E-Book, Deutsch, 381 Seiten
Mills Das kleine Geschenkemobil im Winterglück
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-96797-398-3
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 381 Seiten
ISBN: 978-3-96797-398-3
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Serens Großtante Nelly hasst es, in einem Pflegeheim zu leben, vor allem in der Weihnachtszeit. Als Seren erfährt, dass Nelly und die anderen Bewohner nicht in den Genuss kommen, in den Geschäften nach Geschenken zu stöbern, hat sie eine Idee: Wie wäre es, wenn sie die Geschenke zu den Bewohnern bringt? Kurzerhand baut Seren einen Eiswagen in einen Geschenkeladen um und reist durch Tinston.
Wird ihr kleiner Weihnachtsladen auf vier Rädern den Bewohnern die dringend benötigte Festtagsstimmung bringen? Und wer ist der gut aussehende Weihnachtsmann, auf den Seren immer wieder trifft?
Eine herzerwärmende und lustige Weihnachtsgeschichte für Fans von Rebecca Raisin und Sue Moorcroft.
Lilac Mills lebt mit ihrem sehr geduldigen Ehemann und ihrem unglaublich süßen Hund auf einem walisischen Berg, wo sie Gemüse anbaut (wenn die Schnecken es nicht erwischen), backt (schlecht) und es liebt, Dinge aus Glitzer und Kleber zu basteln (meistens eine Sauerei). Sie ist eine begeisterte Leserin, seit sie mit fünf Jahren ein Exemplar von »Noddy Goes to Toytown« in die Hände bekam. Einmal hat sie versucht, alles in ihrer örtlichen Bibliothek zu lesen, angefangen bei A, und sich durchs Alphabet gearbeitet. Sie liebt lange, heiße Sommer- und kalte Wintertage, an denen sie sich vor den Kamin kuschelt. Aber egal, wie das Wetter ist, sie schreibt oder denkt über das Schreiben nach, wobei sie immer von herzerwärmender Romantik und Happy Ends träumt.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1
»Wir haben einen neuen Insassen«, berichtete Seren Fletchers Großtante ihrer Nichte, als diese sie im Fernsehzimmer des Pflegeheims gefunden hatte.
Seren beugte sich über die alte Dame und küsste sie auf die Wange. Ihre Großtante war mittlerweile schon dreiundneunzig Jahre alt, und ihr Gesicht zeigte jede Menge Falten, aber ihre Haut war nach wie vor weich und duftete nach dem Puder, den sie jeden Morgen auftrug – komme, was da wolle. Heute waren noch dazu ihre Lippen knallrot geschminkt, wie Seren jetzt bemerkte, nur war der Lippenstift leider in die zahlreichen Falten um ihren Mund herum gewandert, was ihr das Aussehen eines Vampirs mit unschönen Essgewohnheiten verlieh.
Großtante Nelly klopfte einladend auf den Stuhl neben sich, aber Seren schüttelte den Kopf.
»Sag nicht, du willst gleich wieder gehen!« Nelly verzog enttäuscht das Gesicht.
Seren schüttelte erneut den Kopf. »Ich kann bleiben, so lange du möchtest, aber der Fernseher ist so laut, man versteht ja sein eigenes Wort nicht. Können wir nicht irgendwohin, wo es ruhiger ist?«
»Was hast du gesagt?«, rief Nelly, weshalb Seren ihre Frage schon wiederholen wollte, als sie das vergnügte Glitzern in den Augen der alten Dame bemerkte.
»Scherzkeks!« Sie lachte und hielt der alten Dame den Arm hin, damit diese sich beim Aufstehen daran festhalten konnte.
Langsam und steif rutschte Nelly bis zur Stuhlkante vor, stützte sich mit den Händen ab und hievte sich hoch. Einen Moment schwankte sie beängstigend, doch dann griff sie nach dem dargebotenen Arm und hatte sich schnell wieder gefangen.
»Möchtest du deinen Rollator?« Seren war kurz zusammengezuckt, als sich die Hand ihrer Großtante um ihren Arm geschlossen hatte. Nelly mochte zerbrechlich wirken, doch der Griff der alten Dame war erstaunlich fest.
»Ja, ist wohl besser, ich nehme ihn mit. Wenn ich ihn hier stehen lasse, wird er doch nur geklaut.«
»Das glaube ich nicht …« Seren war überrascht. Bisher hatte sie noch nicht gehört, dass es im Heim Probleme mit Diebstahl gegeben hätte. Für ein Pflegeheim war es ein gutes Haus: modern und hell, mit einer schönen, gepflegten Gartenanlage und erfreulich viel Personal. Mehr noch, die Belegschaft hier tat wirklich alles, damit es den Heimbewohnern gut ging, und behandelte sie fürsorglich, einfühlsam und respektvoll, wie sie es auch verdienten. Nellys Bemerkung war daher ziemlich beunruhigend, und Seren nahm sich vor, einen der Angestellten darauf anzusprechen, bevor sie ging.
»Sind doch alles Diebe hier!« Nelly hatte beide Hände auf ihren Rollator gelegt und setzte sich langsam und methodisch in Gang: Rollator ein Stück weiterschieben, einen Fuß vorsetzen, den anderen folgen lassen und dann das Ganze wieder von vorne.
So kamen sie natürlich nur schleichend voran, aber Seren hatte es nicht eilig. Ihr Vater würde erst viel später von der Arbeit nach Hause kommen, und das Abendessen war bereits vorbereitet. Es würde ihr Lieblingsessen geben: Lammeintopf mit Klößen.
Tante Nellys Rollator kroch weiter über den Teppichboden im Flur, und es dauerte einige Zeit, bis die beiden Frauen den Aufenthaltsraum erreicht hatten. Hier ging es normalerweise eher ruhig zu, wobei auch das nicht garantiert war. Es hing davon ab, ob gerade ein Kartenspiel stattfand und wer dabei gewann oder schummelte. Da konnte es durchaus hoch hergehen.
Heute war der Raum glücklicherweise leer.
»Soll ich dir einen Tee holen?«, erkundigte sich Seren bei ihrer Tante, nachdem diese es sich gemütlich gemacht hatte. »Und dann erzählst du mir alles über den neuen Insassen – Himmel! Jetzt fange ich auch schon an! Bewohner natürlich. Du erzählst mir alles über euern neuen Bewohner.«
»Insasse trifft es schon. Man fühlt sich hier wie im Gefängnis, also kann man alle, die hier festsitzen, auch ruhig Insassen nennen.«
»So schlimm ist es doch wirklich nicht, Tantchen!«, protestierte Seren. »Ich hole uns jetzt erst mal einen Tee.«
»Er muss stark sein, denk dran. Komm mir bloß nicht mit dem Spülwasser, das dein Vater immer macht.«
Seren musste grinsen. Über die Qualität des von ihrem Vater servierten Tees ließ sich wirklich nicht streiten. Er hatte einfach kein Talent in dieser Richtung und riss den Teebeutel meist schon aus der Tasse, bevor das heiße Wasser überhaupt die Gelegenheit gehabt hatte, die Farbe zu ändern. Daher kochte Seren bei sich zu Hause den Tee, allein schon ihren Geschmacksnerven zuliebe.
»Hier, bitteschön, stark und schwarz wie Teer.« Seren stellte die Tasse für ihre Tante so auf einen Beistelltisch, dass diese sie mit ihren von Arthritis geplagten Händen leicht erreichen konnte, und nahm ihre eigene Tasse in beide Hände. Sie trank die heiße Flüssigkeit in kleinen Schlucken, während sie darauf wartete, dass ihre Tante mit den Neuigkeiten herausrückte.
Im Heim war eigentlich immer etwas los, und Nelly wusste meistens bestens Bescheid, denn egal wie oft sie sich darüber beschwerte, sich wie im Gefängnis zu fühlen, ließ sie sich doch voller Elan auf alles ein, was hier passierte.
»Heute ist ein neuer Typ aufgetaucht«, begann Nelly zu erzählen. »War zunächst nur auf einen Besuch hier, will aber Ende der Woche einziehen.«
»Und wie ist er so?«
»Jung. Fünfundachtzig, habe ich mir sagen lassen. Eine Tochter, ein Enkel, beide natürlich schon erwachsen. Hat noch all seine Haare und wohl auch seinen Verstand, aber das kann man in dem Alter ja noch erwarten.«
Seren musste sich ein Grinsen verkneifen. Von wegen jung! Ihre Tante war gerade einmal acht Jahre älter.
Nelly griff nach ihrer Tasse, um laut schlürfend einen Schluck Tee zu trinken. »Ich habe gehört, er hat Parkinson. Kann ich mir gut vorstellen, er geht schlechter als ich, und das will was heißen. Ich konnte ihn allerdings auch sprechen hören, und mit seiner Sprache scheint alles okay zu sein. Gott sei Dank. Schlimm genug, hier festzusitzen. Wenn man dann auch noch darum kämpfen müsste, verstanden zu werden – das wäre zu hart.« Nelly berichtete das alles nicht ohne eine gewisse Genugtuung, wie Selen bemerkte, die langsam Mitleid mit dem Mann bekam. Ihre Tante würde ihn erbarmungslos löchern, würde mit der Ausdauer und Geduld eines Bergmanns, der Kohle aus dem Felsen schlug, auch noch das letzte Fitzelchen an persönlichen Informationen aus ihm herausholen. Nelly liebte es, die Angelegenheiten anderer bis ins Detail zu kennen, und manch einer hätte sie vielleicht als eine Spur zu neugierig bezeichnet. Seren wusste jedoch, dass ihre Tante ein Herz aus Gold hatte und nicht einen Funken Boshaftigkeit im Leib.
»Ich wollte ihm eigentlich ein kleines Geschenk zum Einstand besorgen, nach dem Motto ›Willkommen im Knast‹, nur so als nette Geste, aber …« Nelly starrte mit versteinerter Miene in ihre Teetasse. Sie war wirklich nicht in bester Stimmung.
»Ich kann etwas für dich kaufen«, schlug Seren vor.
Nelly schüttelte den Kopf. »Das ist es ja gerade! Ich weiß nicht, was er mag, also weiß ich auch nicht, was ich für ihn besorgen könnte.«
»Pralinen? Süßigkeiten? Ein schönes Bier?«
»Pah, der übliche Kram! So was kauft man Leuten, wenn es einem eigentlich scheißegal ist und man zu faul ist, sich etwas einfallen zu lassen.«
»Tantchen!« Seren senkte die Stimme und sah sich nervös um, obwohl niemand außer ihnen im Zimmer war. »Scheißegal? So was kannst du doch nicht sagen!«
»Wieso denn nicht?«
»Vielleicht weil es nicht gerade damenhaft ist?«
Nelly schnaubte. »Wie alt bist du eigentlich?«
»Du weißt genau, wie alt ich bin.«
»Siebzig, ja? Oder doch erst fünfundsechzig? Wer dich so hört, käme nie auf die Idee, dass du erst achtundzwanzig bist. Damenhaft? Dass ich nicht lache. Damenhaft zu sein, ist schon seit Ewigkeiten nicht mehr in Mode. Genauso wie das Sitzen mit an den Knöcheln gekreuzten Beinen.«
»Dabei ist das eine prima Idee, wenn man einen kurzen Rock trägt«, meinte Seren.
Nelly kniff die Augen zusammen, und die Falten darum wurden so tief, dass ihre Pupillen kaum mehr zu sehen waren. »Du willst doch bloß das Thema wechseln. Lass es...