Meyrink | Walpurgisnacht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Reihe: dtv- Klassiker

Meyrink Walpurgisnacht

Phantastischer Roman
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-423-41322-0
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Phantastischer Roman

E-Book, Deutsch, 224 Seiten

Reihe: dtv- Klassiker

ISBN: 978-3-423-41322-0
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Zur Walpurgisnacht - Meyrinks Klassiker wieder im Programm  Schauplatz des spannenden Romans ist - wie im >Golem< - die alte Kaiserstadt Prag. Es herrscht Chaos, unheimliche Dinge geschehen. Es sind schwere Zeiten für die Liebe zwischen dem Geiger Ottokar und der Adeligen Polyxena, deren Schicksal sich in einer turbulenten Walpurgisnacht erfüllt. Auch wenn Meyrink nicht mit einem Happy End aufwartet - seine originelle Mischung realer und okkulter Welten mit vielen grotesk-komischen Situationen und witzigen Figuren ist einmal mehr bestechend. 

Gustav Meyrink (eigtl. Meyer) wurde am 19. Januar 1868 in Wien geboren. Nach der Tätigkeit als Bankier in Prag 1889-1902 lebte er ab 1905 als freier Schriftsteller in München. Meyrink gilt mit seinen bekannten Romanen >Der Golem<, >Das grüne Gesicht< und >Der weiße Dominikaner< als Klassiker der phantastischen Literatur. In sein Werk gingen mystische und kabbalistische Elemente ein, er selbst konvertierte 1927 zum Mahanja-Buddhismus. Er starb 1932 in Starnberg.
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Ein Hund schlug an.

Einmal. Ein zweitesmal.

Dann lautlose Stille, als ob das Tier in die Nacht hinein horche, was geschehen werde.

»Mir scheint, der Brock hat gebellt«, sagte der alte Baron Konstantin Elsenwanger, »wahrscheinlich kommt der Herr Hofrat.«

»Das ist doch, meiner Seel’, kein Grund nicht zum Bellen«, warf die Gräfin Zahradka, eine Greisin mit schneeweißen Ringellocken, scharfer Adlernase und buschigen Brauen über den großen, schwarzen, irrblickenden Augen, streng hin, als ärgere sie sich über eine solche Ungebührlichkeit, und mischte einen Stoß Whistkarten noch schneller, als sie es ohnehin bereits eine halbe Stunde hindurch getan hatte.

»Was macht er eigentlich so den ganzen, lieben Tag lang?« fragte der Kaiserliche Leibarzt Taddäus Flugbeil, der mit seinem klugen, glattrasierten, faltigen Gesicht über dem altmodischen Spitzenjabot wie ein schemengleicher Ahnherr der Gräfin gegenüber in einem Ohrenstuhl kauerte, die unendlich langen, dürren Beine affenhaft fast bis zum Kinn emporgezogen.

Den »Pinguin« nannten ihn die Studenten auf dem Hradschin und lachten immer hinter ihm drein, wenn er Schlag 12Uhr mittags vor dem Schloßhof in eine geschlossene Droschke stieg, deren Dach erst umständlich auf- und wieder zugeklappt werden mußte, bevor seine fast 2Meter hohe Gestalt darin Platz gefunden hatte.– Genau so kompliziert war der Vorgang des Aussteigens, wenn der Wagen sodann einige hundert Schritt weiter vor dem Gasthaus »Zum Schnell« halt machte, wo der Herr Kaiserliche Leibarzt mit ruckweisen vogelhaften Bewegungen ein Gabelfrühstück aufzupicken pflegte.––

»Wen meinst du«, fragte der Baron Elsenwanger zurück,– »den Brock oder den Herrn Hofrat?«

»Den Herrn Hofrat natürlich. Was macht er so den ganzen Tag?«

»No. Er spielt sich halt mit den Kindern in den Choteks-Anlagen.«

»Mit ›die‹ Kinder«, verbesserte der Pinguin.

»Er– spielt– sich– mit– denen– Kindern«, fiel die Gräfin verweisend ein und betonte jedes Wort mit Nachdruck. Die beiden alten Herrn schwiegen beschämt.

–––––––––––––––––––––––––––––––––

Wieder schlug der Hund im Park an. Diesmal dumpf,– fast heulend.

Gleich darauf öffnete sich die geschweifte, dunkle, mit einer Schäferszene bemalte Mahagonitüre und der Herr Hofrat Kaspar Edler von Schirnding trat ein,– wie gewöhnlich, wenn er zur Whistpartie ins Palais Elsenwanger kam, mit engen schwarzen Hosen angetan und den ein wenig rundlichen Leib in einen Biedermeiergehrock von hellem Rehbraun und aus wunderbar weichem Tuch gehüllt.

Hastig wie ein Wiesel und ohne ein Wort zu verlieren, lief er auf einen Sessel zu, stellte seinen gradkrempigen Zylinderhut darunter auf den Teppich und küßte sodann der Gräfin zeremoniell die Hand zur Begrüßung.

»Warum er jetzt immer noch bellt?!« brummte der Pinguin nachdenklich.

»Diesmal meint er den Brock«, erläuterte die Gräfin Zahradka mit einem zerstreuten Blick auf Baron Elsenwanger.

»Herr Hofrat sehen so schweißbedeckt aus. Daß Sie sich mir nur nicht verkühlen!« rief dieser besorgt, machte eine Pause und krähte dann plötzlich in arienhaften Schwingungen in das finstere Nebenzimmer, das sich daraufhin wie durch Zauberschlag erhellte:

»Bozena, Bozena, Bo–schenaah, bitt’ sie, bring sie, prosim, das Supperläh!«

Die Gesellschaft begab sich in den Speisesaal und nahm um den großen Eßtisch herum Platz.

Nur der Pinguin stolzierte steif an den Wänden entlang, betrachtete bewundernd, als sähe er sie heute zum erstenmal, die Kampfszenen zwischen David und Goliath auf den Gobelins, und betastete die prachtvollen, geschweiften Maria Theresia-Möbel mit Kennerhänden.

»Ich war unten! In der Welt!«, platzte der Hofrat von Schirnding heraus und betupfte seine Stirn mit einem riesigen, rotgelb gefleckten Taschentuch, »und bei der Gelegenheit hab ich mir die Haare schneiden lassen«;– er fuhr sich mit dem Finger hinter den Kragen, als jucke ihn der Hals.

Derartige auf einen angeblich nur schwer zu bändigenden Haarwuchs abzielende Bemerkungen pflegte er jedes Vierteljahr zu machen, in dem Wahn, man wisse nicht, daß er Perücken trage– einmal langlockige, dann wieder kurzgeschorene–, und immer bekam er auch in solchen Fällen ein staunenerfülltes Gemurmel zu hören. Aber diesmal blieb es aus: die Herrschaften waren zu verblüfft, als sie vernahmen, wo er gewesen sei.

»Was? Unten? In der Welt? In Prag? Sie?« Der Kaiserliche Leibarzt Flugbeil war erstaunt herumgefahren. »Sie?«

Den beiden andern blieb der Mund offen. »In der Welt! Unten! In Prag!«

»Da– da haben Sie ja ieber die Bricke missen!« brachte die Gräfin endlich stockend heraus. »Was denn, wenn sie eingestirzt wäre?!«

»Eingestirzt!! No servus!« krächzte Baron Elsenwanger und wurde blaß. »Unberufen«– er ging zitterig zur Ofennische, vor der noch aus der Winterszeit her ein Scheit Holz lag, nahm es, spuckte dreimal darauf und warf es in den kalten Kamin.– »Unberufen.«

Bozena, das Dienstmädchen, in zerlumptem Kittel, ein Kopftuch um und barfuß, wie es in altmodischen Prager Patrizierhäusern üblich ist, brachte eine prunkvolle Schüssel aus schwerem getriebenem Silber herein.

»Aha! Wurstsuppe!« brummte die Gräfin und ließ befriedigt ihre Lorgnette fallen.– Sie hatte die Finger des Mädchens, die in viel zu weiten, weißen Glacéhandschuhen staken und in die Brühe hineinhingen, für Würste gehalten.–

»Ich bin mit– der Elektrischen gefahren«, stieß der Herr Hofrat gepreßt hervor, immer noch voll Aufregung des überstandenen Abenteuers eingedenk.

Die andern wechselten einen Blick: sie fingen an, seine Worte zu bezweifeln. Nur der Leibarzt zeigte ein steinernes Gesicht.

»Ich war vor dreißig Jahren das letztemal unten– in Prag!«– stöhnte der Baron Elsenwanger und band sich kopfschüttelnd die Serviette um; die beiden Zipfel standen hinter seinen Ohren hervor und verliehen ihm das Aussehen eines furchtsamen großen weißen Hasen. »Damals, als mein Bruder selig in der Teinkirche beigesetzt wurde.«

»Ich war ieberhaupt mein Lebtag noch nicht in Prag«, erklärte die Gräfin Zahradka schaudernd. »Das könnt’ mich so haben!– Wo sie meine Vorfahren auf dem Altstädter Ring hingerichtet haben!«

»Nun das war damals im dreißigjährigen Krieg, Gnädigste«, suchte sie der Pinguin zu beruhigen. »Das ist schon lange her.«

»Ach was,– ich denk es noch wie heite. Ieberhaupt, die verfluchten Preißen!«– Die Gräfin starrte geistesabwesend in ihren Suppenteller, befremdet, daß keine Würste darin waren; dann funkelte sie durch die Lorgnette über den Tisch, ob die Herren sie ihr vielleicht weggeschnappt hätten.

Einen Augenblick lang versank sie in tiefes Nachdenken und murmelte vor sich hin: »Blut, Blut. Wie das herausspritzt, wenn man einem Menschen den Kopf abhaut.––– Daß Sie sich nicht gefirchtet haben, Herr Hofrat?! Was, wenn Sie unten in Prag den Preißen in die Hände gefallen wären?« fuhr sie laut, zu dem Edlen von Schirnding gewendet, fort.

»Den Preißen?– Wir gehen doch jetzt Hand in Hand mit den Preißen!«

»So? Ist der Krieg also endlich aus! No ja, der Windischgrätz, der hat’s ihnen halt wieder amal gegäben.«

»Nein, Gnädigste, wir sind mit die Preußen«– meldete sich der Pinguin,– »will sagen: mit ›denen‹ Preißen– schon seit drei Jahren gegen die Russen verbündet und––« (»Ver– bin–dät!«– bekräftigte der Baron Elsenwanger.–) »–und kämpfen Schulter an Schulter mit ihnen.– Es ist–––« er brach höflich ab, als er das ironische, ungläubige Lächeln der Gräfin bemerkte.

Das Gespräch stockte und man hörte eine halbe Stunde lang nur mehr das Klappern der Messer und Gabeln, oder das leise klatschende Geräusch, wenn Bozena mit ihren nackten Füßen um den Tisch herumging und neue Speisen auftrug.––

Baron Elsenwanger wischte sich den Mund: »Herrschaften! Wollen wir jetzt zum Whist––?«

– Ein dumpfes, langgezogenes Geheul klang durch die Sommernacht aus dem Garten herauf und schnitt ihm die Rede ab–––:

»Jesus, Maria,– ein Vorzeichen! Der Tod ist im Haus!«–

»Brock! Mistviech verflucht’s. Kusch...


Meyrink, Gustav
Gustav Meyrink (eigtl. Meyer) wurde am 19. Januar 1868 in Wien geboren. Nach der Tätigkeit als Bankier in Prag 1889-1902 lebte er ab 1905 als freier Schriftsteller in München. Meyrink gilt mit seinen bekannten Romanen ›Der Golem‹, ›Das grüne Gesicht‹ und ›Der weiße Dominikaner‹ als Klassiker der phantastischen Literatur. In sein Werk gingen mystische und kabbalistische Elemente ein, er selbst konvertierte 1927 zum Mahanja-Buddhismus. Er starb 1932 in Starnberg.

Gustav Meyrink (eigtl. Meyer) wurde am 19. Januar 1868 in Wien geboren. Nach der Tätigkeit als Bankier in Prag 1889-1902 lebte er ab 1905 als freier Schriftsteller in München. Meyrink gilt mit seinen bekannten Romanen ›Der Golem‹, ›Das grüne Gesicht‹ und ›Der weiße Dominikaner‹ als Klassiker der phantastischen Literatur. In sein Werk gingen mystische und kabbalistische Elemente ein, er selbst konvertierte 1927 zum Mahanja-Buddhismus. Er starb 1932 in Starnberg.



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