Mehler | Honigmilch | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Reihe: Niederbayern Krimi

Mehler Honigmilch


1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-86358-027-8
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 208 Seiten

Reihe: Niederbayern Krimi

ISBN: 978-3-86358-027-8
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Fanni Rot und Kommissar Sprudel hatten nichts Aufregenderes im Sinn als eine Wanderung zum Großen Falkenstein. Der Ausflug erweist sich jedoch als folgenschwer, denn Fanni entdeckt unweit des Gipfelkreuzes die Leiche einer jungen Frau. Ehe sie es sich versehen, befinden sich Fanni und Sprudel mitten im Wirbel der Ermittlungen - und wenig später gibt es eine zweite Tote. Warum, fragt sich Fanni, mussten zwei junge Frauen eines gewaltsamen Todes sterben? Woher kommen all die Krankheitskeime, die als ausgerottet gelten? Als sie versucht, darauf Antworten zu finden, bringt sich Fanni selbst in tödliche Gefahr.

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1 Fanni trug ganz allein selbst die Schuld daran, dass sie auf Annabels Leiche stieß. Was musste sie auch ein heimliches Stelldichein mit Sprudel arrangieren? Ein Treffen, das sie auf den Gipfel des Großen Falkenstein führen würde. Fanni hatte selbst Schuld, und sie verdiente es nicht anders, weil sie auch noch über die Planke kletterte, die den erlaubten Weg von der Naturschutzzone abgrenzte. Bevor Fanni beschloss, verbotenes Terrain zu betreten, hatte sie Hand in Hand mit Sprudel unter dem Gipfelkreuz verweilt und ins Tal geblickt. Direkt vor ihnen lag das Dörfchen Lindbergmühle, weiter rechts sahen sie Regenhütte, und ganz links in der Ferne konnten sie den Sendemast auf der Kuppe des Brotjackelriegel erkennen. Die Sonne schien, doch der böhmische Wind wehte frisch, und deshalb saßen alle anderen Wanderer bei Kaffee und Kuchen in der Falkenstein-Schutzhütte, die knappe hundert Meter unterhalb des Gipfels stand. Fanni und Sprudel wollten soeben auch dorthin absteigen, als Fanni auf die Holzplanke deutete, die das frei zugängliche Gipfelgebiet auf der Nordostseite eingrenzte. »Schau«, sagte sie, »hier dahinter liegt die ehemalige Telefonschneise. Früher sind wir die manchmal mit Skiern hinuntergefahren. Vor dreißig Jahren war das noch nicht verboten. Damals hat es noch keinen interessiert, wo die Wanderer herumgestiefelt sind, und Nationalparkranger kannte man nur aus amerikanischen Filmen.« Fanni hockte sich auf die Planke und ließ die Beine baumeln. »Ende der Neunziger wurde dann plötzlich schier der komplette Bayerische Wald zum Nationalpark erklärt. Lusen, Rachel und Falkenstein, sämtliche Schachten, alles steht jetzt unter dem Dekret der Nationalparkverwaltung. Und sobald du deinen Fuß auf ein Steinchen außerhalb des markierten Weges setzt, kommt ein Ranger und pfeift dich zurück.« Sprudel schmunzelte. »Sind wohl nicht besonders beliebt hier, die Nationalparkranger?« »Grünzeug-Gendarmen werden sie von den Einheimischen genannt«, grinste Fanni und spähte die Telefonschneise hinunter. Sie schwang die Beine auf die verbotene Seite der Planke und zeigte auf den Felsbrocken, der die Einfahrt in die Schneise in zwei schmale Rinnen teilte. »Für mich war es immer ein Riesenproblem, mit Skiern an dem Felsen da vorbeizukommen. In den Rinnen wirst du leicht zu schnell, und dann klebst du am nächsten Baum, bevor du abschwingen kannst. Na ja«, gab sie zu, »eine Rosi Mittermaier war ich nie.« Sprudel beäugte den Stein. »Es sieht so aus, als käme man überhaupt nicht daran vorbei.« »Zugewachsen«, antwortete Fanni. »Die ganze Schneise wächst langsam zu.« Sie löste sich von der Planke und machte ein paar Schritte auf unerlaubtem Boden. Und das rächte sich auf der Stelle. Am Fuß des Felsens, talwärts gelegen, entdeckte Fanni eine helle Hose. Aus der Hose ragten zwei Füße, die in weißen Turnschuhen steckten. Fanni erstarrte. Sie sah schnell weg und dann doch wieder hin. Ihr Blick fand eine weiße Bluse mit rötlichen Klecksen. Er fand ein weißes Gesicht, eingerahmt von schwarzen Haaren. Schnell fort von hier!, riefen Fannis Gefühle. Hau ab, lass dich in nichts reinziehen. »Was ist, Fanni?«, rief Sprudel. Sag: »Nichts« und geh, riet Fannis Kleinmut. Eine Verletzte, die Hilfe braucht!, brachten einsichtige Gedanken Ordnung in den Krawall – Notruf! Sofort! Bevor Fanni auf die Anweisung ihrer Vernunft reagieren konnte, schwang sich Sprudel über das Geländer, trat zu ihr und sog scharf die Luft ein. Eine Sekunde später kniete er bereits am Boden und beugte sich über das weiße Gesicht. Zweige und Brombeerranken legten sich auf seine Schultern, seine Haare. Sprudel wischte sie weg und sah auf. »Fanni«, sagte er, »du musst zur Hütte hinunterlaufen. Der Wirt soll schnellstens den Notarzt rufen. Er wird ja wohl ein Telefon haben. Mein Handy …« Fanni hörte nicht mehr, weshalb Sprudel sein Handy nicht benutzen konnte – ihr eigenes lag wie immer zu Hause. Sie sprang bereits über die Planke und rannte den felsigen Pfad zur Falkenstein-Schutzhütte hinunter. Sie hielt auf den überdachten Eingang zu, als ihr ein silbernes Edelweiß ins Auge sprang. Es prangte auf einer Tafel am Hauseck. »Dienststelle Bergwacht« stand darunter. Bergwacht? Bei Unfällen in den Bergen rückt die Bergwacht an! Fanni schlug einen Haken ums Hütteneck und entdeckte eine Eingangstür, die in den Anbau an der Ostseite der Falkenstein-Schutzhütte führte. Sie drückte die Klinke hinunter, riss die Brettertür auf und trat in einen winzigen Flur. Links erzitterten ein Schrubber und ein Reiserbesen in der plötzlichen Zugluft, als wollten sie Fanni grüßen. Direkt vor sich sah Fanni eine zweite Tür und öffnete sie. Zwei Bergwächter saßen am Tisch, volle Biergläser vor sich. Der eine schnitt soeben ein Stück Geräuchertes auf, der andere säbelte dicke Scheiben von einem Brotlaib. »Komm nur rein«, forderten sie Fanni auf, die in der offenen Tür zum Stehen gekommen war. »Magst mitessen? Warum schnaufst du denn so?« »Unfall«, keuchte Fanni, »in der Telefonschneise.« »Was sagst du?«, fragte der eine. »Unfall!«, schrie Fanni. Da ließen die beiden seufzend ihre Halben, das Geselchte und das Bauernbrot im Stich, zogen sich rote Anoraks über, auf deren Rückseite ein weißes Edelweiß leuchtete, und folgten Fanni. Sprudel kniete nicht mehr allein unter dem Felsen. Ein Nationalparkranger hockte neben ihm und sprach in sein Handy. Als Fanni mit Rudi und Sepp, wie sich die Bergwächter ihr inzwischen vorgestellt hatten, herankam, erhob sich Sprudel, ging ihnen entgegen und bat sie, hinter der Planke zu bleiben. »Sie hat uns hergeholt!«, rief Sepp und deutete anklagend auf Fanni. »Wir sind die Bergrettung.« »Hier gibt es niemanden mehr zu retten«, entgegnete Sprudel. »Der Ranger hat bereits die Polizei alarmiert.« »Tot?«, fragte Sepp. Sprudel nickte. »Auf dem Felsen herumgeturnt, abgerutscht, Genick gebrochen«, diagnostizierte Rudi ohne den geringsten Sichtkontakt zur Leiche. Sepp machte ein paar Schritte am Geländer entlang und reckte den Hals. »Weißt, wer das ist?«, fragte er Rudi. Der sah ihn erwartungsvoll an. »Die Annabel ist das«, verkündete Sepp, »schau hin, erkennst sie nicht?« Rudi rückte nun seinerseits zu der Stelle vor, von der aus man einen Blick auf das weiße Gesicht werfen konnte, und beugte sich über die Planke. »Tatz und Fell von der Katz, das ist sie!«, sagte er. »Und überall Blutspritzer.« Blut? Fanni wollte die Verunglückte nicht noch einmal ansehen müssen und die Blutspritzer, die sie zuvor für ein abstraktes Muster auf der Bluse gehalten hatte, schon gar nicht. Was also trieb sie auf den Baumstumpf, von dem aus sie einen freien Blick auf die tote junge Frau hatte? Misstrauen? Skepsis? Der Zwang, sich selbst ein Bild zu machen? Die Kleckse auf der Bluse – eigentlich mehr braun als rot – konnten durchaus Blutspuren sein. Und ja, sie setzten sich in dem weißen Gesicht fort – kleiner, verwaschener, weniger deutlich auf der milchigen Haut. Fanni fielen Bruchstücke aus dem Märchen von Schneewittchen ein: »… weiß wie Milch, rot wie Blut …« Ja, Annabel war schön wie Schneewittchen. Sie hätte in eine Werbebroschüre gepasst. Als Reklame für Sonnenschutzmittel, für Hautlotion, für Tönungsshampoo. Ihr schwarzes Haar glänzte seidig. Dort, wo ein Sonnenstrahl darauf fiel, schimmerte es dunkelrot. Fanni wandte sich ab. Als sie von dem Baumstumpf herunterstieg, sah sie, dass sich um Rudi und Sepp ein Grüppchen Menschen angesammelt hatte, und erst jetzt drangen die Stimmen in ihr Bewusstsein. »Freilich ist das die Annabel«, rief Sepp soeben, »die Annabel Scheichenzuber ist das.« Sein Bayrisch machte ein »Anerbeel« daraus. Fanni seufzte. Sie hatte nie begriffen, was manch eingefleischten Bayern dazu veranlasste, seinen Kindern derart unbayrische Vornamen zu geben. Zum einen, fand Fanni, passte nun mal eine Anna oder Lisa, ein Toni oder Franz besser zu Scheichenzuber, Steigelmeier oder Brezendorfer als eine Jaqueline, Nicole oder ein Pierre. Zum anderen wurden diese unkonventionellen Vornamen besonders in Niederbayern ausnahmslos verhunzt. Leni hatte in ihrer Klasse eine Tschaklinn gehabt, Vera eine Nikohl. »Weiß das der Max schon, dass seine Aushilfsbedienung tot in der Telefonschneise liegt?«, hörte Fanni eine Stimme fragen. »Wird es früh genug erfahren«, antwortete eine andere. »Wo kommt das Mädel denn her?«, meldete sich eine dritte. »Die Familie muss doch …« »Die Annabel wohnt in Zwiesel«, verkündete Rudi, »am Finkenschlag. Ihr Vater ist Fahrkartenverkäufer bei der Bahn.« »Die Annabel geht auf die Glasfachschule«, fügte Sepp hinzu und verbesserte sich dann leise: »Ist auf die Glasfachschule gegangen.« »Hat nicht vorhin einer gesagt, das Mädel bedient in der Schutzhütte?«, warf eine der Stimmen ein. »Bloß am Wochenende«, beeilte sich Rudi Auskunft zu erteilen. »Da hilft sie unserer Heide.« »Die kommt eh gerade«, rief Sepp und deutete zum Aufstiegspfad. Alle Köpfe – Fannis inbegriffen – drehten sich in die gewiesene Richtung. Heide hielt ihren knöchellangen Dirndlrock mit einer Hand gerafft, um nicht auf den Saum zu treten. Ihre Bluse leuchtete sunilweiß. Aus den mit einer Spange zusammengehaltenen...


Jutta Mehler wurde 1949 im Bayerischen Wald geboren und lebt dort nach Jahren in München auch wieder. Ihre Romane und Erzählungen basieren häufig auf authentischen Lebensgeschichten, so auch die im Emons Verlag erschienenen Titel "Moldaukind", "Am seidenen Faden" und "Schadenfeuer". "Honigmilch" - der Nachfolger des Bestsellers "Saure Milch" - ist ihr zweiter Kriminalroman und wie alle ihre Bücher mit skurrilen Figuren bevölkert.



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