E-Book, Deutsch, 384 Seiten
Miranda LITTLE LIES – Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-641-22206-2
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Thriller – Der neue Bestseller mit Gänsehautgarantie
E-Book, Deutsch, 384 Seiten
ISBN: 978-3-641-22206-2
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Sie wohnt bei dir. Du denkst, du kennst sie. Doch du weißt nicht, wozu sie fähig ist ...
Die Journalistin Leah flieht vor ihrem alten Leben: Sie lässt ihre Heimat und ihren Job hinter sich und zieht mit ihrer besten Freundin Emmy in ein altes Haus auf dem Land. Das Zusammenleben klappt gut. Leah arbeitet tagsüber in der Schule, Emmy nachts an einer Rezeption. Doch dann stellt Leah eines Nachts fest, dass sie ihre Freundin seit Tagen nicht gesehen hat. Noch bevor sie Emmy als vermisst melden kann, wird in der Nähe eine brutal misshandelte junge Frau gefunden. Doch die Frau ist nicht Emmy – stattdessen sieht sie Leah zum Verwechseln ähnlich … Muss Leah nicht nur um Emmys, sondern auch um ihr eigenes Leben fürchten?
»Spannung bis zur letzten Seite!« Freundin
Megan Miranda ist eine erfolgreiche amerikanische Autorin und steht seit ihrem Spannungsdebüt »Tick Tack« mit jedem neuen Thriller wochenlang auf der deutschen SPIEGEL-Bestsellerliste. Ihr Markenzeichen sind atemlos machende Pageturner und Plottwists, die selbst ihre größten Fans nicht kommen sehen – bis zur letzten Seite. Auch mit ihrem neuen großen Thriller »SMALL TOWN« garantiert sie für clevere psychologische Spannung mit Gänsehautfaktor.
Megan Miranda lebt mit ihrer Familie in North Carolina.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1
Das Haus habe Charakter, hatte Emmy gesagt und damit seine Macken gemeint: der nicht vorhandene Wasserdruck in der Dusche, die unlogische Ausrichtung. Unser Haus hatte zwei große gläserne Schiebetüren, durch die man von der Veranda aus direkt ins Wohnzimmer und die Küche kam, vom Flur dahinter gingen zwei Schlafzimmer und ein gemeinsames Bad ab. Der Haupteingang lag am anderen Ende des Flurs und ging zum Wald hinaus, als hätte man es zwar mit den richtigen Maßen gebaut, aber in die falsche Richtung.
Das Netteste, was ich über das Haus sagen konnte, war wohl, dass es meins war. Aber auch das stimmte nicht ganz. Mein Name stand im Vertrag, mein Essen im Kühlschrank, es war mein Glasreiniger, mit dem man den Blütenstaub von den Schiebetüren wischen konnte.
Trotzdem gehörte es jemand anderem. Ebenso die Möbel. Ich hatte nicht viel mitgebracht. Wenn man es genau betrachtete, besaß ich kaum etwas, was ich beim Auszug aus meiner Einzimmerwohnung im Zentrum von Boston hätte mitnehmen können. Barhocker, die an keinen normalen Tisch passten. Zwei Kommoden, eine Couch und ein Bett, dessen Transport mehr gekostet hätte als ein Neukauf.
Manchmal fragte ich mich, ob es nur die Worte meiner Mutter in meinem Kopf waren, die bewirkten, dass ich diesen Ort und meine Entscheidung, hier zu leben, geringer schätzte, als sie es waren.
Bevor ich Boston verlassen hatte, hatte ich versucht, mir in Gedanken eine Geschichte für meine Mutter zurechtzulegen, in der ich diese große Lebensveränderung als eine aktive Entscheidung ausgab, die ihren Sinn für Wohltätigkeit und Anstand ansprechen würde – sowohl zu ihrem als auch zu meinem Besten. Ich hatte mal gehört, wie sie meine Schwester und mich ihren Freunden vorstellte: »Rebecca hilft denen, die man retten kann, und Leah gibt jenen einen Stimme, für die es keine Rettung gibt.« Und so stellte ich mir vor, wie sie das jetzt für ihre Freunde zusammenfassen würde: Wenn jemand das verkaufen konnte, dann sie.
Erst einmal ließ ich es so aussehen, als sei das Ganze meine Idee gewesen und nicht der Plan von jemand anderem, an den ich mich einfach gehängt hatte, weil ich nirgends anders hinkonnte. Weil ich das Gefühl hatte, das Netz um mich schloss sich umso enger, je länger ich stillhielt.
Emmy und ich hatten bereits die Kaution bezahlt, und ich schwebte durch die Wochen und träumte von der neuen Welt, die auf mich wartete. Doch sogar da wappnete ich mich für den Anruf bei meiner Mutter. Plante ihn für einen Zeitpunkt, von dem ich wusste, sie wäre dann schon auf dem Sprung zu ihrer Stehkaffeeverabredung mit »den Mädels«. Übte meine Rede, wobei ich vorsorglich Gegenargumente für alle Kritikpunkte bereithielt:
Das Erste, was meine Mutter sagte, war: »Ich erinnere mich an keine Emmy.« Als wäre das die wichtigste Tatsache. Aber so machte sie es immer, sie rüttelte an den Details, bis das Große und Ganze schließlich nachgab, vollkommen unerwartet. Und dennoch war ihre Fragemethode auch der Beweis dafür, dass wir unsere Pläne nicht auf einem Traum aufbauten, dass wir ein sicheres Fundament hatten, das unter Druck nicht unweigerlich bröckeln würde.
Ich klemmte das Telefon zwischen Schulter und Ohr. »Ich habe nach dem College mit ihr zusammengewohnt.«
Stille, aber ich konnte sie denken hören:
»Ich dachte, du hast da mit … wie hieß sie noch, zusammengewohnt? Das Mädchen mit den roten Haaren? Deine Mitbewohnerin aus dem College?«
»Paige«, sagte ich und sah nicht nur sie, sondern auch Aaron vor mir, wie immer. »Das war nur kurz.«
»Verstehe«, sagte sie langsam.
»Ich bitte dich nicht um Erlaubnis, Ma.«
Nur dass ich es doch irgendwie tat. Sie wusste das. Ich wusste das.
»Komm nach Hause, Leah. Komm nach Hause und lass uns darüber reden.«
Unter ihrer Führung waren meine Schwester und ich seit der Mittelstufe mit unseren Leistungen immer auf der Überholspur gewesen. Sie hatte ihre eigenen Fehltritte als Beispiele herangezogen, um uns vor ihnen zu bewahren. Und zwei unabhängige, erfolgreiche Töchter großgezogen. Einen Status, den ich nun wohl gefährdete.
»Also, wie jetzt?«, fragte sie und änderte die Marschrichtung. »Du bist also einfach eines Tages zur Arbeit gegangen und hast gekündigt?«
»Ja«, sagte ich.
»Und genau?«
Ich schloss die Augen und malte mir einen Moment lang aus, wie es wäre, jemand anderes zu sein, wenn wir beide Menschen wären, die Dinge sagen konnten wie: , bevor ich mich dann aufrichtete und ihr meine Ansprache hielt. »Weil ich etwas verändern will. Nicht nur Fakten sammeln und darüber berichten. Bei der Zeitung tue ich nichts, als mein Ego zu streicheln. Lehrer werden gebraucht, Mom. Ich könnte wirklich etwas bewirken.«
»Ja, aber in West Pennsylvania?«
Die Art, wie sie das von sich gab, sagte mir alles, was ich wissen musste. Als Emmy den Vorschlag gemacht hatte, war mir West Pennsylvania wie eine andere Version der Welt erschienen, die ich kannte, mit einer anderen Version von mir selbst darin – was damals genau das gewesen war, was ich gebraucht hatte. Aber die Welt meiner Mutter hatte die Form eines Hufeisens. Sie erstreckte sich von New York City nach Boston und umfasste in einem Bogen ganz Massachusetts (sparte aber Connecticut vollkommen aus). Sie war das Epizentrum in West Massachusetts und hatte je eine Tochter erfolgreich in beide Enden des Bogens entsandt, und die Welt war richtig und vollständig. Jeder andere Ort würde im Vergleich dazu immer nur mehr oder minder großes Versagen bedeuten.
Meine Familie war eigentlich nur eine Generation von einem Leben entfernt, das so aussah: ein Mietshaus mit maroden Leitungen, notgedrungen einem Mitbewohner, eine Stadt, deren Namen man leicht vergessen konnte, eine Arbeit, aber ohne Perspektive. Als mein Vater uns verließ, war ich nicht wirklich alt genug, um die Auswirkungen zu verstehen. Aber ich erinnerte mich, dass es eine Zeit gegeben hatte, in der wir völlig planlos waren und abhängig von der Großzügigkeit der Menschen um uns herum. Das waren die Höllenjahre gewesen – diejenigen, über die meine Mutter nie sprach, eine Zeit, von der sie jetzt so tat, als hätte sie nie existiert.
Für sie klang das hier bestimmt sehr nach einem Rückschritt.
»Gute Lehrer werden überall gebraucht«, sagte ich.
Erst erwiderte sie nichts und ließ sich dann zu einem langsamen und schleppenden »Ja« herab.
Ich legte auf, fühlte mich bestätigt, doch dann kam der Stich. Sie hatte gar nicht zugestimmt.
Genau genommen meinte sie das nicht böse. Meine Schwester und ich waren beide Abschlussrednerinnen gewesen, hatten beide ein Stipendium erhalten, waren beide in jüngerem Alter als üblich jeweils an den Colleges unserer Wahl angenommen worden. Es war nicht verwunderlich, dass sie diese Entscheidung hinterfragte – besonders, weil sie aus heiterem Himmel kam.
, hatte ich gesagt. Das war keine Lüge, sondern Formsache – die Wahrheit war, dass es der sicherste Weg gewesen war, sowohl für die Zeitung als auch für mich. In Wahrheit hatte ich keinen Job in dem Beruf, den ich erlernt hatte, ich hatte auch keinen in Aussicht. In Wahrheit war ich froh, einen so nichtssagenden Namen zu haben, einen Namen, den ich als Jugendliche nicht hatte ausstehen können. Ein Mädchen, das sich in der Masse verstecken konnte und nie hervorstach. Ein x-beliebiger Name.
Emmys Auto war noch immer nicht zurück, als ich zur Schule aufbrechen wollte. Das war nicht ungewöhnlich. Sie hatte Nachtschicht, und sie ging mit einem Typen namens Jim aus – der am Telefon so klang, als wären seine Lungen ständig in Rauch gehüllt. Ich fand nicht, dass er gut genug für Emmy war; fand, dass sie in gewisser Weise einen Rückschritt machte, so wie ich. Doch ich sah es ihr nach, denn ich verstand, wie es hier draußen sein konnte, wie die Ruhe sich manchmal wie eine Leere anfühlte – und dass man ab und zu einfach von jemandem wahrgenommen werden wollte.
Außer an Wochenenden verpassten wir uns manchmal tagelang hintereinander. Aber es war Donnerstag, und ich musste die Miete bezahlen. Normalerweise ließ sie mir Geld auf dem Tisch liegen, unter dem bemalten Gartenzwerg aus Stein, den sie gefunden hatte und als Tischdeko benutzte. Ich nahm den Zwerg an seiner roten Mütze hoch, nur um sicherzugehen, entdeckte aber nichts als ein paar Krümel.
Dass sie die Miete zu spät zahlte, war allerdings auch nicht so ungewöhnlich.
Ich hinterließ ihr eine Nachricht auf einem Klebezettel neben dem Telefon, der Stelle, die wir dafür auserkoren hatten. Ich schrieb MIETE FÄLLIG in großen Buchstaben auf den Zettel und klebte ihn an die holzvertäfelte Wand. Sie hatte alle Nachrichten von dieser Woche abgenommen –...