Buch, Deutsch, 184 Seiten, Format (B × H): 125 mm x 205 mm
Buch, Deutsch, 184 Seiten, Format (B × H): 125 mm x 205 mm
ISBN: 978-3-99065-137-7
Verlag: Edition Atelier
Elena Messner richtet in ihrem klug konstruierten und vielschichtig-spannenden Roman die Scheinwerfer auf das schmutzige Geschäft der Fleischindustrie.
Jana Dolenc ist frustriert von ihrer Arbeit in der Umweltbehörde. Die unzähligen Vergehen, die sie tagtäglich in die Datenbank klopft, führen ja doch zu nichts. Bis eines Tages die Kommissarin Nivia in der Lobby steht: Die Schwester des berüchtigten Unternehmers Mark Schulze, den die Behörde schon lange auf dem Zettel stehen hat, wurde ermordet, und Schulze ist verschwunden. Jana soll der Polizei bei den Ermittlungen helfen und arbeitet eng mit Nivia zusammen. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, der Jana tief in die dunklen Machenschaften der Fleischindustrie zieht und ihre Freundschaft zu Nivia auf die Probe stellt …
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Vorfreude
Die Zusammenarbeit mit Nivia war fantastisch. Von einem Tag auf den anderen wurde ich Teil einer Exekutivkraft, und meine Arbeit stand unter einem neuen Leitstern: Mord! Wie aufregend. Wie verwirrend. Krisen hatte ich genug erlebt, ich sagte es bereits: die Langeweile. Das Ohnmachtsgefühl. Die Hilflosigkeit. Der Selbsthass. Aber für all das, gerade für Unsicherheit und Zweifel gab es plötzlich keinen Platz mehr. Nach dem zweiten Zusammentreffen mit der Mordkommission löste sich alles auf, was ich an Abläufen und Regeln in unserer Abteilung kannte. In wenigen Stunden war mein Datenbankprojekt formell und institutionell in die Morduntersuchung eingebunden, Tag für Tag erreichten mich Angaben zu diesem und jenem, man gab mir ein kleines Zusatzbudget und die nötige Bewegungsfreiheit. Ich wurde von allen anderen Projekten freigestellt, meine einzige Aufgabe blieb es, die Mordkommission im Fall Schulze zu unterstützen. Zagheit, Vorsicht? Das war wie weggefegt. Und ich gestehe: Weil der Fall eben nicht meiner war, weil ich nicht mehr alleine war, sondern die Beraterin eines größeren Systems, traute ich dem Fall plötzlich zu, erfolgreich abgeschlossen werden zu können. Es war wirklich fantastisch, nicht gedemütigt, sondern ernst genommen zu werden.
Wie sofort und unumgänglich so vieles leichter wurde –
Wie sich alles zum Besseren wandte –
Und so rasch –
Was sollte ich also sonst sein, außer voller Vorfreude? Ich erkannte mich selbst kaum wieder. Während mich die Meldungen über Katastrophen und Zerstörungen beim Ablegen und Speichern kaum noch ergriffen hatten, weil ein innerer Abwehrmechanismus in mir sie abmilderte, regte sich nun plötzlich wieder etwas in mir.
War es Ungeduld?
Oder schon Hoffnung?
Aber worauf denn?
Ich dachte an Schulze, die Bilder aus seinen Fabriken, von denen ich so viele digital eingespeist hatte. Seit ich erfahren hatte, dass er als vermisst gemeldet worden war, verspürte ich diese intensive Befriedigung: Ein Erdloch zu meinen Füßen hatte sich aufgetan. Was würde daraus hervorkriechen? Da schlägst du dich mit Pestiziden herum, mit Fettgehalt und Legebatterien, mit den ekelerregenden Auswirkungen einer Züchtung, die auf immer höhere Leistung abzielt, den Folgen schlechter Haltungsbedingungen, den Augenentzündungen, dem Husten und den Gelenksschwellungen der Jungtiere, die vom Leben im eigenen Kot herrühren, mit zu langer Anbindung, mit Flutungen von Weideland, und dann plötzlich – Punkt.
Also jetzt wirklich: Mord!
Schulze war weg, verschwunden, seine Schwester tot, und es verging seit dem Treffen in der Lobby fast kein Tag mehr, an dem nicht die Mordkommissarin mit einem breiten Lächeln an meine Bürotür klopfte, um danach mit einem Coffee-to-go, einem Snack oder ein paar Akten einzutreten und sie auf meinem Schreibtisch abzulegen.
Ich kann getrost sagen, dass ich Nivia gegenüber auf der Hut war. Sie war mir institutionell überlegen, und natürlich fragte ich mich, ob das gutgehen konnte. Ich war ja nicht naiv. Würde sie mich nur lästige Arbeit übernehmen lassen und meine Zeit vergeuden, mich ignorieren und abhängen, sobald sie konnte, mich ausnutzen, wie es sich für junge Aufsteigerinnen gehörte?