Michaely | Frau Helbing und der Casanova aus Winterhude | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 5, 208 Seiten

Reihe: Frau Helbing

Michaely Frau Helbing und der Casanova aus Winterhude

Der fünfte Fall
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-311-70455-3
Verlag: OKTOPUS bei Kampa
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Der fünfte Fall

E-Book, Deutsch, Band 5, 208 Seiten

Reihe: Frau Helbing

ISBN: 978-3-311-70455-3
Verlag: OKTOPUS bei Kampa
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Mit ihrem Weihnachtsgeschenk, einem Wassergymnastik-Schnupperkurs, hat Frau Helbings Freundin Heide ins Schwarze getroffen. »Aqua Gym« macht nicht nur Spaß, schon nach wenigen Wochen fühlt sich Frau Helbing auch beweglicher und hat sogar neue Freundinnen gefunden. Wenn nur Wolfgang Hoyer nicht wäre! Ein aufgeblasener Gockel, der nichts anderes im Sinn hat, als alleinstehenden älteren Damen nachzustellen. Seine Liaison mit der ehemaligen Schauspielerin Olga Suditzky scheint gerade erst beendet, da bändelt er schon mit Frau Helbings neuer Freundin Ingeborg Kappel an. Ob sie ein bisschen neidisch auf Ingeborgs zweiten Frühling ist?, fragt sich Frau Helbing. Da erhält sie einen Anruf von Olga Suditzky, die sie bittet, eine Tasche von Herrn Hoyer bei ihr abzuholen. Kurz darauf wird Suditzky tot in ihrer Wohnung gefunden - seit vierzehn Tagen liegt sie dort! Hat Wolfgang Hoyer seine Verflossene aus dem Weg geräumt? Wer hat Frau Helbing dann angerufen? Ihr rätselhafter fünfter Fall führt die pensionierte Fleischereifachverkäuferin in den Alsterpavillon und ins Thalia Theater.

Eberhard Michaely, geboren 1967 in Saarbrücken, studierte Jazz-Saxophon an der Musikhochschule Köln, hatte Engagements in verschiedenen Jazzprojekten und Musicalproduktionen und komponierte für eigene Bands. Seit er 2014 auf einer Pilgerreise die Liebe zum Schreiben entdeckt hat, lässt er seine Kreativität statt in die Musik in seine Kriminalromane fließen. Außerdem ist Michaely als Busfahrer für die Hamburger Hochbahn tätig. Seine Pausen und die ruhigen Minuten kurz nach Feierabend nutzt er, um in sein Notizbuch zu schreiben, denn was könnte besser zu Schauplätzen und Figuren inspirieren als seine täglichen Runden durch die Straßen der Hansestadt, mit den unterschiedlichsten Fahrgästen an Bord? Frau Helbing ist ihm übrigens in der Linie 5 begegnet, da kam sie gerade von ihrem Wocheneinkauf auf dem Isemarkt.
Michaely Frau Helbing und der Casanova aus Winterhude jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1


»Nicht schlapp machen, Frau Helbing«, rief Meike und klatschte aufmunternd in die Hände, »noch zehn Sekunden.«

Frau Helbing atmete angestrengt. Die Übung hatte gar nicht so schwer ausgesehen, als Meike sie am Beckenrand vorgemacht hatte, aber die Hanteln, die abwechselnd nach oben gestreckt werden mussten, wurden mit der Zeit immer schwerer. Außerdem balancierte Frau Helbing auf einem Bein, und das Wasser ging ihr bis über die Hüfte.

»Links! Rechts! Links!«, rief Meike, eine drahtige Sportstudentin, in schneidigem Ton durch die Schwimmhalle. »Aus! Hanteln an den Beckenrand!«

Frau Helbing setzte ihren linken Fuß wieder auf den blau gefliesten Boden und ließ die Arme hängen. Schnell durchschnaufen, dachte sie. Aus Erfahrung wusste sie, dass Meike nur ganz kurze Pausen zwischen den Trainingseinheiten zuließ. Aber sie wollte sich nicht beschweren, schließlich war sie aus freien Stücken hier. Und die Wassergymnastik machte ihr sogar Spaß.

Ihre Freundin Heide hatte ihr einen Schnupperkurs zu Weihnachten geschenkt, nachdem Frau Helbing darüber geklagt hatte, in der dunklen Jahreszeit so wenig Bewegung zu haben. Ungern spazierte Frau Helbing in Planten und Blomen, ihrem Lieblingspark, wenn ihr der Sturm kalte Regentropfen ins Gesicht peitschte. »So ein Schwimmbad ist beheizt«, hatte Heide erklärt, »und beleuchtet, und du hast Gesellschaft, und der ganze Körper wird auf Vordermann gebracht …«

Die Flut von Argumenten hatte Frau Helbing überzeugt. Gleich in der zweiten Januarwoche hatte sie sich an einem Mittwochvormittag auf den Weg ins Kaifu gemacht und kam seither regelmäßig. »Kaifu« stand für Kaiser-Friedrich-Ufer, wusste Frau Helbing, und war auch der Name eines Schwimmbads, welches von der Rutschbahn aus, der Straße, in der sie wohnte, schnell zu erreichen war. Vor dem ersten Termin hatte sie allerdings noch eine Investition tätigen müssen. Ihr alter Badeanzug hatte sich spröde und ausgeleiert angefühlt, als sie ihn aus einer Schrankschublade zog. Den konnte sie nur noch als Putzlappen benutzen. Wahrscheinlich hätte er ohnehin nicht mehr gepasst. Als junge Frau war sie mit Hermann ein paarmal im Freibad gewesen. Da hatte sie noch eine beneidenswerte Figur gehabt. Später war ihr Körper ein bisschen aus der Form geraten. Auch deswegen war so ein »Aqua Gym«, wie Heide die Veranstaltung großspurig genannt hatte, natürlich hilfreich. Als Frau Helbing zusätzlich eine Badekappe kaufen wollte, hatte die Verkäuferin nur gelächelt.

»So etwas trägt man schon seit Ewigkeiten nicht mehr«, hatte sie gesagt.

In diesem Moment hatte sich Frau Helbing sehr alt gefühlt.

»Und weiter geht’s!«, rief Meike.

Die Sportstudentin war von der zackigen Sorte. Mehr als kurz Luft holen konnte man zwischen den einzelnen Übungen nicht. Ihrem durchtrainierten Körper nach zu urteilen, machte Meike selbst nie Pause.

Jetzt hatte sie eine andere Musik aufgelegt. Wiener Walzer tönte aus den Lautsprechern einer handlichen Musikanlage. Frau Helbing wusste mittlerweile, was das bedeutete, und legte sich eine der bunten Schwimmnudeln um die Hüfte. Alle Kursteilnehmer bildeten einen Kreis, bewegten sich im Uhrzeigersinn und vollführten dabei abwechselnd halbe Drehungen nach rechts und links.

Ingeborg Kappel und Gisela Vollmer waren auch wieder da. Die Damen waren ungefähr in Frau Helbings Alter, und von der ersten Stunde an hatte sich eine Freundschaft zwischen den drei Frauen angebahnt. Bereits zweimal hatten sie sich zum Kaffee verabredet, und jetzt, in der Karwoche, hatte Frau Helbing die beiden Damen zum Lammessen eingeladen. Darauf freute sie sich schon. Zu einem Ostersonntag hatte früher immer ein Lammbraten gehört. Seit Hermann, mit dem sie über vierzig Jahre verheiratet gewesen war, nicht mehr lebte, hatte Frau Helbing sich meist mit einer Lammbratwurst begnügt, was aber nicht ansatzweise das Gleiche war. Für das Essen mit ihren neuen Freundinnen hatte sie bei ihrem Schlachter bereits eine ausgebeinte Keule bestellt. Aus dem Knochen würde sie vorab einen Fond für die Soße einkochen und dann mit Rosmarin die Kartoffeln … Frau Helbing spürte, wie ihr jemand auf die Schulter tippte. Sie war in Gedanken gewesen und versperrte den anderen Kursteilnehmern, die ihre Oberkörper im Rhythmus der Musik von Johann Strauss hin- und herschwenkten, den Weg. Meike warf ihr einen tadelnden Blick zu.

Schnell reihte sich Frau Helbing hinter Ingeborg Kappel wieder ein und konzentrierte sich auf die Gymnastik. Die tat ihr nämlich richtig gut, hatte sie festgestellt. In den letzten Wochen hatte sie sich beweglicher gefühlt denn je. Schon morgens, wenn sie aus dem Bett stieg, verspürte sie nicht mehr dieses schmerzhafte Ziehen auf Höhe der Lendenwirbelsäule, das sie oft dazu gezwungen hatte, sich seitlich von der Matratze abrollen zu lassen. Und auch beim Waschen und Anziehen konnte sie nun leicht mit den Händen die Füße erreichen und stöhnte nicht mehr, weil ihr Schultergelenk sich auszukugeln drohte. Sie machte jetzt auch zu Hause ab und zu Übungen. Aqua Gym hin oder her, dehnen kann man sich auch ohne Wasser, hatte sie sich überlegt und ein kleines Sportprogramm in ihren Tagesablauf integriert. Noch vor dem Frühstück. Mit diesem Weihnachtsgeschenk hatte Heide ihr wirklich eine ganz große Freude bereitet.

Der Wermutstropfen dieses Kurses war für Frau Helbing Wolfgang Hoyer, der einzige Mann in der Gruppe. Herr Hoyer hielt sich für unwiderstehlich charmant und geistreich. Ständig machte er Scherze und versuchte die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Frau Helbing hielt ihn für einen Blender. Ihrer Meinung nach war er nur hier, um sein Selbstwertgefühl aufzupolieren und – quasi als Beifang – mit alleinstehenden Frauen in Kontakt zu kommen. Es war deutlich zu sehen, dass er den Bauch einzog, um schlanker und stattlicher zu wirken, was Frau Helbing als Gebärde der Balz deutete. Tatsächlich schien er gleich zu Anfang des Kurses erfolgreich gewesen zu sein. Er hatte sich des Öfteren mit Olga Suditzky getroffen, einer ehemaligen Schauspielerin, die dem Verfall ihres Körpers mit ein paar chirurgischen Eingriffen entgegengewirkt hatte. Das war nach Frau Helbings Meinung unübersehbar. Frau Suditzkys Haut spannte sich straff über den Wangen, und beim Lächeln bildeten sich keine Falten neben den Augen. Nie. Und das im Rentenalter!

Der ganze Kurs wusste von der Liaison, und hinter vorgehaltener Hand waren immer wieder Tuscheleien über Wolfgang Hoyer und Olga Suditzky zu hören gewesen. Auch Frau Helbing hatte sich zusammen mit Frau Vollmer und Frau Kappel bei einer Tasse Kaffee ausgiebig über das Thema »Beziehung im Alter« unterhalten, wobei ihre beiden neuen Bekanntschaften unterschiedlicher Meinung gewesen waren. Während sich Frau Kappel keinesfalls zu alt für eine neue Liebe wähnte, waren sich Frau Vollmer und Frau Helbing einig, mit ihrer jeweiligen Situation ein durchaus befriedigendes Dasein zu führen. Keinesfalls stand ihnen der Sinn danach, die Höhen und Tiefen einer romantischen Beziehung ein weiteres Mal zu erleben. Es wurden viele Argumente ausgetauscht, und am Ende wollte keine der Damen von ihrer Position abrücken.

Aber die Beziehung schien jetzt aus und vorbei zu sein. Jedenfalls kam Olga Suditzky schon seit zwei Wochen nicht mehr zur Wassergymnastik, und Wolfgang Hoyer zog wieder alle Register, um sich in Szene zu setzen. Zum Leidwesen von Frau Vollmer hatte er ganz offensichtlich Interesse an Ingeborg Kappel gefunden, und auch Frau Helbing war nicht entgangen, wie oft er dieser Frau einen Blick zuwarf und sich ihrer Aufmerksamkeit versicherte. Und Frau Kappel erwiderte die Avancen. Hier bahnte sich offensichtlich etwas an.

Langsam neigten sich die Veranstaltung und auch Frau Helbings Kondition dem Ende zu. Abschließend ließ Meike alle Teilnehmer noch zweimal langsam durchs Becken schwimmen.

Interessiert behielt Frau Helbing die beiden Turteltäubchen im Blick. Dabei kam ihr zupass, dass sie beim Schwimmen nie den Kopf unter Wasser tauchte.

Frau Helbing konnte nicht anders. Immer und überall versuchte sie Beobachtungen anzustellen. Das war ihrem Hobby geschuldet. Nachdem sie vor vielen Jahren in den Ruhestand gegangen war, hatte sie ihre Liebe zur Kriminalliteratur entdeckt. Dabei bevorzugte sie klassische Krimis, die zu einer Zeit spielten, die viele Leute als »alt« bezeichnen würden, Frau Helbing aber an ihre Jugend erinnerte. Krimis, in denen die Ermittler Trenchcoats trugen, Telefone mit Kabeln angeschlossen waren und Verdächtige anhand von Fingerabdrücken und nicht mithilfe ihrer DNA-Spuren überführt wurden. Während sie schmökerte, versuchte Frau Helbing stets, in Konkurrenz zu den Ermittlern, möglichst frühzeitig herauszufinden, wer das Verbrechen begangen hatte. Das machte ihr großen Spaß.

Frau Kappel und Herr Hoyer schwammen verdächtig nah nebeneinanderher und unterhielten sich angeregt. Ab und zu lachten sie. Frau Helbing entging nicht, dass Frau Vollmer ein bisschen abseits am Beckenrand stand und die beiden ebenfalls beobachtete. Sie schien sich aber nicht für ihre Freundin zu freuen, sondern hatte einen beleidigten Gesichtsausdruck. Frau Helbing glaubte bei genauerem Hinsehen sogar Eifersucht in Frau Vollmers Blick zu erkennen.

Aber warum? Hatte sie nicht klipp und klar geäußert, sie mache sich nichts aus Männern? Jedenfalls nicht mehr? Und dieser Hoyer sei ein aufgeblasener Gockel, dessen Absichten so leicht zu durchschauen seien wie eine frisch geputzte Brille. Warum sollte sie also eifersüchtig sein? Frau Vollmer konnte sich von Männern ja fernhalten, wenn sie wollte.

Frau Helbing machte jetzt mit dem Oberkörper...


Michaely, Eberhard
Eberhard Michaely, geboren 1967 in Saarbrücken, studierte Jazz-Saxophon an der Musikhochschule Köln, hatte Engagements in verschiedenen Jazzprojekten und Musicalproduktionen und komponierte für eigene Bands. Seit er 2014 auf einer Pilgerreise die Liebe zum Schreiben entdeckt hat, lässt er seine Kreativität statt in die Musik in seine Kriminalromane fließen. Außerdem ist Michaely als Busfahrer für die Hamburger Hochbahn tätig. Seine Pausen und die ruhigen Minuten kurz nach Feierabend nutzt er, um in sein Notizbuch zu schreiben, denn was könnte besser zu Schauplätzen und Figuren inspirieren als seine täglichen Runden durch die Straßen der Hansestadt, mit den unterschiedlichsten Fahrgästen an Bord? Frau Helbing ist ihm übrigens in der Linie 5 begegnet, da kam sie gerade von ihrem Wocheneinkauf auf dem Isemarkt.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.