E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Historical
Moore Fast ein Gentleman
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7337-6027-4
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 256 Seiten
Reihe: Historical
ISBN: 978-3-7337-6027-4
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Im Sturm verliert Clara ihr unschuldiges Herz an den umschwärmten Lord Mulholland. Doch eine Heirat ist aufgrund des Standesunterschiedes ausgeschlossen, und eine leichtfertige Romanze kommt für Clara nicht in Frage! Aber als der Lord sie galant auf seinen Landsitz einlädt, wird ihre Sehnsucht nach der Liebe übermächtig ...
Margaret Moore ist ein echtes Multitalent. Sie versuchte sich u.a. als Synchronschwimmerin, als Bogenschützin und lernte fechten und tanzen, bevor sie schließlich zum Schreiben kam. Seitdem hat sie zahlreiche Auszeichnungen für ihre gefühlvollen historischen Romane erhalten, die überwiegend im Mittelalter spielen und in viele Sprachen übersetzt wurden. Sie lebt mit ihrem Mann, mit dem sie seit über 20 Jahren verheiratet ist, ihrer Familie und zwei Katzen in Toronto, Kanada.
Weitere Infos & Material
1. KAPITEL
Wir müssten doch längst angekommen sein, oder?“ fragte Aurora Wells besorgt und spähte auf der Seite, auf der ihre Nichte saß, aus dem Fenster der Mietdroschke in die nebligen Londoner Straßen.
„Wir sind noch nicht lange genug unterwegs, Tantchen“, erwiderte Clara Wells geduldig. Verstohlen versuchte sie, den Rock ihres Kleides unter dem stämmigen Schenkel ihrer Tante hervorzuziehen, ehe die teure Seide hoffnungslos zerknittert war.
Tante Auroras goldfarbener Turban auf ihrem hennarot gefärbten Haar war über eines ihrer blassblauen Augen gerutscht und drohte in Claras Schoß zu purzeln.
„Ich bin mir sicher, dass es nicht so weit zu Lord Pimbletts Haus ist“, beharrte sie, diesmal an ihren Gatten gewandt. „Nicht mal dieser Nebel rechtfertigt solche Umwege. Ich fürchte, der Fahrer will uns betrügen!“
„‚O hätten wir doch alle Zeit der Welt‘“, rezitierte Onkel Byron auf dem Sitz gegenüber geistesabwesend, den Blick auf die Wasserflecken im Dach der kleinen zweirädrigen Kutsche geheftet.
Trotz seiner anscheinenden Zerstreutheit war er, wie Clara anerkennend feststellte, in angemessene Abendgarderobe gekleidet, ganz im Gegensatz zu Tante Aurora. Mit seiner glückseligen Miene und dem weißen Haar wirkte Onkel Byron stets freundlich und sogar irgendwie weise. Freundlich war er zweifellos, und weise wäre er vielleicht geworden, hätte seine Mutter nicht den fatalen Fehler begangen, ihn nach dem berühmten Dichter Byron zu nennen. Ihr Sohn war in dem Glauben befangen, bei diesem Namen er Poet sein.
Die Tante war gekleidet, wie es vor fünfzig Jahren in Künstlerkreisen modern gewesen sein mochte. Ihr Kleid im Regency-Stil mit hoher Taille unter dem umfänglichen Busen bestand aus mehreren Lagen fließendem zartviolettem Musselin, der zumindest teuer, wenn auch ihrer Figur nicht sonderlich zuträglich war. Es sollte vom Stil her griechisch wirken. Über dem Kleid trug sie eine fließende, goldfarbene Taftstola, passend zu ihrem exotischen Kopfputz.
Tante Aurora rückte glücklicherweise etwas zur Seite, und Claras Kleid war für den Augenblick außer Gefahr.
Ohnehin hatte es weit mehr gekostet, als Clara zu zahlen bereit gewesen war. Sehr zu ihrem Leidwesen hatte Tante Aurora jedoch auf dem Kauf bestanden und, ungeachtet der übrigen Kundschaft im Atelier der Schneiderin, immer wieder darauf hingewiesen, Clara müsse sich kleiden, wie es ihrem Stand entspräche. Schließlich sei sie die Enkelin eines Grafen, auch wenn der alte Schurke ihre Mutter enterbt habe. Da nun endlich ihre Einführung in die Londoner Gesellschaft stattfinde, müsse sie eben beim Kauf ihrer Garderobe etwas tiefer in die Tasche greifen.
Nur weil Clara die Gedankengänge ihrer Tante kannte und ihr Verhalten voraussah, hatte sie verhindern können, zum Kauf eines auffallend königsblauen oder purpurroten Kleides mit passendem, blumenüberladenem Kopfputz genötigt zu werden.
Sie hatte Tante Aurora schließlich überzeugt, dass sie sich unauffällig und sehr zurückhaltend kleiden müsse. Sollte ihr Großvater von ihrer Anwesenheit auf dem Ball bei den Pimbletts erfahren, dürfe es nicht den geringsten Anlass zur Kritik an ihrer Aufmachung oder ihrem Auftreten geben. Glücklicherweise hatte die Tante das eingesehen. Somit war ihre Garderobe heute sehr schlicht, und sie brauchte sich keine Gedanken zu machen, dass sie damit unangenehm auffiel, vorausgesetzt natürlich, sie konnte verhindern, dass ihr Kleid völlig zerdrückt wurde.
„Vielleicht ist Lord Mulholland auch dort“, frohlockte Aurora Wells aufgeregt. „Wäre das nicht wundervoll? Wie man hört, ist er der bestaussehende Mann Englands! Was für ein Triumph wäre es für mich, wenn ich porträtieren könnte!“
„Ich möchte annehmen, er besitzt genügend Bilder von sich, falls er der eingebildete Tunichtgut ist, für den ihn alle Welt hält“, erwiderte Clara. „Vermutlich ist er ein eitler Gockel ohne einen Funken Verstand in seinem hübschen Kopf“, schloss sie. Natürlich hatte sie schon von dem reichen Aristokraten gehört, dessen Vorname Paris anscheinend sein Verhalten vorbestimmte. Paris von Troja war der legendäre Verführer der schönen Helena von Sparta gewesen. Eine Verführung, die bekanntermaßen den Trojanischen Krieg auslöste.
Jemand, der, wie Lord Mulholland, diese Kombination von gutem Aussehen, Reichtum und Adelstitel auf sich vereinigte, war in London naturgemäß in aller Munde. Leider konnte sich Clara nur zu genau vorstellen, wie ein solcher Mann auf Tante Auroras Ansinnen reagieren würde.
„Ich bin absolut sicher, der Kutscher hat sich verfahren“, beharrte Aurora Wells und bemühte sich abermals hinauszusehen. „Ist das nicht Rotten Row? Wir dürften überhaupt nicht am Hyde Park sein! Ich bin sicher, er versucht, uns zu betrügen!“
„Nein, Tante“, widersprach Clara ruhig. „Er fährt die richtige Strecke.“
Der Anflug eines amüsierten Lächelns huschte über ihr Gesicht. Selbst wenn der Kutscher sie zu betrügen versuchte, würde Tante Aurora ihn nicht zur Rede stellen. Es oblag ihr, Clara, den Kutscher zu bezahlen, so wie sie für alle finanziellen Angelegenheiten im Haushalt ihrer beiden Vormünder zuständig war.
Sie hatte diese Aufgabe seit ihrem dreizehnten Lebensjahr übernommen, seit sie nach dem Tod der Eltern zu Onkel und Tante gezogen war. Damals bereits war ihr aufgefallen, dass Tante Aurora und Onkel Byron in höheren Sphären schwebten, hoch über den praktischen Dingen des Lebens. Zumindest waren sie selbst aufrichtig davon überzeugt, was naturgemäß gelegentlich zu nicht geringen Problemen in der Alltagsbewältigung führte.
Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte der Kutscher sich nicht zu beeilen brauchen, zur Londoner Residenz von Lord und Lady Pimblett zu gelangen. Die Distanz zwischen ihrer Wohnung in Bloomsbury und diesem exklusiven Teil Londons war gesellschaftlich noch weit größer als geographisch.
Clara war nicht mal sicher, wie und warum sie zu diesem Ball eingeladen worden waren. Es war im Britischen Museum geschehen, wo sie bei einer der dort ausgestellten Mumien verweilten. Plötzlich hatte sie bemerkt, dass sich ihre Tante einer äußerst gut gekleideten, sehr selbstsicher auftretenden Dame näherte und sie in ein Gespräch verwickelte.
Sie hatte schon das Schlimmste befürchtet: dass nämlich ihre Tante die Dame fragen würde, ob sie ihr Porträt malen dürfe.
Clara glaubte, sich nie daran zu gewöhnen, wenn ihre Tante, was oft geschah, völlig fremde Menschen um einen Malauftrag anging. In diesem Sommer war es besonders schlimm gewesen, und Clara fühlte sich in gewisser Weise dafür verantwortlich. Wenn sie nicht schon längst das Alter überschritten hätte, in dem man in die Gesellschaft eingeführt wird, wäre Tante Aurora weniger beharrlich auf Aufträge versessen gewesen. Seufzend wünschte sie, auf die Einführung in die Gesellschaft verzichten zu können, solange dazu solche … solche vonnöten waren.
Sobald die Dame weiterging, war Tante Aurora zu ihr zurückgekehrt und hatte in dem ihr eigenen, ungehemmten Enthusiasmus verkündet, sie seien zum Ball bei den Pimbletts eingeladen.
„Denkt doch nur!“ begeisterte sich Tante Aurora und holte Clara aus ihren Gedanken in die Gegenwart zurück. Sie klatschte in die plumpen Hände, an deren Fingern Ringe mit falschen Steinen steckten, die sie für hübsch hielt. „Eine Einladung zu einem gesellschaftlichen Ereignis bei Lord und Lady Pimblett! Was für eine Freude! Was für ein Vergnügen! Ich , dass es richtig war, sie im Museum anzusprechen! Die liebe Lady Pimblett! Was für eine Statur! Was für eine Figur!“
„Was für ein Korsett“, spottete Clara lächelnd. „Sie ist so eng geschnürt, dass sie einen Schwächeanfall erlitt, als sie im Museum versuchte, ihren Mann einzuholen. Vermutlich verbringt sie die meiste Zeit des Tages damit, auf dem Sofa zu liegen und sich für unpässlich zu halten.“
„Clara!“ ermahnte Tante Aurora sie, indem sie ihr mit dem Fächer auf den Arm tippte. Ein Fächer, der mit handgemalten Szenen halbnackter Nymphen und Dryaden verziert war, was in einer Stadtresidenz in Mayfair für empörtes Geflüster sorgen würde, dessen war Clara sicher. „Sie ist eine Frau von hohem Stand, und wir dürfen uns sehr geehrt fühlen, dass wir in ihr Haus eingeladen wurden. Ich muss dich bitten, das nicht zu vergessen.“
Clara nickte errötend, denn es geschah selten, dass die gutherzige Tante sie tadelte. Sie nahm sich vor, Ruhe und Geduld zu bewahren und Tante Auroras Verhalten mit Nachsicht hinzunehmen, obwohl sie genau wusste, was geschehen würde. Die Tante würde auf dem Ball umherwandern und jeden, dessen Blick sie auffangen konnte, fragen, ob er sich nicht von ihr porträtieren lassen wolle.
Clara fragte sich wohl zum hundertsten Male, warum sie sich von Tante Aurora hatte überreden lassen, sie auf den Ball in dieses Palais zu begleiten. Vermutlich würden lauter langweilige, uninteressante Leute dort sein, die nur auf sie herabsahen. Oder schlimmer noch, die sie betrachteten, als sei ihr ein unsittlicher Lebenswandel vorzuwerfen, nicht unähnlich dem der unglücklichen Frauen auf den Straßen.
Tante Aurora jedoch verfügte über die glückliche Gabe, die Reaktionen anderer Menschen weder zu fürchten noch zu bemerken, wie die des Kutschers beispielsweise, der sie geradezu mit offenem Mund angestarrt hatte, als sie sich seinem Gefährt näherte.
Aurora Wells grübelte stirnrunzelnd: „Vielleicht benötigt Lady Pimblett ein solches Kleidungsstück. Möglicherweise hat sie einen schwachen...