E-Book, Deutsch, 460 Seiten, Format (B × H): 135 mm x 206 mm
Reihe: Edition Periplaneta
Mönius Grimmatorium
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-95996-088-5
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine deutsche Chronik
E-Book, Deutsch, 460 Seiten, Format (B × H): 135 mm x 206 mm
Reihe: Edition Periplaneta
ISBN: 978-3-95996-088-5
Verlag: Periplaneta
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Leben im Hause Grimm geht seinen normal-chaotischen Gang: Hänsel und Gretel sind spät dran für die Schule, Rapunzel blockiert das Bad und Frosch hatte mal wieder Damenbesuch. Davon jedoch bekommt Jacob nichts mit. Er sitzt in seinem Arbeitszimmer und geht seiner Wissenschaft nach. Bis sein Bruder Wilhelm ihn mit einer unerhörten Nachricht aus der Bahn wirft: Er möchte nicht mehr mit Jacob zusammenarbeiten. Schlimmer noch: Wilhelm möchte in die Politik gehen! Um seinen Bruder nicht zu verlieren, ist Jacob gezwungen, sich mit einer Sache zu beschäftigen, die er überhaupt nicht versteht: mit anderen Menschen. Sie sind verwirrt? Vollkommen zurecht! Also nichts wie rein in Ralph Mönius' absurdes Paralleluniversum. Willkommen in einer der modernsten, buntesten und herzlichsten Familien Deutschlands - willkommen im Grimmatorium!
Ralph Mönius schreibt seit seiner Kindheit alles von Lyrik über die Kurzgeschichte bis hin zum Roman. Er studierte Film mit Schwerpunkt Drehbuch in Los Angeles. Schon während seiner Schulzeit verfasste er mehrere Theaterstücke, von denen eines die Grundlage für seinen Debütroman 'Grimmatorium' lieferte. Durch seine Arbeit in Film, Theater und Literatur entwickelte er einen eigenen Stil, der Einflüsse aus all diesen Welten vereint. Geschichten aus dem Grimmatorium, die nicht im Roman enthalten sind, trägt Mönius auch gerne live und auf YouTube vor. www.ralphmoenius.com
Autoren/Hrsg.
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1.1 Montag, 22. Juni „Digga, was muss ich so früh aufstehen, das ist doch Scheiße!“ Die Familie morgens aufzuwecken, ist eine Aufgabe, die Hexe systematisch angeht. Schritt 1: Gretel aufwecken. „Immer musst du mich zuerst nerven, ey!“ Schritt 2: Gretels Geschrei weckt Hänsel. „Boah, Gretel Alta, halt die Fresse, ich will schlafen!“ Schritt 3: Hänsels Ausbruch bringt Gretel auf hundertachtzig. „Fick dich, Hänsel, wenn ich nicht schlafen darf, dann du auch nicht!“ Schritt 4: Das Geschrei weckt den Rest der Familie auf. So geht Hexe ganz entspannt den Flur entlang und öffnet die Tür zu Wolfs Zimmer, der direkt neben Hänsel und Gretel wohnt. „Jeden Morgen“, brummt er, als er aufsteht und sich ein Unterhemd über die stark behaarte Brust zieht. „Bei dem Lärm wird Jacob bald wieder sauer!“, ruft er Hexe hinterher. Wolf: „Jeden verdammten Morgen …“ In Unterhemd, Boxershorts und Badelatschen schleppt Wolf sich in die Küche, um bei den Vorbereitungen für das Frühstück zu helfen. Er ist so groß, dass er sich im Türrahmen bücken muss. Sein Gesicht ist bärtig, sein mit Muskeln bepackter Körper über und über mit Haaren bedeckt und seine Erscheinung könnte sehr furchteinflößend sein, wenn sein Gesicht nicht so mondrund wäre und seine Augen nicht wie die eines Säuglings. Das Antlitz eines Kindes auf dem Körper eines Mannes. So hat es Brentano auf den Punkt gebracht, als er Wolf zum ersten Mal begegnet ist. Hexe ist inzwischen schon im nächsten Zimmer, in dem Rapunzel bereits fertig eingekleidet eine Kamera auf ein Stativ schraubt. „Guten Morgen!“, grüßt sie mit einem Lächeln. Es ist das Lächeln der schönsten Frau der Welt. Das ist keine Übertreibung, kein rhetorischer Kniff, sondern ein von Männern und Frauen auf der ganzen Welt anerkannter Fakt: Rapunzel ist die Schönste. Ihr Gesicht strahlt, die hellen Augen verzaubern und das lange Haar, das bis weit über die Schultern fällt, ist ein Schleier purer Verheißung. Viel wurde über sie gesagt und geschrieben, doch kein Wort, kein Gedicht, kein Lied, kein Tweet, kein Roman und auch kein Foto wird ihrer Schönheit gerecht. Rapunzel: „Ich bin so aufgeregt! Endlich klappt es! Eine Sendung mit der ganzen Familie.“ Rapunzel ist nicht nur die schönste Frau der Welt, sie ist auch Deutschlands größter YouTube-Star, mit 20 Millionen Abonnenten. Hexe: „Wobei die nicht alle aus Deutschland sind. Ich schneide die Videos und füge englische Untertitel ein. Unser Publikum ist international.“ Und während Rapunzel sonst in ihren Videos Lifestylefragen klärt, Beautyprodukte testet oder ihre neuesten Modeentwürfe vorstellt, hat sie heute etwas Besonderes vor. Sie will mit Hilfe der ganzen Familie eine Aufgabe bewältigen, zu der sie von einer anderen YouTuberin herausgefordert worden ist. Rapunzel: „Die Wörter-Challenge. Kassandra hat gesagt, ich schaff die nicht, weil ich zu dumm bin. Aber die ganze Familie hilft mit! Ich hab die Regeln noch nicht verstanden, aber – wir schaffen das!“ „Ich hab schon fast alles vorbereitet“, sagt Rapunzel stolz zu Hexe. „Ach ja, das ist ja heute“, murmelt Hexe nur. „Aber vorher gibt’s Frühstück.“ „Okay!“ Hexe verlässt Rapunzels Zimmer. Nebenan wohnt Frosch. Als Hexe seine Tür öffnet, ist er sofort ohne Decke, denn seine weibliche Begleitung hat diese an sich gerissen. Frosch liegt gänzlich unverhüllt da und nimmt erst mal seine Armbanduhr vom Schreibtisch, legt sie an. Frosch: „Rolex.“ Frosch hat dunkles Haar, einen schlanken Körper und ein Gesicht, das schöner ist, als es ihm gut tut. Die Frau neben ihm kennt Hexe nicht, was normal ist. „Was geht denn hier vor?“, fragt die fremde Frau. „Es gibt gleich Frühstück“, antwortet Hexe. „Das heißt, du solltest jetzt gehen“, sagt Frosch zu der Frau. „Da kommt jetzt die ganze Familie zusammen.“ Der Gesichtsausdruck der Frau bleibt, wie er ist: geschockt. Hexe dreht sich um und betritt die Küche gegenüber von Froschs Tür. Wolf ist bereits dabei, Orangensaft zu pressen. „Mach mal die Omeletts für Hänsel und Rapunzel“, sagt Hexe kurz angebunden. „Alles klar“, antwortet Wolf, der nun schon munterer wirkt. Er probiert ein bisschen von dem Orangensaft, scheint zufrieden, kippt ihn in eine große Karaffe und geht dann an seinen Herd. Die Küche ist groß und hat zwei Herde, einen mit vier und einen mit zwei Platten, die an gegenüberliegenden Seiten des Raumes stehen. Wolf steht am kleinen und brät zwei vegetarische Omeletts. Am anderen Herd gibt Hexe Speck in die Pfanne und bereitet damit Omeletts für den Rest der Familie zu. Nebenbei stapeln beide Semmeln, Brot, Milch, Wurst, Käse und die Karaffe mit dem Orangensaft, dazu Gläser und Teller auf zwei Tabletts, um sie ins Speisezimmer nebenan zu bringen. Frosch kommt in die Küche und nimmt sich eine Semmel. Inzwischen ist er angezogen, trägt einen teuren Anzug, komplett in Grün, wobei das Hemd etwas heller ist als Jackett und Hose, beides jedoch dunkler als die ebenfalls grüne Krawatte. Niemand hat Frosch jemals in anderer Kleidung gesehen. Entweder im grünen Anzug oder nackt. „Ich geh dann gleich mal los“, sagt er und will die Semmel aufschneiden, als Hexe ihm einen Klaps mit dem Kochlöffel auf die Hände verpasst. „Hey!“, ruft Frosch. „Setz dich an den Tisch und frühstücke mit der Familie“, sagt Hexe. „Ich muss in die Arbeit.“ Hexe lacht. „Du wirst dem Mädel schon noch früh genug entkommen.“ „Sie ist so anhänglich“, klagt Frosch. „Will euch kennenlernen.“ „Aber wollen wir das?“ „Ich bezweifle es.“ Hexe schüttelt den Kopf. „Also gehe ich dann“, meint Frosch. Er wendet sich zur Tür, doch da steht nun Wilhelm Grimm, in Hemd und Stoffhose gekleidet. Wilhelm ist etwa einen halben Kopf kleiner als Frosch, hat eine gemütliche Figur und ein freundliches Gesicht. Da seine Gesundheit noch nie besonders stabil war, geht er seit einigen Jahren mit einem Stock als Hilfe. „Schönen guten Morgen, Frosch“, sagt er nun mit warmer Stimme. „Morgen“, antwortet Frosch. „Wolltest du Hexe und Wolf gerade helfen, den Tisch zu decken?“ „Ich wollte –“ „Danke.“ Wilhelm dreht sich wieder um, geht zum Tisch und setzt sich auf seinen Platz. Wie üblich beginnt er, die Zeitung zu lesen. Frosch steht in seinem teuren Anzug da wie ein kleiner Junge. Dann nimmt er ein Tablett und trägt es ins Esszimmer. Frosch: „Warum ich hier wohne? Ich könnte es mir durchaus leisten, allein zu leben … Gute Frage eigentlich.“ „Alta, weißt du schon, was es geworden ist?“, ruft Hänsel, als er das Esszimmer betritt. Man erkennt ihn und seine Schwester nicht nur an Stimme und Lautstärke, sondern auch am Jugend-Assi-Slang, der tief in ihrer Sprache verwurzelt ist. „Was was geworden ist?“, fragt Frosch irritiert. „Jugendwort des Jahres, Mann!“, antwortet Gretel, die direkt hinter ihrem Bruder hereinkommt. Hänsel und Gretel sind niemals getrennt unterwegs, denn sie sind mehr als Geschwister, sie sind Zwillinge. Unzertrennliche und ungleiche Zwillinge. Während Gretel mit ihrer hellen Haut, braunen Haaren und wachen Augen klassisch mitteleuropäisch daher kommt, zeigt ihr Bruder mit seinen schwarzen Haaren, braunen Augen und seiner dunklen Haut eindeutig türkische Wurzeln auf. Trotzdem sind sie Zwillinge. Auch wenn die Leute es oft nicht glauben. Schon in jungen Jahren haben Hänsel und Gretel deshalb leicht reizbar auf das Thema reagiert und heutzutage, mit inzwischen sechzehn Jahren und als Schüler mit Oberstufenstress, können ihre Reaktionen schon mal feindselig ausfallen. Hänsel: „Alta scheiße, natürlich sind wir Zwillinge!“
Gretel: „Komm drauf klar!“
Hänsel: „Ja, komm drauf klar!“ Von Feindseligkeit lässt sich im Moment zwar nichts spüren. Trotzdem sind die beiden sehr laut, wie Frosch aus nächster Nähe feststellen muss. „Für Jugendwörter bin ich zu alt“, sagt er. „Wilhelm, weißt du, was es ist?“, fragt Gretel. „Schlag es doch nach“, antwortet Wilhelm. „Hänsel, denkst du daran, die Tür sauberzumachen?“ „Ja mach Google her, Mann!“, drängt Hänsel und ignoriert Wilhelms Frage. Gretel: „Hihi, Hänsel war vorgestern zum ersten Mal richtig besoffen und hat die Haustür vollgesprayt. Aber richtig geil!“ Sie lacht. Gretel zieht ihr Smartphone heraus und googelt. „Und?“, will Hänsel wissen. „Digga, es lädt!“, ruft Gretel genervt. „Scheiß WLAN is so langsam!“ Gretel: „So scheiße langsam! Aber wär nich so schlimm, wenn Hänsel nich immer nervt …“
Hänsel: „Gretel nervt!“ „Nerv nicht!“, blafft Gretel. „Hast du jetzt?“, drängt Hänsel. „Alter, geh weg!“ Gretel schubst ihren Bruder, der jedoch sofort wieder da ist und ihr das Handy abnehmen will. „Lass mich, ich mach!“, ruft er. „Boah, Finger weg, is meins!“ Gretel stößt ihm den Ellbogen in die Rippen. ...