E-Book, Deutsch, 299 Seiten
Möller / 2.0 / 2. Hypersexed and Overporned?
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-98857-028-4
Verlag: Hirnkost
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Erfahrungen zwischen Lust und Leid
E-Book, Deutsch, 299 Seiten
ISBN: 978-3-98857-028-4
Verlag: Hirnkost
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sex-Selfies als Social-Media-Trend, frauenfeindliche Rap- und Partysongs zum Mitgrölen, Sexshops in Innenstädten mit Masturbationsgerätschaften in der Auslage, Sexting und DickPics-Versendung per Smartphone, digitale Darstellungen von sexualisierter Gewalt und Missbrauch von Kindern, Cybermobbing und -grooming, Herabwürdigung und sexuelle Ausbeutung per Dating-Apps und Unmengen von kinderleicht zugänglichen Pornoangeboten im Internet … Alles Anzeichen für eine bedenkliche Hypersexualisierung und Pornographisierung unserer Gesellschaft? Insbesondere für eine Überformung des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen mit sexindustriell vorgefertigten Skripts? Oder nicht auch ebenso sehr Anlässe für notwendige Auseinandersetzungen über die Chancen und Grenzen sexuellen Eigensinns, vielleicht sogar in Teilen Impulse für emanzipatorische Sexualität und mehr sexuelle Vielfalt?
Dieses Buch sucht Antworten. Im Schwerpunkt nicht aus wissenschaftlicher Außenperspektive, sondern aus der authentischen Innensicht von unmittelbar Beteiligten an derartigen Prozessen: von Leuten, die ihr Brot im Sexgeschäft verdienen, von Personen, die den Pornomarkt als Konsument:innen erleben, von Menschen, die Lust, aber auch Leid dabei erfahren, und von solchen, die mit all dem klarzukommen scheinen und sich zu helfen wissen.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
„Mir macht’s halt einfach Spaß, Sex zu haben“
PAULINA SCHUBERT (19), Amateurdarstellerin bei MyDirtyHobby Wie kam es dazu, dass du dich bei MyDirtyHobby (MDH) angemeldet hast? Eine Neugier im sexuellen Bereich war schon immer da. Ich war immer sehr aufgeschlossen, hatte aber meine Bedenken. Dachte mir: Nee, ich verkauf mich doch nicht. Irgendwann aber habe ich mit Leuten aus der Branche geredet und dachte mir danach: Warum eigentlich nicht? Ich lade ja schon Bilder auf Instagram hoch, auf denen ich halbnackt bin. Warum nicht damit Geld verdienen? Warum nicht Sex vor der Kamera? So fing das an. Mein erstes Video online war nicht direkt ein hardcore Gangbang, damit musste ich mich erst mal anfreunden. Ich habe mich langsam rangetastet und tue dies immer noch. Ich mache alles in meinem Tempo, was mir den Einstieg erleichtert hat. Was für eine Rolle spielt es für dich, dass du dich vor der Kamera zeigen kannst? Ich bin gerne vor der Kamera. Man kann sich so selbst darstellen. Mich reizt auch, sich dabei selbst zuzuschauen. Ich habe gerne einen Spiegel vor mir, wenn ich Sex habe. Das war schon so, bevor ich das mit der Kamera angefangen habe. Deswegen ist das für mich eine der schönsten Sachen der Welt. Du hast gesagt, dass du mit Leuten aus der Branche gesprochen hast. Hat Geld für dich eine Rolle gespielt, dich da anzumelden? Geld war nicht der Initialzünder. Meine Motivation im Leben ist viel mehr, ich möchte Geld verdienen mit etwas, was mir viel Spaß macht, was ich auch ohne Geld machen würde: Sex haben. Als ich dann gehört habe, was Durchschnittsverdienste sein können, wenn man dranbleibt und jeden Tag eine gewisse Arbeit reinsteckt, dachte ich mir: schmackhaft. Ich kenne mich mit den Plattformen nicht gut aus. Wie funktioniert das bei MyDirtyHobby mit dem Anmelden und dem Hochladen? Kannst du mir das erklären? Auf MDH kann man sich zum einen als user, also Konsument, oder zum anderen als Amateur, also Darsteller anmelden. MDH ist ein Amateurbereich, das heißt, es gibt kein professionelles Kamerateam, kein Skript. Meistens hat einfach Person A mit Person B Sex, vielleicht kommen noch weitere dazu, und ein Mann nimmt es auf. Wenn man dann ein Video hochlädt, gibt es Preise, die man selber festlegen kann, dort wird pro Sekunde abgerechnet. Bei der Webcam zahlt man pro Minute 1,50 Euro im öffentlichen Raum und im privaten 2,50 Euro. Eine Nachricht im Privatchat kostet 1 Euro. Davon kriegt der Darsteller 25 bis 35 Prozent, je nachdem wie lange man dabei ist. Es gibt Leute, die schreiben nur, manche kommen nur in die Cam. Ich saß da manchmal zwei Stunden drin und hab mit denen gequatscht oder gechattet. Andere wollen das volle Programm. Da sind dann am Ende fünf Dessous und siebzig Toys in Gebrauch und viel Flüssigkeiten sind verloren. Auf MDH gibt es eine eigene Community. Das heißt, wenn du komplett neu bist, mögen das die Leute sogar mehr, weil die mal wieder was Neues zu sehen bekommen. Dann kannst du das auf Social Media promoten. Da sind dann am Ende fünf Dessous und siebzig Toys in Gebrauch und viel Flüssigkeiten sind verloren. Hast du auch ein paar Kunden, die du kennst und die regelmäßig wiederkommen? Es ist oft so, dass sich mit der Zeit bei jeder Darstellerin oder bei jedem Darsteller ein paar Stamm-user herauskristallisieren. Ich habe einen sehr einprägsamen Look. Ich habe eine Glatze. Viele finden mich genau deswegen gut oder weil meine Körperstatur und Intimbehaarung deren Fetisch erfüllt. Ich habe mir sagen lassen, dass drei bis fünf Stamm-user die Hälfte des Umsatzes ausmachen. Es gibt natürlich auch einige, mit denen ich vielleicht nur einen oder zwei Tage chatte oder die nutzen nur einmal die Cam. Ich habe einen Stamm-user, der einmal die Woche für zwei, drei Stunden privat mit mir in der Cam ist. Mit dem mache ich andere Sachen als mit jemandem, der neu ist. Und da macht es viel mehr Spaß. In der Cam ist es oft so, dadurch, dass die user dafür bezahlen, erwarten sie einen gewissen Service. Es gibt natürlich auch welche, die kommen rein und sagen: „Schieb dir mal sonst was rein!“ Ich persönlich mache das nicht gerne. Und wenn ich keine Lust in dem Moment habe oder er mir unsympathisch ist, dann sage ich das. Es soll mir Spaß machen. Als ich noch zurückhaltender vor der Kamera war, haben sie gesagt: „Nur so weit, wie du möchtest“, oder sie haben sich Zeit für mich genommen. Welchen Content lädst du hoch? Was kann man da sehen? Solo-Videos, wie ich’s mir selbst mache mit verschiedenen Spielsachen. Bei den Sex-Clips kann man sich komplett ausprobieren: outdoor was machen, im Flugzeug, auf dem Klo, in der Flugzeugtoilette. Man kann sich anpissen, sich fesseln, alles, was das Herz begehrt, was man persönlich möchte. Es gibt für alles eine Nische. Es gibt welche, die treffen sich auch mit usern. Habe ich auch schon gemacht, aber nicht regelmäßig, das ist für mich schon was Besonderes. Auf Social Media lade ich auch schon gerne mal ästhetische Bilder oder kurze Videos hoch. Bei den Sexvideos ist es mir am wichtigsten, dass die nicht gestellt, gefaked und geposed sind. Wenn man in dem Moment eine Speckrolle hat oder das Kondom reißt oder der Dildo abfällt, lass ich das gern drauf. So sehe ich am Ende aus, und ich möchte auch online so sein, wie ich bin. Dann ist es für mich leichter, im Internet zu agieren, weil ich nichts spielen muss. Authentizität ist mir immer am wichtigsten. Klar hat man ein paar Kamerawinkel, da sieht es besser aus, da sieht man die Penetration besser, wie meine Managerin immer zu sagen pflegt. Ich drehe lieber ein Video in einem Take, als danach noch fünf Stunden in der Nachbearbeitung zu sitzen und zu denken, das soll jetzt möglichst perfekt aussehen. Gibt es Videos, die du besonders gerne hochlädst oder drehst? Ich drehe gerne Outdoor-Sachen, weil es was ist, was man auch nicht persönlich immer macht. Es ist zwar cool, ab und zu mit Leuten was zu machen, die noch komplett unerfahren sind, aber damit ich mehr Spaß als Arbeit habe, mache ich gerne mehr mit Leuten, die Erfahrung haben. Ich habe noch viele Ideen, die ich gerne umsetzen möchte. Gehst du auf die Leute zu? Oder wirst du angeschrieben? Wenn man Newcomer ist, spricht sich das herum. Es gibt einige user, die schreiben viele an, mit denen die drehen möchten. Oder wenn man auf Social Media ist, gibt es ein paar Darsteller, die drehen gerne mit neuen Mädels. Da erkennt man direkt am Profil, das ist ein Darsteller, das ist ein Konsument. Mich haben auch schon einige Darsteller angeschrieben, bei denen ich erst mal meine Managerin gefragt habe: „Kann man sich auf den verlassen?“ Dann sagt sie entweder: „Nee, ich hab schon echt viel beschissenes Zeug von ihm gehört, lass mal lieber die Finger weg!“ oder sie sagt: „Der ist cool, ist verlässlich, sieht auch noch gut aus. Ja, da kann man sich mal mit dem treffen.“ Beim ersten Mal habe ich mit ihm geschrieben, habe mich mit ihm getroffen und das hat direkt gepasst. Das war eine sehr coole erste Dreherfahrung. Gibt es Videos, die du gar nicht drehen würdest, bestimmte Dinge, die für dich gar nicht infrage kommen? Es gab das ein oder andere Video, wo die Erfahrung cool war, was ich aber nicht unbedingt noch mal machen muss. Ansonsten ist das, was man so im Free Porn sieht, wo die Darstellerinnen übelst ausgepeitscht und bis zu Blutergüssen geschellt werden, auch nicht meins. Aber alles so dazwischen drin. Kotze oder Kot muss nicht sein, ist auch verboten auf MDH. Ich bin auch privat sehr experimentierfreudig. Deswegen macht’s für mich keinen Unterschied, ob ich das jetzt vor der Kamera oder privat mache. Ich glaube, der Einstieg in die Pornobranche passiert im Kopf. Wie würdest du für dich den Einstieg beschreiben? Ich glaube, der Einstieg in die Pornobranche passiert im Kopf. Das passiert nicht dadurch, dass man freizügige Bilder auf Instagram macht. Nicht jedes Mädchen, das so was auf Instagram hochlädt, hat die Intention, damit als Pornodarstellerin dargestellt zu werden. Ich glaube für Mädchen, Frauen oder Jungs, die schon mal mit dem Gedanken spielen, ist dieses Bildermachen eine gute Option, um einfach rauszufinden: Fühle ich mich wohl damit, dass freizügiger Content von mir im Internet existiert, der sich nie wieder löschen lässt? Das ist eine Sache, darüber haben meine beste Freundin und ich uns Gedanken gemacht. Man schlittert da nicht rein, von Insta zur Pornodarstellerin, sondern es ist ein langsames Herantasten. Wenn ein Typ mit vielen Mädels Sex hat, hat er den Universalschlüssel und das Mädel ist ein billiges Schloss. Manche sagen ja, dass solche...