten, suchte ich nach Erfahrungsberichten; Lebensgeschichten, die ich brauchte, um mich sicherer zu fühlen, aber auch, um besser zu verstehen, was mit mir passiert. Zum Glück machte ich wertvolle Entdeckungen wie diesen fantastischen Podcast ,4 den dieses Buch ergänzt.

Im Übrigen könnt ihr durchaus eine Weile als Hetera5 leben und etwas später feststellen, dass ihr lesbisch seid; das ist sogar der typische Werdegang der meisten Personen, die sich als lesbisch bezeichnen. Ganz genau, die (wenigen) Statistiken6, die es dazu gibt, deuten darauf hin, dass sich die meisten Lesben nicht von Anfang an als lesbisch definierten.7 Viele von uns haben sich durch die trostlose Ödnis der Heterosexualität geschleppt, bevor sie im lesbischen Schlaraffenland angekommen sind.

Das heißt, ihr könnt in jedem Alter lesbisch werden. Ihr könnt lesbisch werden, wenn ihr Mutter seid und eure Kinder aus einer Heterobeziehung stammen oder nach einer Geschlechtsangleichung oder nachdem ihr zwanzig Jahre als Single gelebt habt und meinetwegen auch einen Tag nach einer Hetero-Trennung. Alle Szenarien sind denkbar. Egal, wie alt ihr seid, in welcher Paarbeziehung oder Familiensituation ihr steckt und wie eure Vergangenheit aussieht – eure Zukunft kann lesbisch sein.

Wenn wir also die Möglichkeit einer bewussten Entscheidung in Betracht ziehen, könnten wir da eigentlich auch sagen, dass es möglich ist, uns frei dafür zu entscheiden, wen wir begehren oder lieben, und dass wir nur wollen müssen, um zu können? Können wir unsere Art zu lieben genauso ändern wie unsere...



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