E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
Mikels Steh zu unserer Liebe
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7337-5532-4
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
ISBN: 978-3-7337-5532-4
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Einwohner von Hubbard Bay sind sehr verwundert, als Rachel Quinn nach vielen Jahren in ihrer kleinen Heimatstadt auftaucht. Noch dazu mit einem Baby! Der Skandal scheint perfekt, als sie dann auch noch zu Kane Riley zieht. Die erfolgreiche Anlageberaterin und der 'Bad Boy' des Ortes - nichts passt hier zusammen. Keiner ahnt, dass die kleine Heather das Kind von Marnie ist, Rachels verstorbener Freundin und Kanes Schwester. Marnies letzter Wunsch war es, dass sie gemeinsam Heather betreuen. Dass diese Situation nicht ganz einfach werden würde, hat Rachel durchaus gewusst. Mit welcher Art von Problemen sie allerdings zu kämpfen hat, ahnte sie jedoch nicht. Sie verliebt sich leidenschaftlich in Kane, der aber offensichtlich ein dunkles Geheimnis hat ...
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2. KAPITEL
Stille hing in der Luft. Auf der Wanduhr in der Küche tickten die Sekunden quälend langsam dahin, bis Kane sich zu Rachel umdrehte und ihren Blick gefangen hielt. „Baby?“
Er wirkte nicht verblüfft. Er wirkte vielmehr benommen. So gern sie ihm Zeit zur Trauer gelassen hätte, musste sie ihm die Situation begreiflich machen. Wenn er seiner Verpflichtung nicht nachkam … Nur wenn er seine Verantwortung akzeptierte, blieb es Heather erspart, in einem Waisenhaus aufzuwachsen. „Das Baby hier … Heather … ist von Marnie. Du bist ihr Onkel.“
Kane richtete sich abrupt auf, so als hätte ihn jemand in den Rücken geboxt. „Das behauptest du.“
„Es ist die Wahrheit.“
Im Zorn schrien die meisten Leute, doch er sprach sehr leise. „Du tauchst hier auf mit einer Story über meine Schwester und ein Baby. Okay, ich bezweifle nicht, dass meine Schwester …“ Er hielt inne, senkte den Blick auf die Dokumente auf dem Tisch. Dann griff er nach ihnen, strich geistesabwesend über das Siegel von Texas auf dem Totenschein. „Okay. Meine Schwester ist … weg. Du hast keinen Grund, in diesem Punkt zu lügen.“
„Aber du glaubst, dass ich nicht die Wahrheit über Heather sage?“
„Wie soll ich sicher sein, dass das Baby nicht dein eigenes ist? Vielleicht versuchst du ja, es mir als Marnies unterzuschieben.“
Zorn stieg in Rachel auf, doch sie beherrschte sich mühsam, um nichts Unüberlegtes zu sagen oder zu tun. „Es ist Marnies Baby, nicht meins“, versicherte sie ihm. Er konnte ja nicht ahnen, wie schwer es ihr fiel, die Worte auszusprechen, wie oft sie es sich in Erinnerung rufen musste, seit sie sich um Heather kümmerte. „Sie ist deine Nichte.“ Sobald er Heather in die Augen blickte, die seinen so sehr ähnelten, sobald er ihre zarte Haut berührte, konnte Kane sich gewiss nicht von ihr abwenden. Aber er hatte das Kind ja noch nicht einmal richtig angesehen.
Er riss eine Regenjacke vom Haken neben der Tür, die sich eine Sekunde später hinter ihm schloss. Wie konnte er jetzt einfach verschwinden? Heather war sein Fleisch und Blut, seine einzige Verwandte. Wie konnte er so gleichgültig, so gefühllos sein?
Und was sollte Rachel nun tun? Ihr wurde klar, dass sie keine Wahl hatte. Sie ging ins Schlafzimmer zurück und hob Heather auf die Arme, um ins Motel zurückzukehren. Kanes Verhalten rief ernste Zweifel an ihm hervor. Wie sollte sie wissen, ob sie die richtigen Entscheidungen für Heather traf?
Rachel hatte ihre beste Freundin verloren, die ihr so nahe gestanden hatte wie ihre eigene Schwester. Und wie für ihre Geschwister hätte sie alles für Marnie getan. Nun galt all ihre Loyalität Marnies Tochter, und Rachel musste sich sehr davor hüten, sie nicht zu sehr ins Herz zu schließen.
Es regnete immer noch, als Kane Tulley’s Bar erreichte. Mit nassen Kleidern und Haaren setzte er sich auf einen Hocker am Tresen und kippte einen Whiskey, während er den Totenschein erneut las.
Der Alkohol brannte ihm in der Kehle. Da sein Vater Alkoholiker gewesen war, trank Kane mit Bedacht und setzte nie vor Sonnenuntergang einen Fuß in eine Bar.
Er starrte auf die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas und focht mit unzähligen Gefühlen. Der Schock, den Rachels Mitteilung ausgelöst hatte, überwältigte ihn. Marnie war tot. Sein Magen verkrampfte sich. Es war unwesentlich, dass er viele Jahre nicht an ihrem Leben teilgehabt hatte. Er war davon ausgegangen, dass sie ihr Glück gefunden hatte, dass sie ein wesentlich besseres Leben führte als die Hölle, die sie nach dem Tod ihrer Mutter mit ihrem Vater durchgemacht hatten. Aber Marnie war nicht glücklich. Sie war tot. Er würde sie nie wieder sehen.
Kane wollte seine Wut an jemandem auslassen, aber wer verdiente sie? Und einer sanfteren Gefühlsregung nachzugeben, das kam ihm nicht in den Sinn. Seit seine Mutter gestorben war, hatte er nie mehr geweint. Und nun, da er noch jemanden verloren hatte, der ihm nahe stand, fühlte er sich nur in dem bestätigt, was er schon immer gewusst hatte: Es war gefährlich, sein Herz zu sehr zu öffnen.
Wie sollte es nun weitergehen? Was war mit dem Baby? War es wirklich von seiner Schwester? Wenn ja, was sollte er dann damit anfangen?
Am nächsten Morgen hatte Kane immer noch keine Antworten auf diese Fragen. Noch bevor er die Augen öffnete, verfluchte er den Regen, der beständig auf das Dach prasselte. Durch das Schlafzimmerfenster sah er den finsteren, grauen Himmel. Ohne Eile stand er auf. Wie bereits am Vortag musste die „Sea Siren“ den ganzen Tag im Hafen liegen bleiben. Gähnend zog Kane sich Jeans und ein T-Shirt an.
In der Küche schaltete er die Kaffeemaschine ein. Auf dem Tisch lagen die Papiere, die Rachel ihm gegeben hatte. Er entfaltete die Geburtsurkunde. Heather Riley. In der Spalte für den Namen des Vaters stand „unbekannt“. Das Siegel von Texas machte das Dokument rechtskräftig.
Nun, da Kane sich etwas beruhigt hatte, konnte er auch vernünftig mit Rachel reden. Da es nur etwa ein halbes Dutzend Hotels in der Stadt gab, durfte es nicht allzu schwer sein, sie zu finden.
Er ließ sich eine halbe Stunde Zeit, um Kaffee zu trinken, zu duschen und sich zu rasieren. Dann fuhr er mit seinem Truck die Hauptstraße entlang.
Vor Benny’s Café erblickte er Rachels Wagen. Er parkte seinen Truck daneben und schlenderte zum Eingang. Durch das Fenster sah er sie. Sie saß in einer der Nischen und hatte den Kopf gesenkt. Als er die Tür öffnete, ertönte eine Glocke. Das Café war in Blau und Weiß dekoriert. Frühstücksgäste, überwiegend einheimische, besetzten die Hocker an der Bar und mehrere Tische. Noch bevor er die Tür hinter sich schloss, hatte er schon fast alle Blicke auf sich gezogen. Er erhielt kein Nicken, kein Hallo, kein Lächeln. Er hatte es nicht anders erwartet.
Die Leute glaubten, dass er nach seinem Vater schlug, und Ian Riley hatte ganz unten auf der Beliebtheitsskala rangiert. Aus gutem Grund, behaupteten die Leute. Er war in die Stadt gekommen, hatte Kathleen Feenley umgarnt und geschwängert. Er hatte ein anständiges Mädchen ruiniert. Aber niemand hatte ihn ernsthaft verurteilt, bis er zum größten Trunkenbold der Stadt geworden war.
Dann hatte Kane selbst Anstoß erregt. Doch es wäre gar nicht nötig gewesen, dass die Leute ihn nun wie einen Aussätzigen behandelten. Denn er verdammte sich selbst schon genug für das, was er getan hatte.
Er ignorierte die Blicke und bahnte sich einen Weg zwischen den Tischen hindurch zu Rachel. An diesem düsteren Tag drang kein Sonnenschein zu den Fenstern herein, dafür war sie selbst der Lichtfleck in diesem Raum. Sie trug verwaschene Jeans und ein leuchtend gelbes Top, das die Rundungen ihrer Brüste umschmiegte. Mitgefühl lag in ihrer Miene, als sie Kane erblickte, und das gefiel ihm gar nicht.
„Wir müssen wohl miteinander reden“, sagte er knapp.
„Es fällt mir so schwer zu glauben, dass Marnie nicht mehr bei uns ist“, sagte sie traurig. Die Worte schienen von Herzen zu kommen, und so war Kane geneigt zu glauben, dass es keine leere Phrase, sondern die Wahrheit war. „Für dich muss es besonders schwer sein.“
„Ein Schock“, erwiderte er freimütig, während er sich ihr gegenüber in die Nische setzte.
„Ich …“ Rachel verstummte, als Rosie Furnam, die älteste Kellnerin des Cafés und stadtbekannte Klatschbase, an ihren Tisch trat.
„Möchten Sie etwas?“, fragte sie Kane und musterte ihn abweisend.
Schon seit Jahren verkehrte er nicht mehr in den Lokalen der Stadt. Wenn er auswärts essen wollte, fuhr er nach Bangor oder in eine der anderen umliegenden Ortschaften. „Nein, danke.“
„Noch Kaffee?“, erkundigte sich Rosie bei Rachel.
„Nein, danke.“
Kane wartete, bis Rosie sich entfernt hatte. „Erzähl mir, was mit meiner Schwester passiert ist.“
„Die Ärzte im Krankenhaus haben eine Gehirnblutung diagnostiziert. Niemanden trifft die Schuld an ihrem Tod, haben sie gesagt. Es hätte jederzeit passieren können.“
Niemanden trifft die Schuld. Diese Worte vermochten Kane nicht zu trösten. Er blickte an die gegenüberliegende Wand, um bloß nicht das Mitgefühl in Rachels Augen wahrnehmen zu müssen. „Du hast dich um die Beerdigung gekümmert?“
Sie nickte und senkte den Blick. „Es war nur eine kleine Trauerfeier mit einigen Nachbarn und Arbeitskollegen.“
Kane wollte keine Details darüber hören. „Lass mich wissen, wie viel ich dir schulde.“ Als sie den Kopf hob, um zu protestieren, fuhr er fort: „Sie war meine Schwester. Und wenn ich dir sonst noch etwas schuldig bin …“
„Ich bitte dich! Sie war meine beste Freundin.“ Rachels Augen schimmerten feucht. „Eine wundervolle Freundin. Ich hätte alles für sie getan. Ich wollte, dass sie ins Krankenhaus geht. Dafür hätte ich ihr sofort meine Ersparnisse gegeben. Sie hätte gehen können.“
Trotz der jahrelangen Trennung wusste Kane, dass Marnie nicht von jedem Almosen akzeptiert hätte. Er war sich nicht einmal sicher, ob sie von ihm etwas angenommen hätte. Sie hatten als Kinder zu viele milde Gaben akzeptieren müssen. „Sie war schon immer sehr eigensinnig. Wenn sie deine Hilfe nicht annehmen wollte, hättest du sie niemals dazu überreden können.“
„Danke. Ich weiß, dass du versuchst, mich aufzumuntern, aber …“
„Ich versuche gar nichts“, konterte Kane schroff und registrierte zufrieden, dass er Rachel damit beleidigt hatte. Das war ihm ganz recht so, denn er wollte ihre Freundschaft nicht.
„Ich habe dir die Wahrheit...