Moen | Der Tod ist eine Liebkosung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 144 Seiten

Moen Der Tod ist eine Liebkosung


1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-99120-029-1
Verlag: Septime Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

ISBN: 978-3-99120-029-1
Verlag: Septime Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein junger Automechaniker wird für den Mord an seiner Ehefrau verurteilt. Während er seine Strafe verbüßt, reflektiert er über ihrer beider Geschichte, ein intensives Liebesverhältnis, das, glaubt man dem Erzähler, ebenso unabwendbar war wie die Tat selbst. Von dem Moment an, als er ihr, einer Frau aus der Oberschicht, zum ersten Mal begegnet, werden die beiden zueinander hin- und immer näher in Richtung Untergang gezogen. Der Tod ist eine Liebkosung ist ein dunkles, psychologisches Liebesdrama, das große Themen wie Liebe und Hass, Gesellschaft und Schicksal umspannt. »Erziehung, Umfeld und Lebensart hatten einen Abgrund zwischen uns aufgetan, noch bevor wir einander begegnet sind«, erläutert der Mörder. Ist das tragische Ende schicksalsbestimmt? Der Tod ist eine Liebkosung, erstmals erschienen 1948, wurde ein literarischer Volltreffer - ein sogenanntes One-Hit-Wonder. Der Autor Arve Moen war unter anderem als Journalist und Jurist bekannt. Noch im Erscheinungsjahr wurde der Roman unter demselben Titel von Edith Carlm¬a¬r verfilmt. Der Film gilt als einer der ersten norwegischen Vertreter des Noir-Genres. Das Buch war zu seiner Zeit ein großer Erfolg und wurde 2009 von der Zeitung Dagbladet zu einem der besten norwegischen Kriminalromane aller Zeiten gekürt.

Arve Moen (1912-1976) war Schriftsteller, Journalist, Kunsthistoriker, Politiker und Jurist. In jungen Jahren war er Mitglied der kommunistischen Gruppe Mot Dag. Vor dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Gerichtsreferendar, nach 1945 als Kulturjournalist und -redakteur beim Arbeiderbladet. Außerdem war er Vorsitzender des literarischen Rats der Vereinigung norwegischer Schriftsteller sowie Mitglied des Stadtrats der Osloer Arbeiterpartei. Moen debütierte 1945 mit dem Erzählband Sturm im Wasserglas und brachte mehrere kunsthistorische Werke heraus, unter anderem über Edvard Munch.
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Als ich mich auf den Heimweg machte, war der Schnee schon geschmolzen. Es war nicht besonders weit, und so konnte ich gleichzeitig das Geld für die Straßenbahn sparen. Man wird nicht gerade reich, wenn man den ganzen Tag in einer Werkstatt steht. Trotzdem war ich froh, dass ich die Arbeit bekommen hatte. An der Ingenieursschule hatte ich mir zwar etwas anderes vorgestellt, aber von den schlecht bezahlten Posten in den Büros kann ja kein Mensch leben. Da ist es schon besser, man ist Facharbeiter.

Das Entscheidende war übrigens, dass Marit und ich beschlossen hatten, im Sommer zu heiraten. Ich mochte sie sehr gern, und mir gefiel der Gedanke, nicht mehr in grauen, schäbigen Lokalen essen zu müssen. Außerdem sollte sie ja auch nicht Jahr für Jahr für einen lausigen Hungerlohn hinter einem Ladentisch stehen.

Es herrschte heiteres, klares Aprilwetter. Noch immer lag ein leicht frischer, kalter Hauch in der Luft, aber auf den Bäumen begann es schon zu sprießen, und die Rasenflächen im Frognerpark wurden täglich grüner und grüner.

Am besten sah man den Frühling übrigens an den Frauen. Rundum erneuert, begannen sie ihr wiegendes Schaulaufen und genossen ihren Anblick in den Auslagenscheiben.

In Majorstua begegnete ich Hans Haug. Wir waren zusammen auf die Technische Mittelschule gegangen und im Grunde damals gute Freunde gewesen. Aber er war Vertreter für irgendeine Maschinenfirma geworden und schlug sich gewiss gut. Heute brachte er kaum einen Gruß über die Lippen. Er war in Begleitung einer Frau, »Modell de Luxe«, wie wir im Werkstattjargon sagen. Und ich im Overall. Na ja, man brauchte ja nicht bis in alle Ewigkeit Schulkameraden zu sein.

Würde ich es irgendwann schaffen, mich aus dem Öl und dem Dreck herauszuarbeiten?

Ich fühlte mich müde und schwerfällig, als ich die kleine Wohnung in der Ole Vigs gate aufschloss. Meine gute Laune war wie weggeblasen.

Ich holte warmes Wasser aus der Küche. Ich streifte schnell meine Sachen ab und wusch mich. Es half, ein sauberes Hemd und andere Sachen anzuziehen. Ich steckte mir eine Zigarette an und warf mich auf den Diwan, lag auf dem Rücken und fühlte mich lang und schwer und dachte an nichts. Draußen auf der Straße war hitziges, an- und abschwellendes Kindergeschrei zu hören, und aus dem Erdgeschoss drang gedämpfte Klaviermusik.

Marit kam zur gewohnten Zeit vorbei.

Auch sie war frühlingserneuert und strahlte fröhlich wie ein Kind. Die Bluse und den Hut hatte sie selbst genäht.

Sie war so klug und so geschickt mit den Händen. Ich musste sie fest in die Arme schließen:

»Wie tüchtig du bist, Kleines

»Findest du? Ich bin so froh, weil du mich gernhast«, fügte sie hinzu.

Ich küsste sie und zog sie auf den Diwan herunter.

»Du sollst doch meinen neuen Rock nicht zerknittern

»Na, dann zieh ihn eben aus

Folgsam schlüpfte sie aus dem Rock und kroch zu mir. Ich hatte ein seltsames Gefühl, so als würde ich sie betrügen.

Danach lagen wir ruhig nebeneinander, ohne etwas zu sagen. Ich spürte ihre Haare an meiner Wange und hörte ihren ruhigen, gleichmäßigen Atem. Durch die geschlossenen Lider sah ich in ein hellviolettes Dunkel, in dem gelbe Flecke hin und her tanzten.

Ich spürte, dass sie sich umdrehte und mich ansah. Sie strich mir übers Haar.

»Du warst so komisch heute«, flüsterte sie. »So anders, irgendwie

»War ich das

»Ja. – Du hast mich gebissen

Ich wagte nicht, die Augen zu öffnen und sie anzusehen. Hatte plötzlich einen intensiven, beißenden Benzingeruch in der Nase und sah eine schlanke, hellgraue Gestalt mit spitzen Brüsten, einem großen roten Mund und schmalen Augen. RDW 102 304. Die Röte brannte mir auf den Wangen, und ich hörte meine eigene Stimme, mit übertrieben gespielter Gleichgültigkeit.

»Habe ich dich gebissen? Das will ich nie wieder tun

Ich küsste sie leicht auf die Wange und stand auf. Ich musste irgendwas tun.

»Es ist so schönes Wetter, wollen wir eine Runde gehen

Ich hob sie vom Diwan herunter und stellte sie auf den Boden. Sie war so klein und schmächtig, wie sie so in ihren Strümpfen dastand und an ihrem Rock herumnestelte. Ihr dunkles, weiches Haar fiel nach vorn und bedeckte ihr Gesicht. Mich überkam ein aufrichtiger Drang, gut zu ihr zu sein. Ich ging zu ihr und nahm sie in die Arme und strich ihr das Haar zurück. Sie hatte Tränen in den Augen, als ich ihr Gesicht zu mir anhob. – Wie schön sie war.

»Aber was hast du denn, mein Dummerchen

»Ich weiß nicht Sie legte ihren Kopf an meine Brust und seufzte. »Es ist nur weil alles plötzlich so komisch war

Ich wiegte sie in meinen Armen:

»Meine Liebe, mein komisches Käuzchen

Alles andere spielte jetzt keine Rolle mehr. Das war das Einzige von Bedeutung: Jemanden zu haben, der einen gernhatte, jemanden, zu dem man gut sein konnte.

»Jetzt kämmt sich mein kleines Mädchen die Haare und pudert sich ein bisschen das Näschen. Dann gehen wir aus und zeigen es her in dem schönen Wetter. Und alle Kerle sollen mich beneiden!«

Sie lachte zu mir auf, und ich sah, dass sie sich wieder beruhigt hatte, aber ihre Unterlippe war blau und geschwollen. Sie verdeckte es mit ein wenig Lippenstift.

Thoresen und ich standen draußen auf dem Platz und sahen uns eine Havarie an, die gerade hereingeschleppt worden war. Das war keine Seltenheit. Die komplette Front war zerschmettert und die Fahrerkabine skalpiert. Das eine Vorderrad war abgerissen, und das andere hing genau unter dem Motor, wie bei einem Flugzeug, das die Räder eingefahren hat. Geronnenes Blut und Glasscherben überall.

Thoresen blinzelte über den Brillenrand:

»Soll ausrichten lassen, das hat einen Mordsknall gegeben. Der Bursche fährt kein Auto mehr diesseits der Ewigkeit

Aus seinen Augen leuchteten Sensationsgier und Aufregung.

»Wer ist es

»Wer war es, meinst du.« Er grinste. »Einer von diesen Grünschnäbeln, von denen es in der Stadt nur so wimmelt. So viele Unfälle, wie der gebaut hat, hätt er eigentlich schon mehrmals den Löffel abgeben müssen. Der Wagen war fast ständig hier geparkt – pausenlos größere oder kleinere Schäden. Aber wie’s aussieht, war das sein letzter Aufsitzer.«

»Wie viele waren drin

»Vier. Die eine Frau lebt noch, aber beide Beine sind gelähmt und ihr komplettes Gesicht ist hinüber.«

Plötzlich entdeckte ich einen Hautfetzen mit langen gelben Haarbüscheln, der am Rahmen der Windschutzscheibe klebte. Ich spürte, wie sich etwas in mir umstülpte, und trat ein paar Schritte zurück.

Im selben Moment raste ein Auto durchs Tor, Bremsen quietschten, und ich konnte mich gerade noch rechtzeitig zur Seite werfen.

Sie war schon halb aus dem Wagen gestiegen, als ich mich umdrehte. Stand plötzlich mit gespreizten Beinen in Reithosen da und schaute mich mit abwartendem Blick an.

Mein Gesicht war starr vor Zorn:

»Wie zum Teufel fahren Sie denn

Sie lächelte mit eiskaltem Blick:

»Haben Sie vielleicht Angst bekommen

Ich hätte Lust gehabt, ihr eine zu scheuern, beherrschte mich aber, sodass ich es in den Kiefern knacken spürte. Ich konnte sehen, wie sich ihre Brust unter der dünnen weißen Bluse schnell hob und senkte. Das half mir, mich zu beruhigen.

»Ich hab keine Lust, als Hackfleisch von Ihrem Kühler gekratzt zu werden.«

Wir blieben gegenüber voneinander stehen, ohne etwas zu sagen. Sie trug keine Kopfbedeckung, und ihre Haare reichten ihr bis zu den Schultern. Sie sahen weich und lebendig aus im Sonnenlicht. Ich hätte gern an ihnen gerochen. Für einen Moment vergaß ich, wie rasend ich war.

Sie sagte in ironischem Tonfall:

»Tut mir leid, dass ich Sie erschreckt habe.«

Da schäumte es wieder in mir über:

»Erschreckt

Ich deutete auf das Autowrack neben uns:

»Da sehen Sie das Ergebnis von so einer beschissenen Fahrweise

Sie hob die Augenbrauen und schaute zur Seite:

»Das ist der Nash von Calle Christensen, wie ich sehe.«

Sie zündete sich eine Zigarette an und sah sich das Wrack genauer an.

»Finden Sie nicht, dass ich es gut wiedererkannt habe

Sie warf mir einen neckischen Blick zu.

Ich fuhr sie an:

»Wenn Sie das nächste Mal Erfolg haben, wird es vielleicht schwieriger werden, mich wiederzuerkennen!«

Ich bemerkte, dass die anderen Jungs dastanden und uns ansahen, und ich drehte mich zum Gehen um.

»Wollen Sie mir denn heute nicht behilflich sein

Sie stand plötzlich hilflos wie ein Kind da und zog...


Arve Moen

(1912–1976) war Schriftsteller, Journalist, Kunsthistoriker, Politiker und Jurist. In jungen Jahren war er Mitglied der kommunistischen Gruppe Mot Dag. Vor dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Gerichtsreferendar, nach 1945 als Kulturjournalist und -redakteur beim Arbeiderbladet. Außerdem war er Vorsitzender des literarischen Rats der Vereinigung norwegischer Schriftsteller sowie Mitglied des Stadtrats der Osloer Arbeiterpartei. Moen debütierte 1945 mit dem Erzählband Sturm im Wasserglas und brachte mehrere kunsthistorische Werke heraus, unter anderem über Edvard Munch.



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