Moor | Irische Finsternis | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Reihe: Sehnsuchtsorte

Moor Irische Finsternis

Kriminalroman
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96041-729-3
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Reihe: Sehnsuchtsorte

ISBN: 978-3-96041-729-3
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Spurensuche an den Cliffs of Kerry

Marc Wegener ist am Boden zerstört, als seine Verlobte kurz vor der Hochzeit unter ungeklärten Umständen ums Leben kommt. Als er auf einem Foto von ihr im Hintergrund seine alte Jugendliebe Jane entdeckt, reist er in deren Heimat Irland in der Hoffnung, dass sie Antworten für ihn hat. Doch Jane scheint spurlos verschwunden. Marc forscht weiter. Was er herausfindet, lässt die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen.

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2 Trotz des Regens sind Dublins Straßen voller Menschen. Den Wagen habe ich in einem Parkhaus in der Innenstadt geparkt. Ich treibe in einem bunten Strom aus Regenanzügen, so einen hätte ich Trottel auch einpacken sollen. Ein kalter Wind weht die von Kaimauern eingezwängte Liffey hinab, als ich über die Millennium Bridge laufe. Fucking freezing, hätte mein Freund von der Fähre gesagt. Ich muss den Schirm mit beiden Händen festhalten, damit wenigstens mein Kopf trocken bleibt, der Regen kommt von überall. Es ist Ebbe, aus dem Fluss steigt ein modriger Geruch nach Schlick und Tang, der sich mit dem der Autoabgase mischt. Die haben sich auch ins Rot der eckigen Ziegelbauten entlang der Uferstraße gefressen, sodass sie aussehen, als hätte sich ein Grauschleier auf sie gelegt. Es braucht wohl viel Sonne, um das Rot wieder zum Leben zu erwecken. Fleischige Seetangblätter hängen wie Wucherungen von den Kaimauern herab, zwei blaue Plastikflaschen treiben zwischen weißen Möwen auf dem schmutzig grauen Wasser. Die Schreie der Vögel klingen drohend und kalt. Ich schaue in die Gesichter der Leute und suche nach Jane, als wäre es nicht unwahrscheinlich, dass sie mir hier einfach so über den Weg läuft. Ich weiß nicht mehr, was mein erster Gedanke war, als ich sie auf dem Foto erkannte. Es war eine Explosion von Gedanken. Dass sie es ist und dass es Unsinn ist, dass sie es ist. Wir hatten ein Vierteljahrhundert keinen Kontakt, warum sollte sie plötzlich etwas von mir wollen? Aber vielleicht war es Zufall, vielleicht war sie beruflich in Frankfurt, hat sich an diesem herrlichen Frühlingstag in die Sonne gesetzt und mich erkannt. Oder sie hat mich gar nicht erkannt und nur gedacht: Wow, was für ein glückliches Paar! Oder sie wollte mich finden. Hat mich verfolgt, weil sie unsere Trennung nie verwunden hatte. Und deshalb will sie sich rächen und bringt meine schwangere Verlobte um. So ein Quatsch, dachte ich dann und sah noch mal hin. Sah eine Frau, deren Schönheit mir unter die Haut ging. Sah das Bedingungslose in ihrem Blick, der mich damals schon magisch angezogen hatte. Erinnerte mich, wie wir schwitzend und nackt nach einer Nacht voller Sex in diesem winzigen Wohnwagen am Lough Currane gelegen und geraucht hatten, während draußen die Vögel zwitscherten. »Du bist ein kranker Romantiker, das warst du schon immer«, meinte Philipp, als ich ihm von diesen Gedanken erzählte. »Du stellst dir vor, dass Jane Annas Mörderin ist, und zugleich willst du mit ihr vögeln und dich in sie verlieben. Du bist völlig verrückt, aber ich gebe zu, es gibt weniger originelle Wege, um sich zu zerstören.« Zumindest damit hat er wohl recht. Der Pub, in dem ich mich mit dem Detektiv verabredet habe, ist direkt gegenüber von der Christ Church Cathedral. Blumenbüsche wachsen aus Ampeln über der Tür und ranken die Fenster herab. Die erdbeerroten, himmelblauen, orangen und rosafarbenen Blüten blühen so prächtig vor dem satten Grün der Blätter, als wollten sie der wintergrauen Stadt einen Vorwurf machen. Aber wahrscheinlich sind sie gar nicht echt, sie blühen einfach zu perfekt. Als ich die Tür öffne, schlagen mir warme Luft und Folkklänge entgegen. Eine Combo mit Harfe, Geige und Querflöte sitzt um einen Tisch und spielt. Rhythmisch, schnell, mehr fröhlich als traurig, dazu Geplauder, Gelächter, es riecht nach Guinness und Pommes. Tut gut. Und ich brauche einen Drink, dringend. Das Licht ist gedimmt, nur über der Bar aus dunklem Holz werden Dutzende Whiskeyflaschen hell angestrahlt. Ein Firmament aus silbrigem Glas, dunklem Grün und glänzendem Bernstein. Brian Ferguson begrüßt mich mit einem jovialen Lächeln. Ich erkenne ihn sofort. Am Telefon meinte er nur, ich solle nach einem Fleischberg mit kahlem Gipfel Ausschau halten. Jetzt stehen geschätzte vier Zentner auf knapp zwei Metern vor mir und schütteln meine Hand. Seine ist groß wie eine Schaufel und ziemlich verschwitzt. Ich mag den Mann sofort. Ein offenes Gesicht mit einem warmen Lachen, fleischigen Lippen und smarten Augen. Er trägt ein Seidenhemd und eine teuer aussehende Anzughose aus grün glänzendem Stoff. Wir sitzen in einer ruhigen Ecke mit Blick auf die Band und die Bar. Auf dem Tisch liegt ein großes iPhone. Detektivarbeit scheint sich in Irland zu lohnen. »Sie sehen aus, als könnten Sie einen Hot Whiskey gebrauchen. Oder besser gleich einen doppelten?« Ich nicke. »Und noch ein Pint Guinness dazu.« Brian grinst und gibt dem Barmann ein Zeichen. »Ihr Deutschen seid noch schlimmer als wir.« Meine Hose ist patschnass, ich bin völlig durchgefroren. Vor Brian steht ein riesiger Teller mit einem Supersize-Rumpsteak und einer Wagenladung Pommes. »Willkommen im zauberhaften irischen Frühling«, meint Brian trocken und nimmt wieder Platz. »War bestimmt eine reizende Überfahrt. Ich schätze mal, zwei Drittel der Passagiere haben die Fische gefüttert?« »Mindestens! Deshalb bin ich an Deck geflüchtet. Aber da hat sich auch einer die Seele aus dem Leib gewürgt. Wäre beinahe über Bord gegangen. Keine dreißig und ein schwerer Trinker.« »Tja, die irische Krankheit. Im alten Irland tranken die Leute, weil sie entweder arbeitslos waren oder ein Leben lang an einem öden Job festhingen. Im neuen Irland trinken sie, weil sie an den vielen Möglichkeiten verzweifeln. Oder scheitern. Und da ist kein Glaube mehr, der dich sanft an den weichen Busen drückt wie eine alles verzeihende Mutter.« »Und Sie? Sind Sie neues oder altes Irland?« Brian lacht. »Beides. Ich liebe traditionelle Pubs und Folk Music, aber zurück ins bigotte, korrupte, alte Irland will ich nicht. Das wurde in den letzten Jahrhunderten von drei grausamen Herrinnen regiert: der britischen Krone, der Armut und der katholischen Kirche. Gott sei Dank haben wir uns von allen so ziemlich befreit.« »Und wer regiert Irland jetzt?« »Gute Frage! Der freie Wille? Oder die freie Marktwirtschaft. Finden Sie es heraus. Wissen Sie übrigens, dass die dicksten Dorsche der Irischen See direkt unterhalb der Fährlinie gefangen werden? Aus offensichtlichen Gründen?« »Ach so? Dann nehme ich wohl lieber kein Fish & Chips!« Brian grinst süffisant. »Steak ist hier eh besser. Ich komme zweimal im Monat zum Essen her. Allerdings sind die Portionen für Touristen kleiner. Die Riesensteaks macht der Wirt speziell für mich.« Ich schüttle den Kopf. »Danke, ich nehme gar nichts. Mein Magen muss sich erst noch akklimatisieren.« Und hier kommen die Drinks. Vor mir steht das erste Stout seit einer Ewigkeit, schwarz wie meine Träume, schwarz wie meine Seele. Und die fingerbreite Schicht weißen Schaums ist wie der letzte Rest Hoffnung, der mich aus Mitleid noch nicht verlassen hat. Mit dem ersten Schluck leere ich es zur Hälfte. Ahhh! Bittersüß und betörend, wie eine wilde letzte Liebesnacht. Dann nehme ich den Hot Whiskey. Brian nippt an seinem und mustert mich, wie ich die Hände an dem Glas wärme. Einen Mann, der aussieht, als hätte ihn die Hölle ausgespuckt. »Und Sie wollen also Ihre Jugendliebe wiederfinden?« »So ist es. Ich bin ziemlich gespannt, was Sie herausgefunden haben. Im Internet habe ich ein paar Jane Flynns gefunden, aber meine war nicht dabei. Ihre Agentur meinte, Sie wären der Beste, wenn es darum geht, jemanden zu finden.« Brian lächelt. »Schön, dass die das meinen. Aber wie gesagt, viel habe ich leider noch nicht. Ich hätte Ihnen das auch einfach schicken können.« Ich schüttle den Kopf. »Ich wollte Sie sehen, wenn Sie es mir erzählen. Außerdem musste ich einfach weg. Zu Hause ist mir die Decke auf den Kopf gefallen. Schlimmer noch: Ich war dabei durchzudrehen.« »Das kenne ich. Ich flieg immer nach Griechenland, wenn so eine Phase im Anmarsch ist. Dort lass ich mir dann die Sonne auf die Wampe brutzeln und trinke Cocktails, bis die Welt wieder im Lot ist. Na ja. Wegen dieser Jane Flynn: Allzu gute Neuigkeiten habe ich nicht.« »Ist sie tot?« »Ich weiß es nicht.« Brian seufzt. »So einen Fall hatte ich noch nie. Ich bin tatsächlich ziemlich gut darin, Verschwundene zu finden, doch diese Jane Flynn scheint sich in Luft aufgelöst zu haben.« »Aber Sie haben eine Spur?« Er schiebt mir ein Polizeifoto hin. Bestürzt starre ich es an. Es ist Jane, eindeutig. Ihre rotblonden Haare, die Sommersprossen und diese unglaublichen Augen: Ihre Iris war hellgrün mit goldenen, gelben, grauen, blauen und braunen Sprenkeln, ein verwirrendes Mosaik, man konnte sich darin verlieren. Das Foto muss ein paar Jahre nach unserem Sommer aufgenommen worden sein. Aber sie hat sich verändert, mein Gott. Ihre Züge wirken hart und feindselig. Ich weiß nicht, ob ich diese Frau mag. Ich würde mich jedenfalls nicht Hals über Kopf in sie verlieben. »Ist das die Jane, die Sie suchen?« Ich nicke. »Von wann ist das Bild?« »Mai 1996. Da war sie gerade zwanzig. Dreiundzwanzig Jahre ist das jetzt her. Sie wurde in London festgenommen wegen eines Diebstahldelikts. Sie wollte ein paar Flaschen Wodka aus einem Supermarkt stehlen, wurde aber vom Ladendetektiv gestellt. Die Polizei hat dann Heroin bei ihr gefunden.« »Sie war ein Junkie?« Ich merke, wie ich noch blasser werde. Brian nickt und sieht mich mitfühlend an. »Sie hatte damals keinen festen Wohnsitz. Zumindest war sie nirgendwo gemeldet. Angeblich wohnte sie bei einer Freundin in East London. Die war auch polizeibekannt, eine drogenabhängige Prostituierte. Keine Ahnung, ob Jane ebenfalls als Prostituierte gearbeitet hat.« »Oh mein Gott.« »Tut mir leid.« »Haben Sie noch mehr?« »Jane hat zwei Jahre zuvor die Schule ohne Abschluss verlassen. Ein...


Matthias Moor, Jahrgang 1969, ist verheiratet, hat zwei Kinder und arbeitet als Gymnasiallehrer und freier Journalist in Konstanz. Irland ist neben dem Bodensee seine Seelenheimat.



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