Mistral | Mirèio | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 186 Seiten

Reihe: Classics To Go

Mistral Mirèio


1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-98744-538-5
Verlag: OTB eBook publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 186 Seiten

Reihe: Classics To Go

ISBN: 978-3-98744-538-5
Verlag: OTB eBook publishing
Format: EPUB
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Das Hauptthema des Gedichts, die vereitelte Liebe eines jungen Paares, das mit sozialen Vorurteilen konfrontiert ist, würde sich tatsächlich auf eine Episode in Mistrals Leben beziehen.

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Einleitung
Im Spätsommer des Jahres 1858 reiste der jugendliche Dichter von »Mirèio«, auf Veranlassung seiner in Paris studierenden Schulgenossen Adolf Dumas und Ludovic Legré, aus seinem weltentlegenen provenzalischen Dörfchen zum ersten Male in seinem Leben nach der französischen Hauptstadt. Er hatte den beiden Freunden gelegentlich ihrer Ferienaufenthalte in der Provence einzelne Gesänge seines im Entstehen begriffenen ländlichen Epos vorgelesen und durch Dumas waren Lamartine, der damals noch am französischen Dichterhimmel als Stern erster Größe glänzte, Bruchstücke daraus mitgeteilt worden. Der siebzigjährige Sänger der »Harmonies« entzückte den jungen Mistral durch die Wärme seiner Teilnahme und Aufmunterung. Im Februar 1859 erschien »Mirèio« gedruckt und Lamartine war der Empfänger des ersten Exemplars. Er las und las, und sein altes, noch immer junges Poetenherz füllte sich mit Freude und Rührung. Als Mistral, einige Monate später, zum zweiten Male nach Paris eingeladen, Lamartine wiedersah, schloß dieser den Jüngling in seine Arme und küßte ihn. Dann bereitete er sich die Genugtuung, seinen Schutzbefohlenen bei den damaligen Größen der Pariser schriftstellerischen Welt, Sainte-Beuve, Victor de Laprade, Villemain, Alfred de Vigny, Mignet u. a. einzuführen. Und schnell war in diesem erlesenen Kreise der Ruhm des jungen Dichters als der eines Gottbegnadeten begründet. In dem von Lamartine in jenen Tagen herausgegebenen, ganz »Mirèio« gewidmeten, 40. Entretien seines »Cours familier de littérature« redete er den Provenzalen wie folgt an: »Ja, deine epische Dichtung ist ein Meisterwerk; ich will mehr sagen, sie ist nicht aus dem Abendlande, sie ist aus dem Morgenlande; man möchte glauben, ein Eiland des Archipelagos, ein schwimmendes Delos habe von seiner Gruppe hellenischer oder ionischer Inseln nachts sich losgelöst und sei hergeschwommen, um sich sanft an das Festland der balsamischen Provence zu schmiegen, mit sich führend einen jener göttlichen Sänger aus dem Geschlechte der Melesigenen. Sei willkommen bei den Sängern dieses Klimas. Du gehörst einem anderen Himmel und einer anderen Sprache an, aber du hast mit dir gebracht dein Klima, deine Sprache und deinen Himmel! Wir fragen dich nicht woher du kommst, noch wer du bist: Tu Marcellus eris!« Lamartine verglich dann weiter des jungen Mistral Dichtung mit der plötzlich aufbrechenden Blüte der provenzalischen Aloe und fügte hinzu: »aber deines Werkes Duft wird in tausend Jahren nicht vergehen!« Seit dieser Prophezeiung ist fast ein halbes Jahrhundert dahingegangen, und in immer hellerem Glanze erstrahlt Mirèio: ein Kleinod der WeltliteraturF1. Zum Dank für des greisen Dichters väterliche Leitung seiner ersten Schritte auf dem Pfade des Ruhmes hat Mistral den schnell folgenden neuen Auflagen seines Poems die eingangs dieser Übertragung abgedruckte Widmung vorangestellt. Unter den hervorragenden Schriftstellern, bei denen Lamartine seinen Schützling einführte, war auch der etwas absonderliche Barbey d'Aurévilly. »Comment!« rief er seinem Besucher entgegen, »vous êtes Mistral, vous?« »Moi-même.« »Mais alors, vous n'êtes pas un berger?« »Hélas! non.« »Vous avez reçu de l'éducation?« »Hélas! oui.« Die Annahme, daß der Bauernsohn Mistral selbst ein Bauer oder Hirte sei, ist, wie ich auf meinen Vortragsreisen mehrfach wahrnehmen mußte, in außerromanistischen Kreisen auch heute noch ziemlich verbreitet und erfreut sich, wie jede verkehrte Meinung, einer großen Zählebigkeit. Vielleicht hat der »païsan« der vorerwähnten Widmung ein Weniges hierzu beigetragen. Wahr ist daran nur, daß der am 8. September 1830 auf dem stattlichen väterlichen Bauerngute, »lou Mas dú Juge« (zu deutsch dem Richterhofe) bei Maiano geborene Frederi mit neun Jahren noch nicht lesen konnte. Dafür aber war er als beständiger Begleiter und Gehilfe von seines Vaters Feldarbeitern und Hirten schon in frühem Kindesalter in allen landwirtschaftlichen Verrichtungen wohl erfahren und nahm in dieser Gesellschaft die Eindrücke in sich auf, denen er später in so kunstvoller und ergreifender Weise dichterische Gestalt verleihen sollte. Wie von seinem trefflichen Vater die Liebe zur heimischen Sitte und Sprache, so war ihm von seiner schönen und sinnigen Mutter die »Lust am Fabulieren« angeboren und anerzogen worden. Beide hatten früh die außerordentliche Begabung des kraftvoll emporblühenden Knaben erkannt und übergaben ihn nach einigem Vorunterricht zu weiterer Ausbildung der vorzüglich geleiteten Dupuyschen Erziehungsanstalt zu Avignon. Hier fügte es des jungen Mistral glücklicher Stern, daß der nur um wenig ältere, humor- und gemütvolle Roumanille, den man später mit Recht den Vater der provenzalischen Renaissance genannt hat, sein Lehrer und bald sein liebster Freund wurde, und daß er von ihm die erste Anregung zur Pflege der provenzalischen Dichtkunst empfing. In Mistrals Persönlichkeit und Poesie verschmelzen sich die Elemente gelehrter Bildung und volkstümlicher Ursprünglichkeit zu schönstem Einklange. Ihm vor vielen ist es vergönnt gewesen und geblieben, »mit festen, markigen Knochen zu stehen auf der wohlgegründeten dauernden Erde«, und doch mit dem Scheitel zu ragen in die Sternenhimmel der Wissenschaft und der Dichtkunst. Höchst bezeichnend für diese ihm von einem freundlichen Schicksal gewährte Eigenart der Entwicklung ist, was Mistral selbst in launiger Weise über die sein Abiturientenexamen begleitenden Umstände erzählt. Er hatte im Frühjahr 1847, noch nicht siebzehnjährig, seine Klassen in Avignon beendigt und war an einem heißen Augusttage zur Ablegung der Baccalaureatsprüfung nach Nîmes gefahren. Gegen Abend angekommen, schlenderte er, sein Bündel in der Hand, durstig durch die glühende Stadt, um eine Nachtherberge zu suchen. Die in den Hauptstraßen gelegenen feinen Gasthöfe mit befrackten Kellnern und betreßten Türstehern kamen ihm nicht geheuer vor. Wie ganz anders mochte es da zugehen, als daheim, wo sich des Vaters zahlreiches Hofgesinde mit zu Tische setzte und jeder seinen Beitrag zur nie versiegenden Unterhaltung über den Feldbau und die Herden lieferte. Nach langem, unentschlossenem Wandern geriet unser Schüler in eine Vorstadt. Da hing an einem bescheidenen Hause ein Schild: »Zum kleinen Sankt Johannes«. Gleich fühlte er sich angeheimelt. War ihm doch Sankt Johannes wie ein lieber Landsmann, er, der ihm von Kind auf vertraute Beschützer der Ernte und Freund der Schnitter! Er hatte die rechte Einkehr gefunden. Im schattigen Hofe des Wirtshauses standen ländliche Gefährte, zwischen ihnen lustwandelten plaudernde Gruppen junger Mädchen in der kleidsamen arlesischen Tracht und in der großen Gaststube saßen mit ihren Frauen und Töchtern die Gärtner und Gemüsebauer aus den Nachbardörfern von Maiano, die wöchentlich einmal nach Nîmes zum Markte fuhren. Der junge Mistral setzte sich in eine Ecke, beschäftigte sich angelegentlich mit seinem Abendessen und hörte als Sachkenner den laut geführten landwirtschaftlichen Gesprächen zu. »Und Ihr, junger Mann,« fragte ihn plötzlich einer der Hauptredner, »ist's erlaubt zu fragen, ob Ihr auch Gärtner seid?« »Nicht ganz,« antwortete noch ein wenig schüchtern der Musensohn. »Ich bin hier, um Baccalaureus zu werden.« »Bacca? Bacca? Was für ein Bacca?« Und aller Augen richteten sich auf den jungen Menschen, der im Begriffe stand, etwas jedenfalls sehr Seltsames zu werden. Der aber faßte sich alsbald ein Herz und begann zu erläutern: »Wenn wir die Schule durchgemacht und dort Französisch, Latein, Griechisch, Geschichte, Rhetorik, Mathematik, Physik, Chemie, Astronomie, Philosophie und noch einiges andere gelernt haben, müssen wir hierher nach Nîmes kommen und uns von den großen Gelehrten prüfen lassen.« »Ach! ich weiß! wie wir vom Kaplan, wenn er uns bei der Firmelung fragt: Bist du ein Christ?« »Gerade so. Die großen Gelehrten fragen einen alles, was in den Büchern steht und wer gut antwortet, kann dann Notar, Advokat, Richter, Arzt, ja sogar Unterpräfekt oder was er sonst will, werden. Die schriftliche Prüfung, mit der das Gröbste abgemacht wird, habe ich schon hinter mir, aber morgen sollen wir, meine Kameraden und ich, noch einmal ganz sein durchgesiebt werden.« »Ich wüßte doch gern,« sagte einer, »was sie euch da wohl alles fragen werden?« »Je nun, zum Beispiel: Die Jahreszahlen und Tage aller Schlachten, die in der ganzen Welt geschlagen worden sind, seit die Menschen aufeinander loshauen. Die Schlachten der Juden, der Römer, der Sarazenen, der Deutschen, der Spanier, der Franzosen, Engländer, Ungarn, Polacken und aller übrigen. Und nicht nur die Schlachten, sondern auch die Namen der Feldherren, die sie befehligt haben. Die Namen der Könige, der Königinnen, ihrer Kinder und Minister, und ob sie gut oder böse gewesen sind.« »Potz tausend! Man sollte nicht denken, daß es Leute gibt, die so viel im Kopfe behalten können! Man sieht wohl, daß die nichts zu arbeiten brauchen! Wenn sie, wie wir, jeden Morgen vor drei Uhr aufstehen und graben müßten, würde ihnen das wohl vergehen! Aber weiter.« Und der angehende Student, der jetzt gut im Zuge war, fuhr fort: »Und nicht nur die Namen der Könige müssen wir wissen, sondern auch die Namen aller Völker, aller Länder, Flüsse, Berge und überhaupt von allem, was es unter der Sonne gibt....



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