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E-Book, Deutsch, 292 Seiten

Metz Der zerbrochene Engel


1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7448-0605-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 292 Seiten

ISBN: 978-3-7448-0605-3
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Quem Deus amat eum castigat Wen Gott liebt, den züchtigt er Alex, der Sohn eines Zwangsarbeiters, den man bisher in Cham bei einer Pflegemutter versteckt hielt, kommt mit 9 Jahren ins Internat. Aus ihm soll einmal etwas werden, meint seine echte Mutter und freut sich, dass er wegen seiner glockenhellen Sopranstimme im Chor der Regensburger Domspatzen aufgenommen wird. Eine harte Zeit steht ihm bevor, nicht zuletzt, weil jeglicher Kontakt zu seiner geliebten Pflegemutter unterbunden wird. Das einzige, was ihn mit ihr noch verbindet, ist ein geweihter Schutzengel aus Gips, den sie ihm zum Abschied schenkt. "Der zerbrochene Engel" ist die Fortsetzung des BoD-Bestsellers "So war's und ned anders - Der versteckte Bua". L. Alexander Metz beschreibt diesmal seinen Lebensabschnitt von 1955 bis 1966 bei dem berühmten Regensburger Knabenchor.

geboren 1946 in Cham/Opf., Regensburger Domspatz von 1955 bis 1966, von Beruf IT- und Datenkommunikationsmanager, ist seit 2006 als Verleger, Filmproduzent und Autor tätig. Als Autor und Koautor veröffentlichte er bisher folgende Bücher: - Der Stenz von der Au - So war's und ned anders - Der versteckte Bua - Der zerbrochene Engel - Hans Schrems - Ad maiorem gloriam Dei Als Yoga-Lehrer (aus der Schule von Selvarajan Yesudian und Elisabeth Haich) und als Chormanager arbeitet er u. a. im Rahmen des "Chamer Modells" therapeutisch mit an Demenz erkrankten Menschen.

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Zucht und Ordnung
Der Herbst, er war so bunt, hatte endgültig das Zepter dem Winter übergeben. Der Himmel war grau. Die Bäume waren schwarz. Sogar die Tannen, die unser Heim von zwei Seiten umgaben, hatten sich in ein bedrückendes Schwarz getaucht. Selbst die Gänge und Schulsäle der dritten und vierten Klasse hatten dieses Grau und Schwarz angenommen. Es war die unsichtbare Angst, die uns immer begleitete und die uns überall hin verfolgte. Wer von draußen reinkam, konnte bestimmt diese Angst riechen. Sie entströmte unseren Poren und unserem Atem. Heute, es war ein Samstag, war es so weit. Der Herr Präfekt wollte nun endlich einen Schritt weiter gehen mit der Erziehung der ihm Anbefohlenen. Dieses Ritual der Zucht und Ordnung wiederholte sich wahrscheinlich jedes Jahr nach den Herbstferien. Was uns im Domgymnasium erwarten sollte, drinnen in Regensburg, darauf wollte er uns vorbereiten. Nur wenige würden es bis zum Abitur durchstehen, das wusste er. „Alle in den Schulsaal Vier!“, hieß es nach dem Haustus, der Teepause, die wir, wie üblich, in der Alm, dem Altbau, eingenommen hatten. Es gab Pfefferminztee und eine mit Zwetschgenmarmelade bestrichene Scheibe Brot. Der Aufruf, ja Befehl, kam vom Herrn Präfekten selbst. Laut und deutlich, dass es jeder hören konnte. Der Hausknecht, der Bergler Max, war nicht zu sehen. Er war mit den Vorbereitungen beschäftigt, zu einem Akt, den wir noch nicht kannten. Nicht ahnend, was auf uns zukommen sollte, stellten wir uns brav wie üblich in Zweierreihen auf dem langen Gang auf. Die Buben vom Schlafsaal Eins vor dem Schlafsaal Eins, die vom Schlafsaal Zwei vor ebendiesen und so weiter. Da der Schlafsaal Sieben am Ende des langen Ganges lag, der in den Neubau mündete, hatten die Schüler des Schlafsaals sieben den kürzesten Weg in den Schulsaal Vier. Wir alle mussten in den Schulsaal Vier, das Klassenzimmer der vierten Klasse. Mein Klassenzimmer. Auch die Drittklässler, deren Schulzimmer eigentlich im ersten Stock des Altbaus lag. Das war verdächtig. Irgendetwas lag in der Luft, das ahnten wir. Und es sollte nichts Gutes sein. Eine dunkle Wolke der Angst machte sich breit im Raum. Sie begleitete das Silentium strictissimum, das absolute Stillschweigen, das hier, wie auf jedem Weg innerhalb des Hauses, gefordert war. Ein Flüstern zum Nebenmann alleine schon zog eine Strafe nach sich. Zwei Schläge auf den Hintern oder mindestens Tatzen auf die ausgestreckte flache Hand mit dem Rohrstock. Im Schulsaal Vier setzten wir uns auf die Stühle hinter die Schultische. Vorne an der Tafel waren noch die Zeichnungen aus dem Fach Heimatkunde unseres Lehrers Sachberger zu sehen. Der Pestarzt mit der langen Schnabelnase. Wenn wir brav waren und tagsüber fleißig gelernt hatten, belohnte uns Herr Sachberger vor dem Abendessen immer mit einer Geistergeschichte. Geistergeschichten mochten wir besonders gern. Der Herr Präfekt ging durch die Reihen. Im Priestergewand. Schwarz. Das weiße Kollar spitzte dezent am Hals aus der von oben bis unten zugeknöpften Sutane. Beim Betreten des Schulzimmers knipste er das Licht an. Seine goldenen, merinoschafgelockten Haare leuchteten wie die eines Rauschgoldengels. Und auch seine Goldrandbrille funkelte. Ich mochte diesen frommen Gottesmann, auch wenn er streng war mit uns. Wie gerne hätte ich ihn als Vater gehabt! Dafür hätte ich bereitwillig die Schmach ertragen, von den anderen wie der Gangerl als „Herzibopperl“ eingestuft zu werden. Sein Blick war heute besonders streng. Keine Spur von dem gütigen Lächeln, das er manchmal zeigen konnte, wenn er gut gelaunt mit uns durch Wiesen und Wälder streifte. Sicher war wieder etwas Schlimmes vorgefallen, das seinen Unmut hervorrief. Er stellte sich vorne vor die erste Bankreihe. Jetzt war deutlich zu sehen, dass er in der rechten Hand den spanischen Rohrstock hielt, mit dem er uns zu züchtigen pflegte. Er schlug ungeduldig den Rohrstock an sein rechtes von der Sutane verdecktes Bein, hob das Kinn an und warf einen erwartungsvollen, aber strengen Blick zur Türe hin, durch die er eben hereingekommen war. Er wartete auf seinen Hausknecht, den Bergler Max. Der kam auch schon bald, stieß unwirsch mit dem Ellenbogen die Türe auf, da er keine Hand frei hatte. Er trug mit beiden Händen einen mächtigen, braunen, geflochtenen Weidenkorb herein, der mit irgendetwas gefüllt zu sein schien. Die Schüler, welche schon die dritte Klasse hier im Heim absolviert hatten, ahnten, was nun auf uns zukommen sollte. Werner schaute in geduckter Haltung zu mir rüber und machte mit der rechten Hand fast unmerklich eine Bewegung, die einen Schlag mit dem Rohrstock andeuten sollte. Mit einer Geste, die ein „Wird’s bald!“ zum Ausdruck bringen sollte, forderte der Herr Präfekt den Bergler Max, seinen getreuen Knecht, auf, zu ihm nach vorne zu kommen. Der Hausknecht, ein Hüne mit klobigen Händen und einem kräftigen, etwas nach vorne geschobenen Kinn, stellte den Korb neben dem Präfekten ab und verschränkte die Arme. Ein vorwurfsvoller Blick des Herrn Präfekten von der Seite zeigte ihm an, dass er nun zur Tat schreiten sollte. In der Klasse war es mucksmäuschenstill. Man hätte wirklich eine Stecknadel fallen hören können. Der Bergler Max bückte sich und zog eine Schuhbürste aus dem Korb. „Wem gehört diese Bürste?“ Der Herr Präfekt ließ seinen Blick über uns hinweg schweifen. Er wusste ohnehin, wem diese Bürste gehörte. Sie war mit einer Wäschenummer beschriftet. Dennoch meldete sich keiner von uns. Nun begriff ich endlich, worum es hier ging. Wer nach dem Schrankeinräumen und Schuhputzen irgendetwas aufzuräumen vergessen hatte, war jetzt dran. Obwohl ich mir keines Vergehens bewusst war, schlug mein Herz immer heftiger. Angst kam auf. Nebel im Kopf. Keiner meldete sich. „Ich frage nochmals: Wem gehört diese Bürste?“ Stille. „Oder fragen wir doch mal so: Wer hat die Wäschenummer fünfundneunzig?“ Nun wandten sich einige Blick hin zum Seitz, dem blassen, dünnen Jungen, der sich zitternd erhob. Er hieß nur der Seitz. Wir sprachen uns selten mit Vornamen an. Das war nur unter engen Freunden üblich. Und der Seitz hatte keine wirklichen Freunde. „Komm vor!“, befahl der Präfekt. Zögernd ging der Junge zwischen den Bankreihen nach vorne. Etwas zu zögerlich für den Herrn Präfekten, der den Blick in den Weidenkorb frei hatte und wusste, dass er heute noch einigen anderen auch Zucht und Ordnung beizubringen hatte. „Brauchst du eine extra Einladung? Etwas dalli!“ Der Seitz stand nun vor dem Priester in der schwarzen Sutane, zitternd, mit den Tränen kämpfend. „Bücken!“, schrie ihn der Präfekt an. Der Bergler Max trat einen Schritt zurück. Der Seitz bückte sich ängstlich und demutsvoll, aber etwas zu langsam. Da packte ihn der Herr Präfekt mit der Linken am Kragen, drücke ihn nach unten, holte mit dem rechten Arm weit aus und schlug den Stock zielsicher auf den Hintern des Jungen. Der gab keinen Laut von sich. Wir rutschten auf unseren Stühlen hin und her, als hätte es einen jeden von uns getroffen, obwohl wir diese Strafmaßnahme bereits kannten. Dann ging der Junge verstört zurück in seine Bank. Er hatte die Bürste mitbekommen. Ich sah, dass ein paar Tränen über seine Wangen liefen. Weinen bedeutete, eine Memme zu sein, und das war eine Schande vor den anderen. Der Seitz schaffte am Ende des Schuljahrs nicht einmal die Aufnahmeprüfung ins Gymnasium. Er war der Härte des Internatslebens und der Schule einfach nicht gewachsen. Eine kurze Kopfbewegung deutete dem Bergler Max an, nun den nächsten Gegenstand eines so gottverdammten Schlampers aus dem Korb zu holen. Es war ein Waschlappen. Und auch hier war es nicht schwer, den Übeltäter zu ermitteln. Denn auch in den Waschlappen war die Wäschenummer eingenäht. Es half kein Jammern und auch keine Ausrede des Delinquenten, er habe alles aufgeräumt und auch seinen Waschlappen an den Haken gehängt. Er wurde der Lüge bezichtigt und erhielt dafür einen Schlag mehr. Es war der Klein, der Bettnässer. Die Luft im Klassenzimmer Vier wurde immer unerträglicher. Angstschweiß breitete sich aus und drang in jeden Winkel. Noch fühlte ich mich sicher, hatte ich doch alle meine Sachen ordentlich aufgeräumt, so wie ich es von meiner Mama gelernt hatte. Trotzdem umgab mich ein Nebel der Angst. Wieder bückte sich der Bergler Max zum x-ten Male, nach x öffentlichen Hinrichtungen. Und nun holte er eine Erdal-Schuhcremedose hervor, die eindeutig mir gehörte. Ich war mir sicher, dass ich diese Dose, die ich später, wenn sie leer sein würde, zusammen mit Werner, meinem besten Freund, für ein Schnurtelefon nutzen wollte, sorgsam in mein Schuhputzfach gelegt hatte, und zwar ganz nach hinten. Es muss sie also jemand absichtlich herausgeholt haben, um mich dieser peinlichen und demütigenden Bestrafung auszusetzen. „Ich frage jetzt ein letztes Mal: Wem gehört diese Schuhcreme?“ Auch wenn mein Kopf glühte...



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