Mikolajczak | Das Kind der Hexe: Historischer Roman | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 371 Seiten

Mikolajczak Das Kind der Hexe: Historischer Roman


2. Auflage 2019
ISBN: 978-3-96415-064-6
Verlag: Latos Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 371 Seiten

ISBN: 978-3-96415-064-6
Verlag: Latos Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Stuttgart im 17. Jahrhundert. Die junge Constance Wegner wird von ihrem Bruder Jerg geschwängert und gezwungen, ihr Kind heimlich auszutragen. Nach der Geburt ihres Sohnes setzt Jerg den Säugling aus, denn niemand soll von dessen Existenz erfahren. Als Constance gegen Jergs Tat aufbegehrt, bezichtigt dieser sie öffentlich, eine Hexe zu sein. Von Stund an als Hexe gejagt, sieht Constance keinen anderen Ausweg und flieht aus der Stadt.
Ihre Flucht und die Suche nach ihrem Kind führen Constance in die freien Reichsstädte Esslingen und Reutlingen. Hinter deren Stadtmauern tobt der Hexenwahn, unschuldige Frauen werden als Hexen verurteilt und der Rauch ihrer Scheiterhaufen verdunkelt den Himmel über Württemberg. Unerschrocken trotzt Constance der Gefahr. Sie findet ihren Sohn, lernt die Liebe ihres Lebens kennen und droht ihr Glück und ihr Leben zu verlieren, als Hexenjäger ihre Spur aufnehmen.

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2. Kapitel


Jerg war mit sich und der Welt zufrieden. Er war der Herr des Hauses geworden, der neue Schulmeister und Constances Geliebter. In Gedanken schritt er durch die engen Gassen der Sadt. Eine Prozession von Pilgern verstopfte den Weg und suchte in ihrem Pilgerbuch nach einer geeigneten Stelle zur Übernachtung. Einer der Pilger hatte ein offenes Bein. Die Wundmale waren entzündet und Jerg konnte Maden darin entdecken. Fasziniert und abgestoßen zugleich starrte Jerg auf den Kranken und fragte sich, ob die Männer unterwegs nach Rom, nach Jerusalem oder Santiago de Compostela waren, wo man das Grab des Apostels Jakobus zu finden geglaubt hatte. Der Kälte und Feuchtigkeit Stuttgarts zu entkommen, der Gedanke gefiel Jerg, doch eine solche Reise war ihm nicht möglich. Er trug Verantwortung für seine Schwester und die Kinder in der Schule.

Jerg freute sich auf die Herausforderung und war sicher, sie zu meistern. Seiner Schwester hatte er bereits ihren Platz zugewiesen, die Kinder zu zähmen, sollte ihm ein Leichtes sein. Sie warteten bereits auf Jerg. Vierzehn Kinder drückten die harten Holzbänke in dem alten Steingebäude. Die Älteren saßen auf der rechten Seite des Raumes, die Kleineren auf der linken. Nur wenigen Knaben stand der Besuch einer Schule offen, die meisten arbeiteten im Handwerksbetrieb ihrer Eltern oder begannen mit sieben Jahren eine Lehre. Jerg gefiel der Gedanke, den Nachwuchs der Oberschicht zu unterrichten, ihr Herr und Meister zu sein. Fasziniert betrachtete Jerg die Rute aus Zweigen auf seinem wurmstichigen Stehpult.

„Salve Magister!“, hallte es Jerg aus Knabenstimmen entgegen und stramm standen die Jungs vor ihren Bänken.

, dachte Jerg, schritt durch die Reihen der Kinder und blieb vor jedem einzelnen Jungen stehen. „Dein Name?“, fragte Jerg knapp und ein jeder gab ihm Antwort. Jerg inspizierte die Wachstafeln und Griffel und sammelte Holz, Kerzen, Fackeln und Kienspäne ein, die die Kinder als Teil ihres Schulgeldes zum Erhellen und Erwärmen der Räume mitbringen mussten. „Omnia Galia divisa est in partes tres.“ Jerg sah fragend in die Runde und einer der ältesten Jungen meldete sich. „Ganz Gallien ist in drei Teile geteilt“, übersetzte er den Text Cäsars und Jerg war zufrieden. Nichts anderes hatte er erwartet, schließlich war dies die ehemalige Klasse seines Vaters. Beim Gedanken an Tobias fiel Jergs Blick auf das schmale Fenster. Hier hatte Jerg vor Kurzem gestanden, seinen Vater beobachtet und nachgeäfft. „A-B-C-D-E“, sprach Jerg leise, mehr zu sich selbst als zu den Kindern und sofort fielen die Kleinsten mit ein. „F-G-H-I-J“, setzten sie das Alphabet fort.

Durch die spitzen, hohen und schmalen Glasfenster fiel buntes Licht ins Innere der Kirche. Das farbige Licht erschien Constance wie ein Wunder, wirkte auf sie, wie ein Zeichen Gottes. Wie schön musste es erst im Paradies sein, wenn schon auf Erden das Licht göttlich wirkte. Constance richtete ihre Aufmerksamkeit auf das Kruzifix. „Warum mussten Vater und Mutter sterben? Sie waren gute Menschen gewesen. Warum hast du sie zu dir geholt? Warum sie, wenn eine Bestie wie Jerg am Leben bleiben darf? Ist dies alles eine Prüfung für mich? Willst du meinen Glauben prüfen und meine Demut? Hat mich Jerg deshalb genommen?“

Jede Nacht redete Constance sich ein, ein göttlicher Sinn stünde hinter ihrer Bürde, während sie flach auf dem Rücken lag, Jerg keuchen hörte und sich nicht bewegte.

, dachte Constance, während Jerg sie wieder und wieder beschlief.

Constances Blutung setzte aus und sie verheimlichte Jerg ihren Zustand. Constance wusste, wie zwanghaft Jerg versuchte außerhalb dieses Hauses nicht aufzufallen. Eine Schwangerschaft hätte all dies gefährdet. Nie hätte er Gerede zugelassen. Constance fürchtete, Jerg würde ihr Baby abtreiben lassen oder sie fortschicken und sie setzte ihr Schweigen Monate lang fort, bis sie eines Abends nackt auf Jergs Bett lag. Seine Hand streichelte ihren Bauch, ertastete die sanfte Wölbung. „Sag mir nicht, dass es das ist, was ich denke.“

„Ich trage ein Baby in mir. Du trägst die Verantwortung dafür.“ Jerg ließ von Constance ab. Unruhig und ruhelos ging er in der Schlafstätte auf und ab. Die Holzbohlen des alten Fachwerkhauses knarzten bei jedem seiner Schritte. „Und es besteht kein Zweifel?“

„Du hast Gott versucht, Jerg.“

Jerg biss sich auf die Unterlippe. Er ließ sich aufs Bett sinken, starrte zu Boden und verfiel in Schweigen. Seine Lust war verflogen.

„Jerg, ich werde das Kind behalten, egal was du für richtig erachtest.“ Er achtete nicht auf sie, dachte verzweifelt nach und suchte ein Hintertürchen. Es gab keines.

„Die Leute werden fragen, von wem das Baby stammt.“

„Ein Findelkind, auf den Stufen vor unserem Haus. Sie werden es glauben.“

„Und wenn nicht?“

„Ich lasse dir keine Wahl, Jerg. Wenn du mich zwingen willst das Kind abzutreiben, werde ich überall erzählen, wer der Vater ist. Wenn du das Baby töten willst, musst du auch mich töten.“

Von nun an, ließ Jerg seine Schwester in Ruhe. Seine Blicke huschten nicht mehr über Constances Brüste und ihr Gesäß, suchten stattdessen ihren Bauch, den verräterischen Beweis für ein langsames Wachsen des ungeborenen Lebens. Schließlich konnte Constances bekleideter Körper die Schwangerschaft nicht mehr verbergen. „Du wirst das Haus nicht mehr verlassen. Du wirst dich hier aufhalten, bis das Kind geboren ist. Dann sehen wir weiter.“ Constance hatte gewonnen, sie würde ihr Kind behalten dürfen. Der Hausarrest konnte ihr Glück nicht trüben. „Zeige dich nicht am Fenster. Öffne keinem die Tür. Unternimm nichts. Niemand darf dich so sehen.“ Constance genoss die Furcht in Jergs Stimme und sie genoss das Wissen, um die Angst ihres Bruders vor dem Baby in ihrem Bauch. „Ich werde den Menschen erzählen, du bist erkrankt. Ich werde sagen, derselbe Husten, der Mutter ans Bett gefesselt hat, hätte dich befallen. Keine Menschenseele wird Verdacht schöpfen.“

Constance erwachte durch die Glocke eines fahrenden Händlers und heimlich sah sie aus dem Fenster. Ein alter Schimmel zog einen abgetakelten, alten Karren. Waren befanden sich unter einer schützenden Plane, verborgen vor Constances Blick. Am Kutschbock war eine Glockenschelle befestigt. Der Händler sprang vom Kutschbock, tätschelte sein Pferd, griff in die Zügel und lächelte Jerg an. Jerg missfiel es, vor seinem Haus von einem Fremden abgepasst zu werden. „Was Euer Herz begehrt, ich habe es. Seht Euch um, mein Wagen ist voller Kostbarkeiten. Edle Stoffe, nützliche Haushaltsutensilien. Nennt mir Euer Begehr und ich erfülle Euren Wunsch.“

„Tretet zur Seite. Das ist mein Wunsch.“

„Wagt einen Blick. Sehen kostet nichts, das hat schon mein alter Vater immer gesagt.“

„Ich bin in Eile, versucht Euer Glück woanders.“

„Bitte, der Herr, nur einen Blick.“

„Seid Ihr taub, Mann?“ Die um Vertrauen buhlende Art des Händlers war Jerg zu wider. Der Händler berührte Jerg am Arm. „Ich bin Euer Freund, Herr, nicht Euer Feind. Bleibt doch und seht. Es ist nicht zu Eurem Schaden.“ Zorn stand auf Jergs Stirn geschrieben. „Hört, Händler. Eine Krankheit ist in meinem Hause ausgebrochen. Sie ist ansteckend. Meine Mutter starb daran, jetzt leidet meine Schwester darunter. Ich warne Euch. Zieht weiter, sonst kann ich für nichts garantieren.“ Der Mann wich zurück und wischte seine Hand an seiner Jacke ab. „Um welche Art von Erkrankung handelt es sich denn?“ Jerg genoss den Dialog, er hatte die Kontrolle über das Gespräch gewonnen und es machte ihm Spaß, dem Händler Angst einzujagen. „Hustenkrämpfe. Sie bäumen den Körper auf, schütteln ihn, wie das Bellen eines Hundes. Schmerzen in Brust und Hals, die den Schweiß auf die Haut treiben und meine Schwester ans Himmelreich denken lassen.“

Jerg badete in der Macht seiner Lüge. Der Händler wich Meter um Meter zurück, bestieg seinen Pferdekarren und zog weiter. Constance sah ihn durch die Butzenscheiben fliehen und hoffte, das Kind in ihrem Bauch würde nicht nach ihrem Bruder geraten.

Sechs Tage später setzten die Wehen ein. In der Nacht überfielen sie Constance. In Furcht rüttelte sie den Bruder wach. „Es ist so weit.“ Nur langsam fand Jerg aus der Welt der Träume zurück. „Was? Verdammt!“ Schlaftrunken fluchte Jerg vor sich hin.

„Holst du sie?“

„Was? Wen soll ich holen?“ Dann begriff Jerg. Er biss sich auf die Lippen. Die Wirklichkeit hatte ihn eingeholt.

„Nein!“

„Jerg, du musst sie holen. Lass mich damit nicht alleine.“

„Du wirst nicht allein sein. Ich werde dir helfen.“

„Nein. Eine Hebamme kann das Leben einer Mutter und eines Kindes retten. Sie vermag ein Baby im Mutterleib zu drehen. Sie kann die Herztöne des Ungeborenen deuten. Sie erkennt...



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