E-Book, Deutsch, 168 Seiten
Meyer / Spangenberg Prinzessin Erdbert
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7519-6633-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
und ihre Freunde auf Schloss Uhruhguaih
E-Book, Deutsch, 168 Seiten
ISBN: 978-3-7519-6633-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Prinzessin Erdbert lebt auf Schloss Uhruguaih. Sie ist keine echte Prinzessin, sondern ein oranges Plüschmonster, das gerade so an die Türklinke heranreicht. Und das Schloss ist auch eher eine verfallene Villa in einem riesigen Park. Aber das darf man der Prinzessin nicht sagen. Sonst wird sie nämlich teufelsfuchswütendwild. Zweimal im Monat feiert Prinzessin Erdbert ihren Geburtstag. Manchmal auch öfter. Schließlich ist sie eine Prinzessin. Blöderweise hat sie nur zwei Freunde. Das reicht nicht für einen anständigen Geburtstag. Das ist ja wohl klar. Also macht sie sich auf die Suche nach neuen Mitbewohnern. Und dann ist da noch der Architekt, der das Schloss abreißen will ...
Stephan Martin Meyer wurde in Georgsmarienhütte geboren und wuchs in Osnabrück auf, bevor er Germanistik, Skandinavistik und Philosophie in Köln studierte. Er arbeitete als Projektmanager und Lektor und ist seit 2007 freier Autor. Er lebt in Köln, in Schweden und auf Kreta. Beim Gerstenberg Verlag sind einige Kindersachbücher von ihm erschienen.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Das Kleine Süße Rosa Pony
Prinzessin Erdbert stellt verwundert fest, dass ein fetter Ackergaul fantastisch Walzer tanzen kann und eine sehr zarte Seele hat. Schon am nächsten Morgen wird die Prinzessin durch aufgeregtes Bimmeln geweckt. Sie hebt den Kopf von ihrem Kanarienvogeldaunenkissen, das sie eigenhändig gefüllt hat, und denkt nach. Sie kennt das Geräusch, es schallt von unten durch das ganze Schloss. Sie braucht eine Weile, bis ihr klar wird, dass das durchdringende Geklingel von der Türglocke kommt. »Birni!«, ruft sie. Keine Antwort. »BIRNI!« Immer noch nichts. Sie muss wohl selbst nachsehen, wer da wie verrückt an dem Glockenseil zerrt. Sie sucht ihre Beine, findet sie unter der Bettdecke und schwingt sie aus dem Bett. Blöderweise ist sie am Abend zuvor von der anderen Seite ins Bett geklettert und hat den Hocker dort stehen lassen. Jetzt baumeln ihre Füße dreißig Zentimeter über dem Fußboden. »Mist«, murmelt sie, während das Glockengeläut den Staub auf der Fensterbank aufwirbelt. Prinzessin Erdbert hopst aus dem Bett, schlappt in Pantoffeln zur Treppe. Einen Moment lang ist es still. Die Prinzessin hofft, dass derjenige, der da so gebimmelt hat, wieder verschwunden ist. Genau in diesem Moment zeigt sich am Fenster neben der Eingangstür ein Gebiss. Ja, tatsächlich: ein riesiges Gebiss. Es grinst ins Schloss hinein, die Nüstern darüber blähen sich. »Hallo?«, fragt eine Stimme. »Hallo«, antwortet die Prinzessin. Aber sie steht noch auf der Treppe und das Gebiss kann sie nicht hören. Also huscht sie die Treppe hinunter. Im gleichen Moment setzt das Gebimmel wieder ein. »Ich komme ja schon«, ruft sie und reißt die Tür auf. Vor ihr steht ein Pferd. Ein ausgewachsenes Pferd. Eher ein Ackergaul. Großer Kopf, haarige Beine, weißes Fell, breiter Hintern. Zumindest wirkt er aus dem Blickwinkel der Prinzessin so. Erstaunt blinzelt sie zu dem breit grinsenden Pferdekopf hinauf und macht große Augen. »Guten Tag«, sagt das Pferd. »Und?«, fragt Prinzessin Erdbert, die noch immer etwas verschlafen ist. »Ich bin das Kleine Süße Rosa Pony. Ein Fräulein aus gutem Hause.« Irritiert sieht sich die Prinzessin um, streckte den Kopf an dem Pferd vorbei, um zu sehen, ob sich vielleicht jemand dahinter versteckt. Aber da ist nur der Park, der in der Morgensonne vor sich hin blüht. Die Stimme muss also aus dem Gebiss des Ackergauls kommen. »Wir kaufen nichts«, nuschelt die Prinzessin. »Und einen Toaster haben wir schon.« »Sie haben ein Zimmer zu vermieten?«, fragt das Gebiss und grinst. »Ich würde gerne einziehen.« »Oh. Dann kommen Sie doch rein.« Die Prinzessin tritt einen Schritt zur Seite, um das Pferd ins Schloss zu lassen. »Abermachen Sie sich die Hufe sauber, wir haben im letzten Monat geputzt.« Das Kleine Süße Rosa Pony wischt mit den Hufen über die Veranda, schabt dabei die oberste Holzschicht mit den Hufeisen ab und stampft dann an der Prinzessin vorbei in die Eingangshalle. »Schön haben Sie es hier«, meint es und schnuppert am Treppengeländer. »Nur ein bisschen eng.« »Na ja«, meint die Prinzessin, die das Pony verwundert betrachtet. »Sie sind ja auch ziemlich dick um die Hüften.« »Ich habe schwere Knochen. Das liegt in der Familie.« Das Pony klimpert mit den Wimpern. »Wo ist denn das Zimmer, das freisteht?« Es dreht sich einmal im Kreis, wobei es den Schirmständer, den niemand benutzt, eine Marmorbüste und das Sofa mit allen Kissen und Decken umschubst. »Oben«, meint Prinzessin Erdbert und lernt in diesem Moment etwas sehr Wichtiges über das Kleine Süße Rosa Pony: Man sollte immer erst genau nachdenken, bevor man ihm etwas sagt. Denn ohne abzuwarten, macht sich das Pony auf den Weg. Die erste Treppenstufe bricht sofort unter seinem Gewicht zusammen. »Halt«, ruft die Prinzessin und schlüpft unter den Beinen des Ponys hindurch, eilt acht Stufen höher, bis es mit dem Pony auf Augenhöhe steht. »Ich habe ein viel besseres Zimmer für Sie.« Sie sieht sich das Pony noch mal genau an. Der rechte vordere Huf steckt in der Treppenstufe, das Gesicht ist von einem Lächeln ausgefüllt und auf den Zähnen entdeckt sie einen grünlichen Schimmer, der die Prinzessin an das Moos im Park erinnert. »Woher haben Sie eigentlich Ihren Namen?«, will sie wissen, weil sie das Pony weder für klein noch für süß hält. Rosa ist es auch nicht. Außerdem ist es ja eher ein Pferd als ein Pony. Das Kleine Süße Rosa Pony sieht sie verwirrt an und sagt nichts. Also rennt die Prinzessin wieder am Pony vorbei und ruft: »Kommen Sie, das Zimmer wird Ihnen gefallen.« Sie reißt die Tür zum Tanzsaal auf, den seit ihrem Einzug niemand richtig benutzt hat. Die Fenster gehen zum Park hinaus, ausgefranste Gardinen reichen bis auf den Parkettboden hinab und an den Wänden, die mit Stofftapeten beklebt sind, hängen die Urlaubsfotos ihrer Urgroßtante. Ansonsten ist der Saal fast leer. Das Kleine Süße Rosa Pony folgt der Prinzessin und ist hingerissen. »Hier ziehe ich ein«, sagt es. Die Hufe klappern auf dem Parkett und hinterlassen deutliche Spuren. Das Pony dreht sich ein-, zwei-, dreimal im Kreis, dann ist ihm schwindelig. Es rennt zu einem der großen Fenster, blickt in den Park hinaus, lacht, wirft den Kopf in den Nacken und wiehert. Und dann entdeckt es das Grammofon. Die Urschwippschwägerin der Prinzessin hat es angeschafft und Schallplatten gekauft. Schellackplatten genauer gesagt – also uralte Dinger, die sofort kaputtgehen, wenn sie herunterfallen. Die Platten liegen auf dem Fußboden neben dem Grammofon und scheinen darauf zu warten, dass sie jemand anhört. Neugierig stößt das Kleine Süße Rosa Pony seine Nase zwischen die Platten und versucht offenbar zu lesen, was darauf steht. »Wenn Sie mögen, dann dürfen Sie das Grammofon gerne benutzen«, sagt die Prinzessin. »Das ist in der Miete inbegriffen.« Das Pony nickt zufrieden. »Sie können sich auch ein bisschen Stroh in die Ecke legen, darauf schläft es sich besser«, fügt die Prinzessin hinzu und erntet dafür ein weiteres Nicken. In der Tür erscheint Prinz Birni und inspiziert den Neuankömmling genau, der gerade mit den Zähnen vorsichtig eine Schallplatte aus ihrer Hülle zieht und sie auf den Plattenteller des Grammofons legt. Birni wendet sich Prinzessin Erdbert zu und hält den Kopf schief. »Was ist das denn?«, fragt er mit einem Blick auf das Kleine Süße Rosa Pony, das mit gespitzten Lippen die Kurbel dreht, um das Grammofon aufzuziehen. »Darf ich vorstellen: Fräulein Rosa Pony, Prinz Birni.« In diesem Moment dröhnt das Grammofon los, dessen Nadel den feinen Spuren der Schallplatte folgt. Ein Walzer erfüllt den Tanzsaal. Das Kleine Süße Rosa Pony starrt erst erschrocken auf den Trichter des Gerätes, aus dem die Dreivierteltakte herausfließen, als stünde das Schloss mitten in Wien. (Aus Wien kommt der Walzer, weil da die Donau so schön blau ist, die Menschen sehr eigenartig sprechen und alle ganz vornehm in Pferdekutschen herumfahren. In Wien hören die Menschen daher den ganzen Tag lang Walzer.) Dann wiehert das Pony erfreut und bäumt sich auf. Mit halb geschlossenen Augen dreht es sich im Takt der Musik über das Parkett, galoppiert einmal quer durch den Saal, nur um knapp vor dem Aufprall auf die Wand abrupt umzukehren und zurückzulaufen. Prinz Birni steht wie gelähmt an der Tür, lässt den Blick zwischen dem wild gewordenen Ackergaul, der Prinzessin und dem vor sich hin leiernden Grammofon hin und her schießen. »Fräulein Pony zieht hier ein«, schreit die Prinzessin über den Lärm aus Musik und Hufgeklapper hinweg. »Holst du etwas Stroh aus dem Schuppen, damit sie es hier gemütlich hat?« Entgeistert sieht Birni sie an. Er schüttelt fassungslos den Kopf und zieht sich zurück. Keinen Moment zu früh, denn das Pony kommt auf ihn zugeschossen, verpasst den richtigen Moment für eine Bremsung und rumst mit lautem Knall an den Türrahmen. Das Schloss erzittert. »Fräulein Rosa?«, sagt die Prinzessin, ohne gehört zu werden. Sie geht auf das Pony zu, immer darauf achtend, nicht von einem tanzenden Huf erfasst zu werden. »Fräulein Rosa Pony?«, sagt sie lauter. Doch das Kleine Süße Rosa Pony ist noch lange nicht fertig und rumst von einer Wand zur nächsten. »FRÄULEIN PONY!« Das Pony schlittert wiehernd an ihr vorbei, verfehlt sie nur knapp und hinterlässt eine tiefe Scharte im Parkett. »HE, DU VERFLUCHTER ACKERGAUL!«, brüllt die Prinzessin genau in dem Moment, an dem die Nadel das Ende der Platte erreicht und die Musik abbricht. Das...