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E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2963, 128 Seiten

Reihe: C.H.BECK Wissen

Meyer Hannah Arendt

Die Denkerin des 20. Jahrhunderts
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-406-83084-6
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die Denkerin des 20. Jahrhunderts

E-Book, Deutsch, Band 2963, 128 Seiten

Reihe: C.H.BECK Wissen

ISBN: 978-3-406-83084-6
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Warum ist Hannah Arendt heute die meistzitierte Philosophin und politische Theoretikerin? In ihrem Leben wie ihrem Werk wollte Arendt immer 'ganz gegenwärtig' sein und stellte sich der eigenen Zeit mit ihren dramatischen Umbrüchen und Abgründen. Der Ideenhistoriker und Arendt- Biograf Thomas Meyer folgt in diesem Band den Lebensstationen der Philosophin von Königsberg über Paris bis nach New York und verknüpft sie eng mit Arendts Schriften. Äußerst konzise stellt er ihre wichtigsten Werke vor und erschließt sie als Kommentare zur Zeitgeschichte. Es ist diese Gegenwärtigkeit, die Hannah Arendt für die ZeitgenossInnen des 21. Jahrhunderts so attraktiv macht.

Thomas Meyer lehrt nach Stationen im In- und Ausland seit 2020 als apl. Professor für Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
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II. Herkunft, Studium, erste Schriften (1906–1933)


Königsberg


Johanna Arendt, so der Name in ihren Papieren, wurde am 14. Oktober 1906 in Linden bei Hannover geboren. Ihre Eltern, Martha Arendt geborene Cohn und Paul Arendt, stammten beide aus Königsberg und kannten sich von Kindesbeinen an. Der Vater, seit seiner Jugend Sozialdemokrat, gehörte zum Freundeskreis von Joseph Bloch, der ab 1895 bei der neugegründeten Zeitschrift Der sozialistische Akademiker mitarbeitete und sie ab 1897 in alleiniger Verantwortung als Sozialistische Monatshefte herausgab. Paul Arendt engagierte sich anfangs bei der Zeitschrift, konzentrierte sich dann aber auf sein Studium der Elektrotechnik in Königsberg und Berlin, das er zügig als Ingenieur abschloss. Bei einer Spezialfabrik für elektronische Großgeräte und Heizungsanlagen in Linden stieg er rasch zum Oberingenieur mit Prokura auf. Martha Cohn und er wurden während dieser Zeit ein Paar und heirateten 1902 in Königsberg.

Mutter und Kind: Martha Arendt geb. Cohn mit ihrer sechsjährigen Tochter Johanna, genannt Hannah

Kurz nach Hannah Arendts Geburt erkrankte Paul so schwer, dass eine Fortsetzung seiner Arbeit unmöglich wurde. Die Familie zog daher 1911 nach Königsberg. Zwei Jahre später starb Paul, im selben Jahr wie sein Vater Max Arendt, Hannahs Großvater. Der observante, patriotische und antizionistische Max hatte die Grundlage für die gutsituierten Verhältnisse gelegt, in denen die junge Hannah aufwuchs. Denn er hatte die Geschäfte seines Vaters Aron Arndt (sic!), der in den späten 1840er Jahren nach Königsberg übersiedelt war, weiter ausgebaut und war zugleich in der Stadtgesellschaft wie in jüdischen Einrichtungen politisch aktiv gewesen. Wenn die Arendts auch nicht zu den ältesten jüdischen Familien Königsbergs gehörten, so doch zu denen, die man spätestens seit den 1870er Jahren kannte, über die die Zeitungen berichteten und die Teil der aufstrebenden bürgerlichen Stadtgesellschaft waren.

Der doppelte Verlust dürfte die Schülerin Hannah Arendt geprägt haben. Es folgten mehrere Schulwechsel, einer davon vermutlich wegen antisemitischer Attacken seitens eines Lehrers. Ostern 1924 legte Hannah Arendt als Externe das Abitur an einem protestantisch-humanistischen Jungengymnasium ab. Kurz darauf verließ sie Königsberg Richtung Marburg.

Marburg


Als sich Arendt im Sommersemester 1924 in Marburg immatrikulierte, war sie bereits einmal an einer Universität eingeschrieben gewesen: Im Jahr zuvor hatte sie ein Semester in Berlin bei dem katholischen Theologen Romano Guardini gehört und bei dem Gräzisten Richard Harder ihre Altgriechisch-Kenntnisse erweitert. Dass sie nach dem Abitur nach Marburg ging, hatte mit ihrem Freundeskreis zu tun, aus dem sie über einen Philosophen wahre Wunderdinge hörte: einen Revolutionär, der, wenn auch nicht immer nachvollziehbar, die Philosophie aus den Sackgassen der bloßen Gelehrsamkeit führen wolle. Es war Martin Heidegger, der, von Freiburg kommend, seit 1923 in Marburg lehrte und dort rasch einen großen Kreis von alten und neuen SchülerInnen um sich versammeln konnte. Über Neulektüren von Platon, Aristoteles, mittelalterlichen Autoren wie Augustin und Thomas von Aquin, aber auch neuzeitlichen Denkern wie Martin Luther, Leibniz und Kant versuchte Heidegger, die angeblich verlorengegangene ontologisch-metaphysische Grundlegung der Philosophie wiederzugewinnen.

Heidegger war alles andere als ein typischer Vertreter seiner Zunft, im Gegenteil. Er stammte aus kleinbürgerlichen katholischen Verhältnissen und hatte eigentlich Jesuit werden wollen. Jetzt war er Professor in Marburg, wenn auch noch kein Ordinarius, und verheiratet mit einer Protestantin. Von seinen zwei Söhnen war einer ehelich, einer nicht, wurde dann aber adoptiert. Heidegger galt als durchsetzungsfähig und willensstark, ausgestattet mit einem enormen Selbstbewusstsein. Sein Ziel war, Philosophie unabhängig vom neuen, tief verachteten demokratischen Staat zu betreiben, ganz auf die «Sachen» konzentriert. Für Heidegger war Philosophie kein Fach neben anderen, sondern ein Auftrag: die Wiedergewinnung eines ursprünglichen Verstehens der Welt und der Grundstruktur der menschlichen Existenz, die er «Dasein» nannte. Heidegger erschien nicht wenigen als ein Entschiedenheitsvertreter, der sich der Restituierung des Denkens als einziger Verpflichtung des Philosophen verschrieben hatte. Das war das Programm, dessen Entwicklung Hannah Arendt ab dem Mai 1924 in Marburg, zunächst in einer Vorlesung über Platons Sophistes, verfolgte.

Dass Arendt eine kurze Beziehung zu Heidegger hatte, die zumindest von seiner Seite keineswegs exklusiv war, ist eine Tatsache, mehr aber nicht. Bei Heidegger lernte Arendt das genaue Lesen und profitierte von seinen Auseinandersetzungen mit dem bedeutenden protestantischen Theologen Rudolf Bultmann, bei dem ihr Freund Hans Jonas studierte und schließlich auch promovierte. Jonas und die etwas älteren Hans-Georg Gadamer, Gerhard Krüger, Karl Löwith und Leo Strauss, um nur die bekanntesten Namen unter Heideggers Schülern zu nennen, versuchten in ihren Dissertationen und Habilitationen, den Gegensatz von Antike und Moderne mit dem von Philosophie und Theologie ins Gespräch zu bringen. Arendt dagegen war ganz ins Studium der klassischen Texte vertieft.

Doch es kam nicht nur auf das genaue Lesen an, die Konzentration richtete sich auf die immanente Lektüre der Texte. Nicht der Kontext, nicht die geistes- und ideengeschichtlichen Zusammenhänge, die Frage nach Vorläufern oder Nachfolgern der jeweiligen Autoren waren wichtig. Diese Kenntnisse waren die Voraussetzung, um zum Kern der Argumente vorzudringen. Die Texte der «Vergangenheit» wurden dabei zu Gesprächspartnern, mit ihnen wurde öffentlich verhandelt, ob das, was man dank ihrer verstanden hatte, zum Weiterdenken führte. Dabei galt es, die Maßstäbe der Lektüre offenzulegen. Heidegger nannte sein Verfahren «Destruktion», ein Durchstoß durch die Patina der Tradition hin zum Eigentlichen. Arendt hat sich diese Radikalität nie zu eigen gemacht. Ihre Deutungen vereinen, wie noch zu sehen sein wird, die Kenntnis der klassischen Philosophie mit der Improvisation und Provokation, die notwendig geworden waren, nachdem die Traditionen mit den modernen Totalitarismen ihre verbindend-verbindliche Autorität verloren hatten.

Heidegger wird nach 1945 wieder eine bedeutende Rolle in Arendts Leben und Werk spielen. Doch im Unterschied zu anderen Denkern wird sie keine eindeutige Position zu ihm beziehen.

Heidelberg


Im Mai 1926 zog Arendt nach Heidelberg, auch weil die Beziehung mit Heidegger zu belastend für sie geworden war. Dort lehrte sein Kollege Karl Jaspers, der gleichfalls an einer Abkehr von der bisher herrschenden Philosophie interessiert war. Ob Heidegger und er eine «Kampfgemeinschaft» bildeten, wie sie sich brieflich versicherten, kann bezweifelt werden. Anders als der «Stürmer» Heidegger war der 1883 geborene, also sechs Jahre ältere Jaspers in Oldenburg in einem sehr begüterten protestantischen Elternhaus aufgewachsen. Er war ursprünglich Mediziner, hatte sich in Psychologie habilitiert und musste sehr viele Widerstände überwinden, um eine philosophische Professur zu erhalten. Als Arendt in Heidelberg eintraf, arbeitete Jaspers an einer dreibändigen «Philosophie», die 1932 erschien. Arendt besuchte bei ihm eine Vorlesung über «Philosophische Weltanschauung», die den systematischen Fragen der Orientierung in der Welt gewidmet war.

Das Eintrittsbillett ins deutsche akademische Weltdorf Heidelberg

Jaspers dachte von den Begriffen «Sein» und «Situation» aus, er dynamisierte damit den Zugriff auf die Welt, deren historisches Werden der Mensch versteht, während er seine...


Thomas Meyer lehrt nach Stationen im In- und Ausland seit 2020 als apl. Professor für Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.



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