E-Book, Deutsch, 166 Seiten
Reihe: Alltag, Medien und Kultur
Skandinavische Fernsehserien und ihr internationaler Erfolg
E-Book, Deutsch, 166 Seiten
Reihe: Alltag, Medien und Kultur
ISBN: 978-3-7445-0607-6
Verlag: Herbert von Halem Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Medien- und Kommunikationswissenschaften Medienwissenschaften Fernsehen & Rundfunk
- Geisteswissenschaften Theater- und Filmwissenschaft | Andere Darstellende Künste Filmwissenschaft, Fernsehen, Radio Filmgattungen, Filmgenre
- Geisteswissenschaften Theater- und Filmwissenschaft | Andere Darstellende Künste Filmwissenschaft, Fernsehen, Radio Filmtheorie, Filmanalyse
- Geisteswissenschaften Theater- und Filmwissenschaft | Andere Darstellende Künste Filmwissenschaft, Fernsehen, Radio Filmproduktion, Filmtechnik
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Eine kurze Seriengeschichte2
Fernsehserien kommen zwar nur im Fernsehen vor – auch wenn sie mittlerweile über sogenannte Video-on-Demand-Plattformen auf den heimischen Bildschirm gelangen, der nicht mehr notwendigerweise ein Fernsehgerät sein muss, sondern auch der Screen eines Laptops sein kann. Die Erzählweisen, die den Serien zugrunde liegen, haben allerdings Tradition (vgl. Mielke 2006). Serielle Erzählungen sind zunächst in oralen Kulturen nachweisbar, bevor sie nach der Erfindung des Buchdrucks auch in gedruckten Medien auftauchen. Bereits zu dieser Zeit wurden die Erzählungen teilweise mit Bildern verknüpft. Es entstanden Bilderserien, die zunächst in Zeitungen gedruckt wurden, bevor sie später als Comics eine eigenständige Mediengattung bildeten, von »Asterix« zu »Micky Maus«, von Cartoons bis hin zu japanischen Mangas. Die elektronischen Medien und der Film griffen die Erzählform auf. Während bereits in den 1910er Jahren Filmserials populär waren, wanderten die seriellen Erzählungen in den 1920er Jahren ins Radio, die sogenannte Radio-Soap war entstanden. Das Fernsehen griff auf diese tradierten Formen zurück, die Daily Soap und die Familien-, Krimi-, und Westernserien wurden geboren. Kaum hatte sich das Internet massenhaft durchgesetzt, wurden die sogenannten Webserien geboren, die in vielen kurzen Episoden ihre Geschichten erzählen. Gemeinsam ist den Serien in allen verschiedenen Medien die Art der Erzählung: das serielle Erzählen oder, wie es Christine Mielke (2006, S. 2) genannt hat, die zyklische-serielle Erzählform bzw. Narration. »Hauptkennzeichen der zyklisch-seriellen Erzählformen im weitesten Sinne ist die Zusammengehörigkeit mehrerer Erzählungen oder Erzähleinheiten in einem real oder fiktional erkennbar gerahmten Modus, sei es durch eine Programmstruktur oder durch die Kommunikationsakte eines fiktionalen bis (massen-)medial vereinten Publikums. Ihre Hauptmotive sind der Tod und die Gemeinschaft, die als polare Gegensätze inszeniert werden, zwischen denen sich die literarische Darstellung eines lebensweltlichen Phänomens und seine vitale sprachliche Diskursivierung entspannt. Sowohl die Rahmenzyklen wie die Endlosserien erzählen von der Irreversibilität des Todes und den Gegenstrategien, die die poetische Sprache bietet. Ihre Funktion ist die Demonstration des Erzählens als Vorgang eines fiktionalen Weltentwurfs, als Ablenkung und krisenhafter Zeitvertreib in einer motivischen Verbindung mit einer Erzählgemeinschaft als Instanz und Garant der sozialen Weltkonstruktion« (ebd.). Bereits Scheherazade hatte die Wirkung von Fortsetzungsgeschichten erkannt und zog damit den Sultan in ihren Bann, um ihren Tod aufzuschieben. Die Geschichten aus »Tausendundeine Nacht« gelten allgemein als Urform des seriellen Erzählens (ebd., S. 49 ff.; Mikos 1994a, S. 130). Sie enthalten die wesentlichen Merkmale: Es geht um Leben und Tod, den Urstoff dramatischer Geschichten, und es geht darum, das Publikum (den Sultan) an die Geschichte und seine Erzählerin zu binden. Heute »sind serielle Erzählverfahren Teil eines wechselseitigen Bedingungsgefüges von industriellen Produktions- und technischen Reproduktionsprozessen sowie nicht zuletzt Ergebnis eines Geschäftskalküls, das auf die langfristige Bindung breiter Rezipientengruppen an ein Produkt zielt« (Wedel 2012, S. 22). Zwar reicht die Geschichte der Fernsehserien bis in die Anfänge des Mediums zurück, doch bekommen sie im 21. Jahrhundert unter den Bedingungen der Digitalisierung und der dadurch ausgelösten Ausdifferenzierung von Sendern und Fernsehprogrammen bei gleichzeitiger Fragmentierung des Publikums eine noch wichtigere Rolle. Geht es doch für die Produzenten und Sender darum, in der Vielzahl der Fernsehkanäle Aufmerksamkeit zu generieren und das Publikum zu binden. Die Zuschauer, die von einer Serie fasziniert sind, schauen immer wieder zu – und das nicht nur im klassischen linearen Fernsehen, sondern auch auf DVD und BluRays sowie auf den Video-on-Demand-Plattformen und in Mediatheken. Für den ökonomischen Gewinn ist wichtig, dass die Zuschauer dabeibleiben, auf welchem Vertriebsweg auch immer. Dieses Prinzip war bereits für die Zeitungen wichtig. Der sogenannte Feuilletonroman gilt als moderne Inkarnation seriellen Erzählens, auch wenn es zuvor schon Fortsetzungsgeschichten in der Kolportageliteratur des 17. Jahrhunderts gab, aus denen die heutigen Heftromanserien hervorgegangen sind. Doch erst im 19. Jahrhundert wurde die Serie zu einer dominanten Form der narrativen Präsentation (vgl. Hagedorn 1988, S. 5). Die Fortsetzungsgeschichten standen in den französischen Zeitungen im unteren Drittel der Seite, quasi im Erdgeschoss (Neuschäfer et al. 1986, S. 2). Honoré de Balzac war der Verfasser des ersten Feuilletonromans mit dem Titel »La Vieille Fille« (»Die alte Jungfer«), der im Oktober und November 1836 in der Tageszeitung La PRESSE erschien (vgl. Hagedorn 1988, S. 6; Schwendemann 1976, S. 262 ff.). Doch erst ein paar Jahre später erlebten die Fortsetzungsgeschichten eine wahre Blütezeit. Die wohl bekanntesten Feuilletonromane dieser Zeit sind »Les Mystères de Paris« (»Die Geheimnisse von Paris«) von Eugène Sue, »Le Comte de Monte-Cristo« (»Der Graf von Monte Christo«) von Alexandre Dumas und »Les Mystères de Londres« (»Die Geheimnisse von London«) von Paul Feval. Diese Romane dienten vor allem dem Zweck, die Auflage der Zeitungen zu steigern und mehr Abonnenten zu bekommen. Wie sehr diese Strategie zum Erfolg führte, lässt sich am Beispiel der Zeitung LE CONSTITUTIONNEL zeigen. Das Blatt kaufte nach dem großen Erfolg der »Geheimnisse von Paris« den Nachfolgeroman von Eugène Sue mit dem Titel »Le Juif errant« (»Der ewige Jude«). Damit konnte im Jahr 1844 die Auflage binnen kurzer Zeit von 3600 auf 22 130 Exemplare gesteigert werden (vgl. Thiesse 1984, S. 16). Das Phänomen beschränkte sich jedoch nicht nur auf Frankreich, sondern fasste auch in Deutschland und England Fuß. Denn schnell wurde erkannt, dass die Fortsetzungsgeschichten nicht nur für die in ihnen erzählte Geschichte warben, sondern auch für die Zeitung, die sie veröffentlichte. Interessanterweise spielen serielle Erzählungen immer dann eine große Rolle, wenn neue Medien den alten Konkurrenz machen. Darauf hat Roger Hagedorn (1988, S. 5) hingewiesen, der mit der Rolle der Eigenwerbung erklärt, »why serials appear in a particular medium precisely at that period when the real rival is not so much another serial in the same medium, but another medium«. Damit ließe sich erklären, warum der US-Kabelsender HBO um die Jahrtausendwende mit seinen hochwertigen Serien Marktanteile gewann. Damit ließe sich auch erklären, warum gegenwärtig vor allem Fernsehserien produziert werden: Das Fernsehen muss sich gegen die Konkurrenz des Internets wehren und kann eben mit den Fortsetzungsgeschichten Zuschauer binden. Im Internet wiederum wird versucht, mit Webserien eine Nutzerbindung herzustellen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts versuchten die Filmproduzenten mit ersten Serials das Publikum in die Kinos zu locken. Dabei standen drei Genres im Mittelpunkt. Vor allem in Frankreich und den USA gab es Filmserials mit populären Komikern, z.B. die »Boireau«- und die »Bébé«-Serien in Frankreich oder die Serials mit Charlie Chaplin und Buster Keaton in den USA (vgl. Wedel 2012, S. 23). Daneben waren es vor allem Krimi- und Detektivserials wie die »Nick-Carter«-Serie in Frankreich. Auch in Deutschland gab es Detektivserien um die Figuren Joe Deebs und Harry Higgs (ebd., S. 24). In den USA erblickten Westernserials die Leinwände. Von »Broncho Billy« wurden zwischen 1907 und 1916 insgesamt 376 Episoden gedreht. Außerdem versuchte man gerade in den USA, mit einer »Mischung von Erotik, Verbrechen und Gewalt« (ebd.) – die Filmserials »What Happened to Mary« und »The Hazards of Helen« seien hier beispielhaft genannt – das Publikum zu locken. Die dramatische Erzählung wurde am Ende jeder Episode mit einem sogenannten Cliffhanger beendet, d. h., die Handlung wird in einem besonders spannenden Moment unterbrochen und erst in der darauffolgenden Episode fortgesetzt. Damit sollen die Zuschauer wieder ins Kino gelockt werden. Ende der 1920er und zu Beginn der 1930er Jahre hatten sich die langen Featurefilme als Hauptattraktion in den Kinos durchgesetzt, die Serials gerieten zwar nicht in Vergessenheit, wurden aber in den Hintergrund gedrängt. Diese Entwicklung fiel in eine Zeit, als es einerseits mit der Einführung des Tonfilms einen Umbruch in der gesamten Filmindustrie gab und andererseits sich mit dem Radio ein neues Medium anschickte, zum Massenmedium zu werden. Die erste Radioserie »Amos ’n’ Andy« ging 1929 in den USA auf Sendung. Die Werbeindustrie hatte da bereits das ökonomische Potenzial der Serien erkannt. So ist es kein Wunder, das »Amos ’n’ Andy« zunächst von Pepsodent Zahnpasta (bis 1937) und danach von Campbell Suppen gesponsort wurde. Vor allem Hausfrauen wurden als Zielgruppe der Radioserials gesehen, sodass vor allem Firmen aus dem weiten Bereich der Haushaltsartikel als Sponsoren in Erscheinung traten. Eine der erfolgreichsten Serien im Radio war »Ma Perkins«, deren Geschichte von 1933 bis 1960 in 7 065 Episoden erzählt wurde. Gesponsort wurde sie vom Waschmittel- und Seifenhersteller Procter & Gamble (vgl. Mielke 2006, S. 494). Auch die Konkurrenz Colgate-Palmolive sponsorte Radioserials. Das führte u. a. dazu, dass dieses neue Genre auch als »Soap-Opera« bezeichnet wurde (vgl. Cantor/Pingree 1983, S. 37). Die 1930er und 1940er Jahre waren die Blütezeit der Radioserials. In den 1950er Jahren ging deren Ära langsam zu Ende, die großen Networks hatten Anfang der 1960er Jahre kaum noch Radio-Soaps im Programm. Diese...