E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Mehler Mord mit Streusel
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-86358-609-6
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 208 Seiten
ISBN: 978-3-86358-609-6
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Bei dem Versuch, eine Explosion vorzuführen, kommen zwei junge Feuerwehrleute der Deggendorfer Feuerwache ums Leben. Ein Unfall, meinen Polizei, Gutachter und Staatsanwalt. Ein Mord, glaubt der Kommandant. Und bittet das rüstige Rentnerinnen-Trio Thekla, Hilde und Wally um Hilfe. Doch die Ermittlungsarbeit der drei Damen erweist sich als lebensgefährlich.
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Montag, der 3. Juni Eine knappe Stunde später auf der Feuerwache in Deggendorf Eine Schranke verwehrte ungebetenen Gästen die Zufahrt. Thekla stellte ihren Wagen am Hochschulparkplatz ab, begab sich zu Fuß auf das nahe gelegene Gelände der Feuerwache, blieb mitten auf dem weiträumigen, mit Betonsteinen gepflasterten Innenhof stehen und schaute sich um. Niedrige, teils lang gestreckte Gebäude säumten das Areal. Ostseitig, direkt vis-à-vis der Einfahrt, stand eine recht neu wirkende Halle, in der offensichtlich der Fuhrpark untergebracht war. Durch blitzblanke Fenster konnte Thekla Löschfahrzeuge und Drehleitern erkennen. Im Gebäude links davon schienen die Büro- und Aufenthaltsräume zu liegen. Von dorther kam jetzt ein Grüppchen aus drei Personen gemächlich auf sie zugeschlendert. Da Thekla in Straubing vom Café Krönner aus nicht – wie Hilde und Wally – den kürzesten Weg zum Parkplatz am Hagen genommen hatte, sondern bei Feinkost Dreier noch fürs Abendessen eingekauft hatte (weil ja heute keine Zeit mehr bleiben würde, etwas zu kochen), war sie ins Hintertreffen geraten. Hilde und Wally waren gut zwanzig Minuten vor ihr hier angekommen und befanden sich bereits im Gespräch mit einem stattlichen Herrn. Und zweifellos handelte es sich bei dem Herrn, der jetzt eingerahmt von Hilde und Wally auf sie zuging, um Alois Schraufstetter persönlich. Thekla hatte ihn schon des Öfteren in der Tageszeitung abgebildet gesehen, hatte ihm jedoch nie spezielle Beachtung geschenkt. Da haben wir ihn also, dachte Thekla schmunzelnd. El gran Comandante. Hildes angebeteter Ali. Na denn. Während sie nun der kleinen Gruppe entgegeneilte, musterte sie ihn prüfend. Schraufstetter war gut einen Kopf größer als Hilde, was bedeutete, dass er es mindestens auf eins achtzig brachte. Mit einem amüsierten Seitenblick registrierte Thekla, dass Wally, die nur knapp über eins fünfzig groß und deutlich übergewichtig war, wie ein kleiner bunter Ball (sie trug grasgrüne Hosen und einen grün-rot gemusterten Blazer dazu) neben den beiden schlanken Gestalten herrollte. Im Gegensatz zu der beängstigend mageren Hilde war Schraufstetter kräftig gebaut, und wer sich nicht scheute, ganz genau hinzusehen, konnte bei ihm einen kleinen Ansatz von Schmerbauch erkennen. Das Bäuchlein lässt ihn gutmütig erscheinen, dachte Thekla. Schraufstetters Miene jedoch war ernst, beinahe sorgenvoll, der dunkle Rand seiner Brille verstärkte diesen Eindruck noch. Dennoch ließ sich deutlich spüren, dass Zielstrebigkeit und Tatkraft seine beherrschenden Charaktereigenschaften waren. Thekla nickte zweimal, als müsse sie bestätigen, was ein gewitzter Geist ihr zugeflüstert hatte. Dann dachte sie, wobei sie ungewollt in Hildes Ausdrucksweise verfiel: Er wirkt verteufelt sympathisch, sieht verdammt gut aus und erscheint so gottverflucht vertrauenswürdig, dass man ihm bedenkenlos die Tresorschlüssel der Nationalbank überlassen würde. Kein Wunder, dass Hilde und offensichtlich inzwischen auch Wally einen Narren an ihm gefressen haben. Fasziniert beobachtete sie, wie Wally irgendetwas plapperte, wobei sie dem Feuerwehrkommandanten schmachtende Blicke zuwarf. Auf dessen Gesicht breitete sich daraufhin ein warmes Lächeln aus, er beugte sich zu ihr hinunter, um etwas zu sagen, das Thekla jedoch nicht verstehen konnte, weil sie noch gut ein Dutzend Schritte von den dreien entfernt war. Nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte, wandte er sich an Hilde. Das Lächeln intensivierte sich. Theklas Augen verengten sich argwöhnisch. Herrgott, sollte sich etwa doch etwas angebahnt haben zwischen den beiden? Ihr Augenmerk richtete sich gespannt auf Hilde. Die hatte offenbar gerade eine Frage gestellt, denn sie sah El Comandante erwartungsvoll an. Thekla studierte ihre Miene, erkannte Interesse darin, Wissbegierde und einen Anflug von Zuneigung – ein gewisses Wohlwollen, wie es Kollegen oder Vereinskameraden füreinander aufbringen sollten. Keine Spur von Liebesgefühlen oder Leidenschaft. Falls Hilde tatsächlich Feuer gefangen hatte, wusste sie es gut zu verbergen. Wally dagegen himmelte El Comandante eindeutig an. Aus Theklas Kehle stahl sich ein leises Lachen, als sie bemerkte, dass Wally sich bei ihm eingehakt hatte. Doch schon im nächsten Augenblick senkten sich ihre Mundwinkel. Die Belustigung wich einem mitfühlenden Bedauern. Arme Wally, dachte sie. Tag für Tag Sepp Maibiers Flegelei und Bärbeißigkeit ausgesetzt, lechzt sie vermutlich geradezu danach, umschmeichelt und hofiert zu werden, zumal von einem Mann, der fraglos etwas darstellt. Als Thekla den letzten Schritt auf ihn zutat, streckte ihr Schraufstetter die Rechte entgegen. »Frau Westhöll hat Sie bereits angekündigt. Wie schön, dass Sie sich Zeit für mich nehmen konnten. Ihre Meinung ist mir sehr wichtig, Frau Stein, und Ihre Mitwirkung bei unseren Ermittlungen ist einfach unentbehrlich.« »Hilde hat mich herbestellt«, antwortete Thekla hölzern, wobei sie den Tadel ihres Gewissens ignorierte, das prinzipiell liebenswürdigere Umgangsformen vorschrieb. Gleichzeitig fragte sie sich verblüfft, weshalb El Comandante sie begrüßte, als hielte er sie für eine Meisterdetektivin. Meint er, Miss Marple vor sich zu haben?, dachte sie skeptisch, oder versucht er nur, mich einzuwickeln, wie es ihm bei Hilde und Wally ja offenbar hervorragend gelungen ist? In das auf Theklas brüske Antwort hin entstandene Schweigen sagte Hilde an den Kommandanten der Deggendorfer Feuerwehr gewandt: »Haben wir beide nicht vereinbart, uns zu duzen, jetzt, wo wir gemeinsam herausfinden wollen, ob hinter dem Spraydosenunfall ein Verbrechen steckt?« Schraufstetter nickte bestätigend, woraufhin Hilde hinzufügte: »Ich denke, das sollte für alle gelten.« Wally stellte sich kichernd auf die Zehenspitzen und drückte ihm ein Küsschen auf die Kinnlade. »Ich heiße Wally.« Schraufstetter schenkte ihr wieder sein warmes Lächeln und sagte herzlich: »Wie nett, wie reizend.« Von Gebräuchen und Gepflogenheiten – ob einleuchtend oder albern – hatte Thekla sich noch nie bevormunden lassen, deshalb streckte sie ihm nun ihrerseits die Hand hin und sagte knapp: »Thekla.« Schraufstetter schüttelte ihre Hand ein zweites Mal, schien jedoch plötzlich um Worte verlegen zu sein. Hilde brach das Schweigen. »Ali will uns den Versuch vorführen lassen.« »Wozu?«, hätte Thekla gern gefragt. »Hast du uns im Krönner nicht genauestens beschrieben, wie ein kontrollierter Spraydosenzerknall vor sich geht? Das war ja nicht schwer zu kapieren. Nach dem Erhitzen der geleerten Dosen macht es kurz ›peng‹, eine Flamme lodert auf, und der Käfig sorgt dafür, dass niemand zu Schaden kommt. Weshalb also noch lange herumzündeln? Wir brauchen uns ja nicht vor Augen zu führen, wie das Experiment im Normalfall abläuft. Was wir herausbekommen müssen, ist, warum es dieses eine Mal schiefgegangen ist.« Sie verzichtete jedoch auf eine Entgegnung und folgte Schraufstetter zu einem Gestänge, das mitten im Hof aufragte. Als sie näher kam, erkannte sie, dass es den bereits mit zwei Spraydosen bestückten Käfig trug. Die Vorrichtung für den Versuch war also schon aufgebaut worden, bevor sie, Hilde und Wally hier angekommen waren. In Thekla wallte erneut Ärger auf. Wie hatte Hilde nur so sicher sein können, dass sie nach ihrer Pfeife tanzen würden? Derart selbstherrliches Betragen sollte man ihr nicht durchgehen lassen; aber wie hätte sie sich jetzt noch dagegen wehren können, ohne El Comandante vor den Kopf zu stoßen? Darüber hinaus musste sie zugeben, dass sie – wie war das nur gekommen? – auf einmal die Neigung verspürte, der Sache auf den Grund zu gehen. Der Ärger ebbte langsam ab. Thekla trat an den Versuchsaufbau heran und nahm den Käfig in Augenschein. Er bestand aus gut vier Millimeter dickem Draht, der netzartig verflochten und ringsherum durch Eisenstäbe verstärkt war. Das Gebilde befand sich etwa eineinhalb Meter über dem Boden auf einer Art Dreifuß, dessen Gestänge schon von Weitem zu sehen gewesen war. »Kreisbrandmeister Erwin Wurzer – hauptverantwortlich für unsere Geräte – wird uns den Spraydosenzerknall vorführen«, sagte Ali. Thekla blickte auf und sah sich einem mittelgroßen dunkelhaarigen, auffallend kompakt wirkenden Mann um die vierzig gegenüber. Er trug ein blaues T-Shirt mit dem Abzeichen der Deggendorfer Feuerwehr, graue Arbeitshosen und Sicherheitsschuhe. Als Thekla »Hallo, Herr Wurzer« zu ihm sagte, nickte er bloß und machte sich an einer Gasflasche zu schaffen. Hilde begrüßte den Gerätewart überraschend freundlich. Sie bedankte sich sogar bei ihm, weil er offenbar extra hergekommen war, um den Spraydosenzerknall vorzuführen. Doch auch sie erntete nur ein Nicken. Auf Wallys Geplapper: »Oh, was bin ich gespannt. Oh, bestimmt wird uns der Knall fürchterlich erschrecken. Oh, mir wird ganz beklommen …«, reagierte er gar nicht. Wortkarg, konstatierte Thekla. Spricht vermutlich nur mit Löschfahrzeugen, Pumpen, Schaufelladern, Ölabscheidern … Wurzer hatte inzwischen einen von der Gasflasche gespeisten Brenner entzündet, der aussah wie jene Abflammgeräte, mit denen man Unkraut zwischen Pflastersteinen und an Plattenwegen vernichtet, und hielt ihn unter den Käfig, wobei er auf die Spraydosen zielte. Schon nach wenigen Sekunden gab es einen lauten Knall. Danach lief alles genau so ab, wie Hilde es ihnen im Krönner geschildert hatte: Eine Stichflamme schoss empor, knisterte, flackerte und rauchte eine Weile,...