Moor | Fischerkrieg am Bodensee | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Reihe: Bodensee Krimi

Moor Fischerkrieg am Bodensee

Kriminalroman
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96041-774-3
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Reihe: Bodensee Krimi

ISBN: 978-3-96041-774-3
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Intensiv recherchierter Öko-Krimi mit einer Prise Humor.

Am Bodensee sinken die Fischbestände dramatisch, die Fischer fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Journalistin Alexandra Kaltenbacher soll über die Lage berichten. Als sie in der Zeitung das Foto eines ermordeten Mannes entdeckt, läuten bei ihr die Alarmglocken: Derselbe Mann hatte ihr kurz zuvor Hinweise über den Verbleib ihrer Mutter versprochen, die einst am See verschwand. Privatdetektiv Martin Schwarz soll Ermittlungen dazu anstellen. Was er herausfindet, wirft ein neues Licht auf den alten Fall. Das gefällt nicht jedem – und ein unerbittlicher Fischerkrieg beginnt ...

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1
Gerade war ein heftiger Aprilschauer vorübergezogen. Der dunkle Wald roch nach feuchter Erde, Moos und moderndem Laub. Friedhofsgeruch, dachte Alexandra, und vielleicht lag hier wirklich irgendwo ihre Mutter verscharrt, wobei das unwahrscheinlich war. Denn im Konstanzer Lorettowald war zu viel los, um eine Leiche zu vergraben, zumindest tagsüber. Außerdem hatte die Polizei das Waldstück mehrfach durchkämmt. Jetzt, in der Nacht, war es still. Bedrohlich ragten die Schatten der Bäume in den schwarzen Himmel. Aber vielleicht war ihre Mutter an diesem Ort ermordet worden. Zumindest hatte der Täter sie von hier entführt. Möglicherweise. Jedenfalls hatte ein Jogger ihre Mutter an jenem Tag im Lorettowald beim Laufen gesehen. Und ihr Auto wurde später auf einem Parkplatz in der Nähe entdeckt. Es war ein nebliger Herbstnachmittag gewesen, man hatte kaum zwanzig Meter weit sehen können. Womöglich hatte der Täter sie betäubt, zu seinem Auto gezerrt und irgendwohin gefahren. Das vermutete zumindest die Polizei. Damals waren innerhalb von acht Wochen drei Frauen verschwunden, und keine war zurückgekehrt. Es gab keine Leichen und keinen Täter. Man wusste nicht einmal, ob die Frauen ermordet und ob sie überhaupt tot waren. Alle verschwanden beim Joggen in einem Waldstück, alle hatten die Orte regelmäßig aufgesucht, sodass die Polizei davon ausging, dass der Täter sie über einen gewissen Zeitraum beobachtet hatte. Dass er sie gezielt ausgewählt und auf eine günstige Gelegenheit gewartet hatte. Alex fischte eine Zigarette aus der Packung. Ihre Hände zitterten vor Kälte und Wut. Die Zigarette war ziemlich feucht, brannte dann aber doch. Das Papier knisterte, und sie sog den Rauch ganz tief in sich hinein, dorthin, wo die große Traurigkeit saß. Tropfen fielen von den nassen Blättern, als würde es immer noch regnen, und ihre Kleider waren nass. Was hatte sie nur geritten, diesen verfluchten Auftrag anzunehmen? Warum wollte sie zurück in diese Scheißstadt? Warum stand sie mitten in der Nacht in diesem Scheißwald? Damals war sie fünfzehn gewesen und hatte nicht glauben wollen, dass ihre Mutter tot war. Deshalb war sie Tag für Tag nach der Schule hierhergeradelt. Es war wie ein Zwang, immer und immer wieder lief sie die Pfade des Lorettowaldes ab und suchte nach Hinweisen, dem Haargummi ihrer Mutter, dem Hausschlüssel oder der Trinkflasche, die sie beim Laufen in der Hand gehalten hatte. Vielleicht, vielleicht hatte die Polizei ja etwas Entscheidendes übersehen. Und außerdem konnte es einfach nicht sein, dass ihre Mutter so mir nichts, dir nichts verschwand. Mit ihrem Lachen hatte sie die Schatten vertrieben, die sich auf ihr Haus legten, als ihr Vater mit den Jahren immer stiller und trübseliger wurde. Und auch wenn es manchmal Streit zwischen ihnen gab, Alex fühlte sich ihrer jungen Mutter so nah, als wären sie Schwestern, als schlügen ihre Herzen im selben Takt. Sie hatte gehofft, dass ihre Mutter plötzlich hier im Wald vor ihr stehen würde, mit ihrem fröhlichen Lächeln, als wäre nichts gewesen und als gäbe es eine simple Erklärung. Diese schattigen Pfade verfolgten sie seitdem in ihren Träumen, und manchmal sah sie ihre Mutter, wie sie mit ihren langen hellbraunen Haaren zwischen den Bäumen stand. Sie blickte lächelnd zu ihr und breitete die Arme aus. Aber in diesen Träumen erklärte sie nie, warum sie seit Tagen, Wochen, Monaten, Jahren verschwunden war. Denn wenn Alex die Mutter umarmte, wachte sie plötzlich auf. Vielleicht, vielleicht war Elisabeth wirklich nicht tot. Damals hatte Alex das fest geglaubt. Nach dem Studium hatte sie nach ihr gesucht, war sogar zu ihren Verwandten nach Russland gereist, hatte aber keine Spuren gefunden. Enttäuscht, niedergeschlagen war sie zurückgekehrt. Hör auf zu suchen, sagten ihre Freunde. Mit der Ungewissheit wirst du leben müssen, überwinde den Schmerz, lass dich nicht von einer trügerischen Hoffnung zerstören. Das war natürlich gut gemeint und leicht gesagt. Es gab Jahre, da war sie spindeldürr gewesen, da hatte sich ihre Gesichtshaut wie dünnes Pergament über ihre Knochen gelegt, und ihre Arme hatten wie vertrocknete Äste ausgesehen, sodass sie Angst bekam, wenn sie in den Spiegel blickte. Nein, sie war nicht magersüchtig gewesen, sie hatte sich furchtbar hässlich und alt gefunden, aber verdammt noch mal keinen Hunger gehabt, jedes Stückchen Apfel musste sie in sich hineinzwingen, und natürlich lag das nicht nur an Elisabeths Verschwinden. Aber doch vor allem, vor allem an den Folgen. Inzwischen kam sie ganz gut klar. Meistens. Jedenfalls war sie nicht mehr so dürr und konnte essen, ohne sich zu quälen. Doch wenn ihr Handy klingelte und eine unbekannte Nummer anzeigte, dachte sie manchmal, es könnte ihre Mutter sein. Da klopfte ihr Herz dann wie verrückt. Allmählich ließen die Tropfen nach. Der kleine Wald war wie eine Wildnis, zwischen den hohen Stämmen der alten Buchen und Eichen lag von nassem Moos überwachsenes Totholz, und junge, buschige Bäumchen drängten nach oben. »Warum fährst du zum Joggen extra in den Lorettowald?«, hatte sie ihre Mutter einmal gefragt. Denn wo sie wohnten, auf der Insel Reichenau, gab es auch schöne Wege direkt am See. »Ich muss ab und zu einfach was anderes sehen«, hatte sie geantwortet und dabei gelächelt. Und ihr zugezwinkert. Genau wie an dem Tag, an dem sie für immer verschwand. An jenem Tag hatte Alex nicht nur die Mutter, sondern auch ihre Familie verloren. Ihren Vater, ihre Schwester, ihre Heimat. Oder schlimmer, die geliebte Heimat war zu einem kalten, tückischen Ort geworden. Zu einem zugefrorenen See mit brüchigem Eis, den man besser nicht betrat. Sie hatte sich nie wohlgefühlt, wenn sie während des Studiums nach Konstanz zurückgekehrt war. Wenn sie Schulfreunde traf, die voller Sehnsucht nach Hause kamen und in vertrauten Kneipen verklärte Erinnerungen austauschten, fühlte sie sich fremd und fehl am Platz. Wollte die Geschichten von früher nicht hören, und wie gut es den anderen jetzt ging. Da wurde ihr Herz vor Kälte wie taub, und sie hörte, wie das Eis unter ihr knackte. Irgendwann war sie dann einfach nicht mehr heimgefahren. Und wenn sie im Fernsehen die Wetterkarte mit dem Bodensee sah, spürte sie manchmal einen Stich und zappte schnell weiter. Auch übers Auswandern hatte sie schon ernsthaft nachgedacht. Und jetzt war sie doch wieder hergekommen. Da knackte etwas. Nicht das Eis, sondern etwas im Unterholz. Vielleicht ein Fuchs? Nervös blickte sie sich um. Sofort raste ihr Puls. Es ist die Mutter, war ihr erster Gedanke. Wieder knackte es. Das war kein Fuchs; was auch immer dort lauerte, war viel größer. Was, oder wer. »Hallo?«, rief sie und schaffte es nicht, die Angst in ihrer Stimme zu verbergen. Keine Antwort, nichts. Nur das Fallen der Regentropfen von den Blättern. Sie ging los, schnell. Der Pfad war schmal. Von beiden Seiten griffen nasse Äste wie kalte Hände nach ihr. Bald schimmerte zwischen den Bäumen das Licht von den Laternen, die einen breiten Waldweg beleuchteten. Niemand schien ihr zu folgen, aber sie rannte trotzdem, als würde der Mörder ihrer Mutter im Unterholz auf sie lauern. Zehn Minuten später stand sie keuchend am Hörnle. Scheißzigaretten, dachte sie, aber immerhin, jetzt war ihr wieder warm. Das Strandbad lag auf einer breiten Landzunge zwischen Konstanzer Bucht und Überlinger See. Alles war still, und der Blick ging so weit. Das war besser als der dunkle Wald. An den gegenüberliegenden Ufern flimmerten die Lichter der Dörfer und Städte, dazwischen erstreckte sich die riesige Fläche des Obersees wie ein schwarzer Fjord, der ins Nichts führte. Niemand zu sehen. Leichter Dunst schwebte über den nassen Wiesen, er schimmerte im Mondlicht. Sie ging runter zum Strand. Ihre Jeans war noch ganz klamm. Dennoch zog sie die Schuhe aus, krempelte ihre Hose hoch und lief ein paar Meter über den Kies ins Wasser. Es war so kühl und roch so frisch, wie es das nur im Frühling tat, als wäre es nach langem Schlaf wieder zum Leben erwacht. Als würde es blühen. Hier pflegte ihre Mutter im Sommer nach dem Joggen zum Baden zu gehen. Sie war zu einem der Flöße geschwommen und hatte sich in die Sonne gelegt. Ließ sich von den Wellen schaukeln. Sie zeigte gern ihren Körper, das hatte Alex schon als Teenager gespürt. Ihre Mutter mochte die begehrlichen Blicke der Männer und die neidischen der Frauen, als Tochter hatte sie sich damals dafür geschämt. Heute ging es ihr wie ihrer Mutter. Völlig verschwitzt trat Alex ein paar Stunden später aus dem Club. Ihre durchnässte Bluse klebte an ihrer Haut, und man konnte den schwarzen BH darunter sehen. Sollte man auch. Als sie vorhin vor dem Hotel gestanden war, hatte sie Angst vor dem leeren Zimmer bekommen. Schlafen würde sie eh nicht können, hatte sie gedacht, sie musste sich erst irgendwie verausgaben und ablenken, und so war sie im »KULT« gelandet, dem Club ihrer Schulzeit. Erfreulicherweise war das Publikum mit ihr gealtert, und mit ihren dreißig Jahren war sie längst nicht die Älteste. Zum Glück erkannte sie niemanden. Sie brauchte frische Luft und eine Pause, aber das war es nicht allein. Da war dieser Mann gewesen, der die ganze Zeit zu ihr herübergestarrt und sie mit seinen Augen ausgezogen hatte. Älter als sie, so um die vierzig, irgendwie unheimlich, aber auch ziemlich attraktiv. Dunkler Typ, Dreitagebart, durchtrainierter Körper. Und dazu dieser Blick: verwegen, verloren, als wäre sie ein Magnet. Als hätten sie sich nicht zum ersten Mal getroffen. Nicht gut. Denn wenn sie so rastlos und durch den Wind und angetrunken war wie heute, war sie anfällig, Dinge zu tun, die sie plötzlich unbedingt brauchte und wollte, aber am...


Matthias Moor, Jahrgang 1969, lebt seit über 20 Jahren am Bodensee. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder, arbeitet als Gymnasiallehrer und als freier Journalist und liebt den Bodensee mit seinen vielgestaltigen Landschaften. Wenn mal nichts anliegt, fährt er am liebsten mit seinem Boot zum Angeln auf den See hinaus.

www.matthias-moor.de



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