Mertsching | Ein Blick über den Bühnenrand | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 64, 300 Seiten

Reihe: Classica Monacensia

Mertsching Ein Blick über den Bühnenrand

Zentrale Randfiguren und ihre dramaturgische Funktion in der römischen Komödie
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-381-13363-5
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Zentrale Randfiguren und ihre dramaturgische Funktion in der römischen Komödie

E-Book, Deutsch, Band 64, 300 Seiten

Reihe: Classica Monacensia

ISBN: 978-3-381-13363-5
Verlag: Narr Francke Attempto Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Randfiguren besitzen in der römischen Komödie oft eine zentrale dramaturgische Funktion. Diesem vermeintlichen Widerspruch geht die Autorin in ihrer Arbeit eingehend auf den Grund. Da es sich bei den Randfiguren um Frauenfiguren handelt, wird insbesondere deren Rolle für das römische Drama und damit auch für die damalige (römische) Gesellschaft erarbeitet. Die Autorin widmet sich den Komödien der beiden bekanntesten römischen Komödienautoren, Plautus und Terenz, und analysiert Plautus' Casina und Terenz' Andria ausführlich. Hierbei nimmt sie gendersensible Aspekte auf und greift auch auf sozialwissenschaftliche Theorien zurück. Ihre Ergebnisse zeigen u. a., dass weibliche Randfiguren, obwohl teilweise durchgehend szenisch abwesend, das Handeln anderer, insbesondere männlicher (Haupt-)Figuren und somit die dramatische Handlung entscheidend beeinflussen.

Dr. Maria Mertsching war zwischen 2018 und 2023 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Prof. Dr. Therese Fuhrer an der LMU München.
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1 Zur Terminologie der szenischen Abwesenheit: Einordnung in die Forschung und Begriffsklärung


Bei der Betrachtung und Analyse der antiker Dramen fokussierte sich die gelehrte Forschung lange auf szenisch präsente Figuren und Figurentypen. Die Erforschung szenischer Abwesenheit hat dagegen kaum Forschungsinteresse geweckt.

In der jüngeren Vergangenheit haben angloamerikanische Wissenschaftler:innen die Funktion szenisch abwesender Figuren in modernen (meist anglophonen) Dramen untersucht. Ihre Beobachtungen können grundsätzlich auch auf antike Dramen übertragen werden, weshalb für die Definition der Begrifflichkeit der szenischen Abwesenheit Arbeiten von Mahfouz und Rosefeldt herangezogen werden. Während Mahfouz allgemein die Präsenz und das Wirken abwesender Figuren an Beispielen angloamerikanischer Dramen herausarbeitet, nimmt Rosefeldt speziell die Rolle des abwesenden Vaters in den Fokus.

Rosefeldt definiert eine szenisch abwesende Figur als „a character who never appears in the plot and, therefore, is never on stage, for his appearance would automatically give him unmediated presence.“ Nach Mahfouz können szenisch abwesende Figuren bzw. offstage-Figuren lebendig oder tot sein oder lediglich eingebildet. ‚Lebendig‘ und ‚präsent‘ werden sie auf der Bühne durch die Berichte, Erzählungen und Erinnerungen anderer Figuren. Ihre szenische Abwesenheit macht offstage-Figuren grundsätzlich zu Schwellen- oder Randfiguren, die sich sowohl Drama als auch des Dramas befinden, da sie zwar Teil der Story, aber nicht des Plots sind.

Rosefeldt betont, dass die Modellierung einer offstage-Figur zunächst im Auge der betrachtenden onstage-Figur(en) liege, mithilfe der sich das Publikum ein Bild der szenisch abwesenden Figur machen könne. Obwohl jede dramatische Figur durch andere indirekt charakterisiert wird und ihr Handeln damit der subjektiven Interpretation der charakterisierenden Figur(en) unterliegt, gelte dies für offstage-Figuren in einem besonderen Maß, da sie überhaupt keine Möglichkeit haben, selbst als Korrektiv zu wirken. Die Abhängigkeit der Repräsentation szenisch abwesender durch szenisch anwesende Figuren macht die Darstellung szenisch abwesender Figuren anfällig für – aus der Perspektive des Publikums betrachtet – ‚fehlerhafte‘, ambige oder sogar widersprüchliche Modellierungen. Rosefeldt bezeichnet die abwesende Figur vor diesem Hintergrund als „a syphon and a magnet, an Other that becomes reflected and refracted throughout the dramatic environment.“

Mahfouz zeigt an englischsprachigen Dramen anschaulich auf, welche Funktionen szenisch abwesende Figuren haben (können). Er betont die ‚Katalysator‘-Funktion abwesender Figuren, die eine entscheidende Rolle für die Entstehung der dramatischen Handlung, aber auch von Konflikten und der Handlung einzelner hätten:

„Yet the presence of an absent character in the theatre can be as arresting as it is influential on the outcome. When a playwright includes such a figure who is never observed, but is only referred to by those we can see on stage, it is to motivate or significantly alter them. Absent characters, whether dead, missing, or imaginary, are causal figures. … Those we do not glimpse on stage are still there, because they motivate the actors to take a certain course of action and advance the plot, but their physical presence is unnecessary. In fact, their absence may make them appear more powerful to us simply because we only know them by inference.“

Offstage-Figuren sind mit Mahfouz „kausale Figuren“ („causal figures“), das heißt ursächlich an etwas – der dramatischen äußeren Handlung sowie den inneren Vorgängen der anderen – beteiligt. Mahfouz macht deutlich, dass die Konzeption einer abwesenden dramatischen Figur dramaturgische Implikationen mit sich bringt und dass (zentrale) abwesende Figuren im Drama durch die symbolische Re-präsentation der anwesenden präsent werden. Szenische Abwesenheit stellt ein Mittel der Figurenprofilierung dar und kann als dramaturgisches Werkzeugt/Tool eines Dramenautors oder einer Dramenautorin betrachtet werden mit unterschiedlichen Zielen. Abwesende Figuren ignorieren heißt folglich, einen wesentlichen, strukturgebenden und handlungstreibenden Teil des Dramas zu vernachlässigen und damit sein Verständnis nicht in vollem Umfang zu begreifen.

In diesem Zusammenhang werden in der vorliegenden Arbeit sowohl der in der angloamerikanischen Literatur geläufige Begriff der ‚Katalysator‘-Funktion als auch der Begriff der ‚Triggerfunktion‘ verwendet. Beide Termini beziehen sich auf eine Funktion, die als direkte Ursache für die dramatische Handlung, einzelne Ereignisse oder inter- wie intrapersonelle Konflikte der sowie Effekte auf der äußeren Kommunikationsebene betrachtet werden kann.

Im Bereich der klassischen Philologie gibt es nur wenige Arbeiten, die sich mit der Abwesenheit im antiken Drama auseinandersetzen. Zu nennen sind die Monographie von Nicola Stanchi zu figuraler Abwesenheit in der griechischen Tragödie sowie zwei neuere Beiträge von Guiseppe Pezzini. Stanchi arbeitet verschiedene Funktionen besonders abwesender Figuren in der griechischen Tragödie heraus, indem sich der Autor am Motiv des Heimkehrens und besonders an der Figur des Odysseus orientiert. Das Warten auf den Heimkehrer motiviere den dramatischen Konflikt. Die analysierten Figuren lassen sich grundsätzlich drei Kategorien zuordnen und sind i. d. R. Hauptfiguren oder Helden, auf die die anderen (Verwandte, Freunde oder Freier) ‚zuhause‘ warten. Stanchi beschreibt mit dem Oxymoron „presenza assente“ die Bedeutung der abwesenden Figuren pointiert, da sie das Handeln und Denken der szenisch anwesenden beeinflussen. Gerade dieser Aspekt ist auch für die Analyse szenisch abwesender Randfiguren der römischen Komödie relevant.

Pezzini richtet sein Hauptaugenmerk auf Abwesenheit in der römischen Komödie. Er unterteilt szenisch abwesende Figuren aus der plautinischen Komödie in vier Kategorien und erklärt ihre Funktionen und die dramatischen Wirkungsmechanismen anhand szenisch (dauerhaft oder nur temporär) abwesender Figuren aus Plautus’ . Szenisch abwesende Figuren motivieren laut Pezzini nicht nur Verlangen sondern auch Fehlverhalten, Täuschung sowie Stellvertreterhandlungen.

Pezzinis Arbeit stellt eine sinnvolle Typologie abwesender Figuren der römischen Komödie dar und zeigt zugleich ihre Funktionen auf. Seine Beobachtungen sind für die Analyse von szenisch abwesenden weiblichen Randfiguren aufschlussreich. Dabei decken sich seine Ergebnisse mit den in dieser Arbeit eruierten Funktionen zu einem kleinen Teil, insbesondere mit Blick auf Pezzinis Typ des „desired absentee“ und der Objektfunktion der Randfiguren aus Plautus’ und Terenz’ . Pezzini untersucht allerdings nicht nur Randfiguren, sondern abwesende Figuren aus verschiedenen sozialen Schichten. Aus seinen Beobachtungen können daher nur bedingt Rückschlüsse auf die dramaturgische Bedeutung komischer Randfiguren gezogen werden.

Strobel befasst sich in ihrer Dissertation zur Darstellung weiblicher Figuren in den Komödien des Terenz auch mit den abwesenden weiblichen Figuren der einzelnen Komödien. Anhand ihrer Figurenanalyse arbeitet sie mit Rückgriff auf die Gender Studies heraus, welches Frauenbild in diesen Stücken vermittelt wird. Strobel erforscht auch die Darstellung und Funktionen der weiblichen Randfiguren in Terenz’ . Einige ihrer Feststellungen stimmen mit Teilen meiner eigenen überein. Dies gilt insbesondere für die grundlegende und entscheidende Prämisse der dramaturgischen Bedeutsamkeit szenischer Abwesenheit per se, aber auch...



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