E-Book, Deutsch, Band 1, 448 Seiten
Reihe: Die Wednesday-Reihe
Mejia Wednesday – Romanfassung zur ersten Staffel
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-641-33069-9
Verlag: cbt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kehre zurück in die herrlich düstere Welt der Erfolgsserie
E-Book, Deutsch, Band 1, 448 Seiten
Reihe: Die Wednesday-Reihe
ISBN: 978-3-641-33069-9
Verlag: cbt
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
»Wednesday« ist ein detektivischer, übernatürlich angehauchter Mysteryroman, der Wednesday Addams' Zeit als Schülerin an der Nevermore Academy nachzeichnet. Begleite sie, während sie versucht, ihre aufkommenden übersinnlichen Fähigkeiten zu meistern, eine ungeheuerliche Mordserie zu vereiteln, die die Stadt in Angst und Schrecken versetzt, und das übernatürliche Geheimnis zu lösen, in das ihre Eltern vor 25 Jahren verwickelt waren – und das alles, während sie sich in ihren neuen und sehr verworrenen Beziehungen an der Nevermore Academy zurechtfinden muss. Erlebe die Spannung und die Intrigen der phänomenalen ersten Staffel in dieser fantastischen Romanfassung noch einmal.
Basierend auf den von Charles Addams geschaffenen Charakteren.
Tehlor Kay Mejia ist dier Autor*in des von der Kritik hochgelobten Fantasyromans »We Set the Dark on Fire« und der »Paola-Santiago«-Trilogie bei Rick Riordan Presents, sowie weiterer Bücher für alle Altersgruppen. Tehlor lebt mit their Kind, their Herzensmensch und einem immer größer werdenden Hunderudel in their Heimatstaat Oregon.
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Kapitel 2
Das Büro der Direktorin von Nevermore verströmt genau die akademische Wichtigtuerei, die ich am allermeisten hasse. Dicke Wälzer in den Regalen, Ledersessel, poliertes Mahagoni und Bronzedekor. Es ist die Art von Raum, in dem sich dumme Menschen intelligent fühlen und intelligente Menschen am liebsten erbrechen möchten.
Ich sitze zwischen meinen Eltern in einem der Ledersessel, während die Schulleiterin mit gequälter Miene in meiner Akte blättert. Ich nehme an, dass sie meine Zeugnisse enthält und wahrscheinlich zusätzlich Warnungen ehemaliger Lehrer und Schulpsychologen.
»Wednesday – was für ein einzigartiger Name«, sagt Direktorin Weems schließlich, weil das wahrscheinlich noch das Harmloseste ist, was man zu meiner Person bemerken kann. »Heißt das, du wurdest an einem Mittwoch geboren?«
»Nein, an einem «, antworte ich und sehe sie durchdringend an, um ihr zu zeigen, dass das genau das bedeutet, was sie befürchtet.
»Ihr Name«, mischt sich meine Mutter mit beruhigender Stimme ein, »stammt aus einer Zeile meines Lieblingskinderreims. .«
Das einzige Mal, dass sie wirklich verstanden hat, wer ich bin, denke ich.
»Du hattest ja immer schon eine einzigartige Sicht auf die Welt, Morticia«, sagt die Direktorin. Sie sieht mich an. »Hat deine Mutter dir erzählt, dass wir uns damals ein Zimmer geteilt haben?«
Ach? Auf einmal sehe ich in Ms Larissa Weems nicht mehr nur irgendeine x-beliebige Schulleiterin. Ich versuche, sie mir als junges Mädchen vorzustellen. Ob sie immer schon so spießig und steif war? Jedenfalls kann sie nicht sonderlich beliebt gewesen sein, wenn sie jetzt hier arbeitet. Die Schüler, die zur In-Gruppe gehören, kehren erfahrungsgemäß selten an den Ort ihrer Verbrechen zurück.
Also hat sie wahrscheinlich etwas nachzuholen. Und obwohl sie mit meiner Mutter zusammengewohnt hat, wirkt sie nicht wie eine ihrer ehemaligen Bewunderinnen, was bedeutet, dass sie damals gegen den legendären Morticia-Addams-Charme relativ immun gewesen sein muss. Womöglich kann ich von dieser Frau sogar noch etwas lernen. Nicht dass ich ihr die Genugtuung geben werde, diesen Gedanken auszusprechen.
»Beeindruckend«, sage ich stattdessen kühl.
»Was genau?«, fragt sie höflich.
»Dass Sie es geschafft haben, darüber nicht den Verstand zu verlieren.«
Bilde ich es mir nur ein oder sieht sie mich plötzlich auch mit neu erwachtem Interesse an? Falls ja, ist sie klug genug, den Blick abzuwenden, bevor meine Mutter ihn bemerkt.
»Deine schulische Laufbahn wirft allerdings noch Fragen auf.« Sie vertieft sich wieder in meine Akte. »Acht Schulen innerhalb von fünf Jahren und jeder Aufenthalt endete mit einem … Vorfall.«
»Ich bin eine überzeugte Verfechterin von Selbstjustiz«, erkläre ich.
Statt auf meine Bemerkung einzugehen, sagt sie: »Nevermore nimmt zum Halbjahr normalerweise keine Schüler auf, aber du hast ausgezeichnete Noten, und deine Familie ist schon seit langer Zeit eng mit unserem Internat verbunden. Wir konnten beobachten, dass viele Schüler hier aufleben, nachdem man ihnen an anderen schulischen Einrichtungen nicht wirklich gerecht werden konnte. Ich habe mit dem Vorstand gesprochen, und wir sind bereit, eine Ausnahme zu machen, weil wir hoffen, dass das auch bei dir der Fall sein wird.«
»Die Schule, die mir gerecht werden kann, ist noch nicht gebaut worden«, entgegne ich. »Oder die mich halten kann. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das diesmal anders sein wird.«
»Ich glaube, unsere Tochter möchte damit ausdrücken«, mein Vater wirft einen scharfen Blick in meine Richtung, »dass sie diese Chance wirklich sehr zu schätzen weiß.«
»Richtig«, stimmt meine Mutter ihm zu. »Sie wird sich als absolute Musterschülerin erweisen und natürlich regelmäßig an den gerichtlich angeordneten Therapiesitzungen teilnehmen.«
»Ah ja. Das bringt mich zu unserem nächsten Punkt«, sagt Weems. »Viele unserer Schüler und Schülerinnen benötigen psychologische Unterstützung. Wir haben eine ausgezeichnete Jugendtherapeutin in Jericho, bei der Wednesday zweimal pro Woche eine Sitzung bekommen könnte.«
Bei dieser Vorstellung zieht sich mein Magen zusammen. Nach den letzten sieben Schulverweisen konnte ich es noch verhindern, therapeutisch behandelt zu werden, aber diesmal hieß es: entweder Therapie oder Jugendgefängnis. Zu schade, dass das Gericht die Entscheidung meinen Eltern überlassen hat. Ich fand Streifen eigentlich immer schon ziemlich kleidsam.
»Mal sehen, ob Ihre Therapeutin die erste Sitzung überlebt«, sage ich.
Weems zuckt nicht mal mit der Wimper. Offensichtlich braucht es mehr als ein paar markige Sprüche, um sie abzuschrecken. Na schön, dann werde ich mir eben ein bisschen Mühe geben müssen, aber ich liebe Herausforderungen. Ich werde herausfinden, was ihre größte Angst ist, und dieses Wissen anwenden, bevor ich mich aus dem Staub mache. Falls ich dafür vorher noch die nötige Zeit finde.
Direktorin Weems steht auf. Sie ist erstaunlich groß. Viel größer, als ich erwartet hätte. Sie und meine Mutter wirken gegen mich wie Riesinnen, und ich verfluche die Gene meines Vaters, die dafür gesorgt haben, dass ich klein geblieben bin.
»Du wohnst im selben Wohnheim wie deine Mutter«, sagt sie in einem Tonfall, der aus der Höhe, aus der sie jetzt zu mir herabspricht, noch strenger klingt. »Ophelia Hall.«
Meine Mutter holt begeistert Luft und klatscht in die Hände. Ich hasse Ophelia Hall, bevor ich das Zimmer auch nur gesehen habe.
Als wir kurz darauf durch das Schulgebäude gehen und vor einem Zimmer haltmachen, von dem ich annehme, dass es meines ist, wende ich mich an meine Mutter: »Ist Ophelia nicht die, die sich umbringt, nachdem ihre Familie sie in den Wahnsinn getrieben hat?«
Bevor meine Mutter etwas erwidern kann – nicht, dass sie sich dazu herabgelassen hätte –, schaltet sich Weems ein. »So!«, sagt sie mit breitem Lächeln. »Dann stelle ich dir jetzt mal deine Mitbewohnerin vor.«
Schon das Wort allein erzeugt Brechreiz bei mir. Wieso hat mir niemand gesagt, dass ich mein Zimmer hier auch noch mit jemandem teilen muss? Ich hatte mir vorgestellt, ein übertrieben düsteres und unheimliches Turmzimmer mit Spitzbogenfenstern zu bewohnen, über dem ein paar Raben kreisen. Ein Zimmer, in dem ich Cello spielen, meinen nächsten großen Roman schreiben und meine Flucht planen könnte.
Ohne Publikum.
»Dann wollen wir mal!« Weems klopft zweimal und öffnet die Tür.
Der Anblick eines dahingemetzelten Mordopfers in einer riesigen Blutlache wäre mir lieber gewesen, eine Kolonie wuselnder Tausendfüßler oder eine Giftgaswolke, deren Einatmen unerträgliche Schmerzen hervorruft, das Nervensystem lahmlegt und zu komplettem Organversagen führt … Alles – alles – wäre besser gewesen als diese Explosion aus und , die mich kurzzeitig erblinden lässt, als ich das Zimmer betrete.
Jemand – vermutlich meine zukünftige Mitbewohnerin – hat das riesige runde Bleiglasfenster in Form eines Spinnennetzes mit farbiger Transparentfolie beklebt, durch die das Licht des grauen Tages hereinflutet wie ein Regenbogen. Die Wände sind eine einzige bunte Riesencollage aus Bildern, herausgerissen aus der Sorte von Hochglanzmagazinen, die Frauen ein negatives Körpergefühl vermitteln, um ihnen dann pinke Plastikrasierer und widerlich süß duftende Seifen und Deos zu verkaufen. Auf einem der Betten hockt eine Armada von Kuscheltieren.
»Oha«, höre ich meinen Vater hinter mir murmeln. »Das ist ja ganz schön .«
Ich will gerade dazu ansetzen, meine Eltern zum mindestens zehnten Mal daran zu erinnern, was für einen massiven Verrat sie an mir begehen, indem sie mich hierherschicken, als aus dem Hintergrund ein junges weibliches Wesen angehüpft kommt. Tanzende blonde Locken, ein breites Lächeln, viele strahlend weiße Zähne. Gähn. Der Inbegriff von Harmlosigkeit.
»Hallöchen, neue Mitbewohnerin!«, ruft sie, und allein diese Begrüßung reicht, um für alle Zeiten in Stein zu meißeln, dass wir nie-nie-niemals Freundinnen werden können. Als hätte es noch eines weiteren Beweises bedurft, breitet diese mir vollkommen Fremde auch noch die Arme aus. Ich weiche unwillkürlich einen Schritt zurück.
»Wednesday«, sagt Weems. »Das ist Enid Sinclair.«
»Umarmungen sind wohl nicht so dein Ding, was?«, sagt Enid. »Verstehe. Ist okay.«
»Bitte entschuldige Wednesday«, sagt meine Mutter mit einem mitleidigen Lächeln, das ausdrückt, dass sie Enid und ihr Regenbogenfenster genauso erbärmlich findet wie ich. »Sie ist allergisch gegen Farben.«
Mit diesem einen Satz stürzt sie mich in ein Dilemma, aus dem ich – egal, wie ich mich entscheide – nicht erhobenen Hauptes entkommen kann. Entweder muss ich mich zwingen, Enid Sinclair zu mögen, oder zugeben, dass meine Mutter und ich tatsächlich einmal einer Meinung sind.
»Oh, wow, du bist allergisch gegen Farben?« Enid sieht mich mit ehrlicher Anteilnahme an. »Wie wirkt sich das denn aus?«
Ich erwidere ihren Blick, ohne zu blinzeln. »Es beginnt mit einem Ausschlag und dann schält sich das Fleisch von meinen Knochen.«
»Nun.« Direktorin Weems tritt mit diplomatischem Lächeln zwischen uns. »Zum Glück konnten wir extra für dich eine spezielle, un-farbige Schuluniform beschaffen. Enid? Wie wäre es, wenn du Wednesday...