E-Book, Deutsch, 384 Seiten
Meßenzehl Die Gabe
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7481-3570-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 384 Seiten
ISBN: 978-3-7481-3570-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Lavaudieu - ein kleines Dorf im Süden Frankreichs. Während einer stürmischen Herbstnacht gebärt eine junge Nonne ein Kind. Als 'Teufelsbalg' und 'Frucht der Sünde' verschrien, befiehlt die Äbtissin die Verstoßung des neugeborenen Lebens. Die barmherzige Krankenmeisterin des Konvents bringt das Mädchen heimlich zu Bäckersleuten. Das Ehepaar nimmt das Findelkind bei sich auf. Die Frau des Bäckers empfindet den unerwarteten Familienzuwachs gar als ein 'Gottesgeschenk'. Bei der Taufe gibt sie dem Mädchen den Namen Madeleine. Diese wächst an der Seite ihres Stiefbruders Jaques auf. Mit der Zeit empfindet sie ihm gegenüber eine innige Zuneigung. Da sich um das Geheimnis ihrer wahren Herkunft alles in Schweigen hüllt, sieht sich ihre Liebe unter keinem guten Stern. Während einer Wallfahrt nach Le Puy en Valey erfährt Madeleine plötzlich eine ganz besondere Gabe. Als 'Werkzeug Gottes' vollbringt sie an einem kranken Mädchen ein Wunder. Die Heilung bleibt den Augen eines Gesetzlosen nicht verborgen. Da er durch den wundersamen Engel ein gutes Geschäft wittert, bringt er sie heimlich in seine Gewalt. Als sich ein weiteres Wunder ereignet, dringt die Kunde bis in den Vatikan. Madeleine wird nun erneut das Opfer einer Entführung. Nun soll sie den Papst Pius V. von seiner schlimmen Krankheit heilen...
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
„Der geringste Engel übertrifft alle menschliche Kraft ganz unvergleichlich. Die Gründe ergeben sich aus vielen Dingen. Erstens, weil die geistige Kraft stärker ist als die körperliche, so wie die Kraft eines Engels oder auch die Seele der körperlichen Kraft überlegen ist.“ „ (Malleus Maleficarum, „Hexenhammer“) 1.
Spätherbst 1558. Es war merklich kälter geworden in der Auvergne-Rhone-des Alpes. Der Wind blies scharf in das „Tal Gottes“, wie man das Tal der Senouire 7, wegen des Klosters von Lavaudieu 8, liebevoll nannte. Bis dicht an die Kante eines steil abfallenden Talhanges, drängte sich der dichte Mauerring jener gleichnamigen kleinen Ortschaft. Schützend legte sich die Wehrmauer mit den befestigen Toren um die hohen und schmalen, aus Bruchsteinen errichteten und teils dicht gedrängt stehenden Häuser, mit ihren flachen Dächern. Die verwinkelten, engen und krummen Ecken und Gässchen, boten allesamt eine verträumte malerische Kulisse. Dabei eingebettet von den steilen Hügeln, Bergen und längst erloschenen Kratern eines einstigen Vulkangebietes. Im Mittelpunkt stand das Nonnenkloster Priorat Saint-Andre, mit seiner Kirche und den zum Konvent dazugehörigen Gebäuden und dem Kreuzgang. Schon aus der Ferne war der trutzige Wächter, der achteckige Vierglockenturm, mit seinem gotischen steil zugespitzten steinernen Turmhelm der Klosterkirche, im schwindenden Tageslicht zu erkennen. Mit dem Wind kamen schnell schwere nasse Wolken ins Tal. Dicke Regentropfen trommelten gegen das farblose Fensterglas des Infirmariums. 9 Das Kaminfeuer und ein brennender Kerzenleuchter warfen ein schummriges Dämmerlicht auf die Gesichter der „schwarzen Nonnen“. 10 Das schwarzgefärbte Habit ihrer schlichten enggeschnittenen Tracht, aus grober Schafswolle, zählte sie zu dem Orden der Benediktinerinnen. Ihre Haare hielten sie durch eine weiße Haube verhüllt und darüber trugen sie einen schwarzen, ebenfalls wollenen Schleier. „Schwester Adrienne wird das Licht des nächsten Morgens wohl nicht mehr sehen.“ In der Stimme von Gabrielle, der Krankenmeisterin des Klosters, wurde tiefste Besorgnis laut. „Es käme schon einem Wunder gleich, sollte sie ihr Kind überhaupt lebend zur Welt bringen.“ Von ihren Mitschwestern umringt, keuchte Adrienne erschöpft und schweißüberströmt nach Luft. Sie war gerade dabei ein Kind zu gebären. Eine verschwitzte Haarsträhne hing über ihrem rechten Auge. Adrienne war der eigentliche Stolz ihres Konvents. Keine andere verstand sich so gut wie sie, als „Herrin des Scriptoriums“ 11, in der Abschrift alter Handschriften, dem Schreiben von Urkunden und dem Verfassen von den Wundertaten und dem Leiden der Heiligen und Märtyrer. Zudem vermochte sie, dank ihres Talents und ad maiorem Dei gloriam 12, die Stundenbücher der Adligen herrlich zu illustrieren. Was dem Konvent ebenfalls einige Livres 13 einbrachte. Ferner unterrichtete sie ihre Mitschwestern im Schreiben und Lesen. Nebenbei betrieb sie zudem das Studium der „sieben freien Künste“. 14 Die Gebärende war nicht aus freien Stücken in die Abtei Saint-Andre gekommen. Einzig ihren „verehrten“ Brüdern, hatte es Adrienne zu verdanken, dass sie hinter dicken Klostermauern ein gottgefälliges Leben führen sollte. Es war der Streit ums Erbe, wegen des „lieben Geldes“ des verstorbenen Herrn Vaters - einem reichen Landgrafen, weshalb sie im zarten Alter von elf Jahren, aus der Geborgenheit ihrer Familie ausgestoßen wurde. Adriennes „Eintritt“ ins Kloster, hatten ihre Brüder, mittels einer großzügigen Mitgift und eines wertvollen Hofguts, zusammen mit weiten Feldern erkauft. Dennoch war für die „Freunde des Mammons“ noch mehr als genügend Reichtum übriggeblieben. Dies lag allerdings schon über ein ganzes Jahrzehnt zurück. Obwohl sich Adrienne längst an die strenge Klausur des Klosteralltags gewöhnt hatte und Armut, Gehorsam und Keuschheit ihre ständigen Begleiter waren, hatte sie sich vor neun Monaten einen Fehltritt „fleischlicher Gelüste“ geleistet. „Auf die Frucht der Schande kann die Menschheit getrost verzichten“, gab die Äbtissin bissig zurück. „Die Welt ist ohnehin schon schlecht genug. Da gäbe es wenigstens einen Taugenichts, Lüstling oder Halsabschneider weniger. Oder einen von den vielen Hungerleidern, denen wir tagtäglich an der Pforte ein Almosen schenken müssen.“ „Wollen wir nicht jemanden nach La Chaise - Dieu 15 schicken, damit einer der Mönche kommt, um Schwester Adrienne mit der letzten Ölung zu versehen?“, fragte Josephine, die Messnerin 16 des Klosters. „Dafür ist es zu spät“, sprach die Äbtissin, „außerdem hat das schwarze Schaf unseres Konvents nicht die geringste Barmherzigkeit verdient. Sie hat den Einflüsterungen des Teufels gehorcht und somit ihr heiliges Gelübde gebrochen.“ Adrienne windete sich vor Schmerzen, die durch den gepeinigten Körper rasten. Der Druck in ihrem Unterbauch nahm zu. „Du Ungehorsame vor dem Herrn, am liebsten würde ich dich unten im Kellergewölbe lebendig einmauern lassen. Gemeinsam mit deinem verdammten Balg. Ein räudiges Schaf soll nicht die ganze Herde anstecken. Ich hätte dich öfter zur Ader lassen sollen, dann hätte ich dir die fleischliche Begierde schon vertrieben.“ Die Äbtissin spürte vor lauter Rage nicht wie ihr das geschmolzene Kerzenwachs auf den Handrücken lief. „Gleich hast du es geschafft!“ Die Krankenmeisterin sprach Adrienne Mut zu. „Du musst nur etwas mehr pressen…“ „Auuuh, ich zerreiße!“ Von unsäglichen Schmerzen erfüllt, krallte Adrienne ihre Finger ins strohgefüllte Laken ihrer Bettstatt. „Das Köpfchen ist schon zu sehen!“, rief die Krankenmeisterin. Plötzlich war es soweit. Der ohrenbetäubende Schrei der Gebärenden brach sich an den Wänden der Krankenstube. Von einem heftigen Wehschrei begleitet, kam das Neugeborene zum Vorschein. Auf seinem Kopf spross der erste zarte Flaum rotblonden Haares. Umgeben von Blut und Fruchtwasser, hob die Hand der Krankenmeisterin die neue Frucht des Lebens in das schummrige Licht. „Der Himmel steh uns bei. Die Frucht deiner Schande ist über uns kommen.“ Entsetzt schlug sich die Äbtissin ihre Linke vor den Mund. Vergeblich hatte sie auf eine Totgeburt gehofft. Adrienne schenkte der Schimpfenden keinerlei Gehör. Die junge Mutter stand einzig unter ihrem ureigenen Bann. Für sie zählte allein ihr Kind. „Was ist es denn?“ hauchte sie schwach zur Krankenmeisterin. „Ein Mädchen!“ Über Adriennes verquollenes und von Schmerzen gezeichnetes Gesicht huschte ein merkliches Lächeln. „Gebt mir mein Kind“, hauchte sie schwach. Nachdem die Krankenmeisterin die Nabelschnur abgetrennt hatte, hüllte sie das Neugeborene sorgsam in ein sauberes Tuch und gab es der Mutter. Adrienne hatte ihre ganze Kraft verbraucht und viel Blut verloren. Mit schwachen und zitternden Armen hielt sie ihr Kind fest. Unendliche Freude durchströmte ihren erschöpften Leib. „Wenn unser Bischof von deinem Fehltritt erfährt. Nicht auszudenken, was dann geschieht. Er wird unser Konvent schließen lassen und uns alle davonjagen wie eine Meute verlauster Hunde.“ Die Hasstiraden der Äbtissin wollten einfach kein Ende nehmen. Der Stachelgürtel, den sie auf der bloßen Haut um ihre Hüften trug, schien sie heute besonders arg zu peinigen. Adriennes Gesicht sah sich plötzlich in wächserne Bleiche getaucht. Sie tat einen tiefen Seufzer. Nur mit Mühe vermochte sie ihre Augenlider offen zu halten. „Du Unglückselige, nenne mir den Namen des Vaters?“ Adrienne bewegte ihre Lippen. Doch niemand konnte sie verstehen. Sie war einfach zu schwach, um ihre Stimme zu heben. Von irgendwoher brachte ein heftiger Windzug die Flammen der Kerzen zum Flackern. „Mutter, bedenkt doch unserer Caritas. 17 Selbst der größte Sünder vor dem Herrn, hat es verdient, dass wir ihm als Christen vergeben“, warf Josephine dazwischen. „Schweig, dich hat niemand nach deiner Meinung gefragt“, gab die Äbtissin wutschnaubend zurück. „Und dir möchte ich am liebsten die Haare einzeln herausreißen. Sag mir endlich den Namen des Vaters deines unheiligen Balgs!“ Die Äbtissin wandte sich wieder Adrienne zu. Sie war so außer sich vor Zorn, dass sie selbst ihren Respekt vor der „Schatzmeisterin“ des Konvents verlor. Mit Augen, die vor Feuer loderten, starrte sie mit hasserfüllter Miene auf das Kind nieder. Ihre beiden Augenpaare begegneten sich. Plötzlich löste sich von den Lippen des Neugeborenen ein lauter Schrei. Der...